Stadt Landau in der Pfalz / Städtische Galerie Villa Streccius
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"Kulturen - Kontakte"
Hermann Clemens und Rolf Müller-Landau in Begegnung mit aktueller asiatischer Kunst
26.01.13 bis 03.03.13
Städtische Galerie Villa Streccius
Hermann Clemens: "Walpurgisnacht"

Vernissage am 25.01.13 um 20.00 Uhr

Der Maler und Grafiker Hermann Clemens ist Träger des 1980 erstmals weltweit ausgeschriebenen Preises für Miniaturgrafik der Space Group in Seoul, Süd-Korea. Im Januar 2013 begehen wir seinen 100. Geburtstag mit einer großen Jubiläumsausstellung in der Städtischen Galerie Villa Streccius in Landau in der Pfalz.

Die Space Group, 1961 in Seoul gegründet, ist wesentlich am Aufbau der kulturellen Avantgarde in Südkorea beteiligt. Im Jahr 1980 organisierte sie erstmals die Space International Print Biennal unter dem Thema "Small things are beautiful", die seither mit einem großen Preis für Miniaturgrafik verbunden ist. Insgesamt hatten 758 Künstler aus 28 Ländern ihre Drucke eingereicht. Die besten 158 Arbeiten wurden für die Ausstellung in Seoul ausgewählt. Die hochkarätige Jury bestand aus den Professor Youn-Myeung-Ro, Chairman of the Korean Print Association, Professor Lee Kyung-Sung, Kritiker Korea, Oshima Seiji, Director of Tochigi Prefectural Museum of fine Art and member of AICA, Japan. Im Jahr 1980 war es etwas Besonderes, dass Hermann Clemens stellvertretend für die deutsche und europäische moderne grafische Kunst den 1. Preis gewonnen hat. Er ist der erste Deutsche mit koreanischem Kunstpreis. Die Kontakte waren seinerzeit durch das Goethe-Institut in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, zustande gekommen. Goethe-Institute sind bis heute gefragte Institutionen der Bundesrepublik zur weltweiten Vermittlung deutschen Kulturlebens.

Der Bezug von Rolf Müller-Landau zu dem damals für Europa nicht allein geografisch, sondern auch geistig und kulturell noch ganz fernen Osten hat andere Ursachen. Der Maler und Grafiker ist 1903 im kaiserlichen China geboren. Sein Vater verkündete als Prediger im Dienst der Basler Mission von 1897 bis zur Heimkehr im Reich der Mitte den evangelischen Glauben. Auch noch lange Jahre danach gab es freundschaftliche Kontakte. So ließ sich Rolf Müller-Landau nach dem 2. Weltkrieg aus seinem Geburtsland exotisch-kostbares Reisfaserpapier schicken, auf dem seine leuchtenden Aquarelle und farbigen Drucke besonders gut zur Geltung kommen.

Seither haben sich die geopolitischen und damit auch die kulturellen Bezüge entscheidend verändert. In unserer medial vernetzten, globalisierten Gegenwart sind weltweite Beziehungen der Kunstszene selbstverständlich. Und so wird gerade auch zeitgenössische asiatische Kunst in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland immer stärker wahrgenommen. Künstlerinnen und Künstler aus Asien kommen nach Europa und studieren an hiesigen Akademien. Die Ausstellung "Kulturen - Kontakte" spiegelt diese radikalen Wandlung und präsentiert gemeinsam mit den beiden Klassikern aus Rheinland-Pfalz die junge koreanische Künstlerin SEO, die aus Gwangju den Weg nach Berlin gegangen ist. Der chinesische Bildhauer Feng Lu kam über Mainz in die Hauptstadt an der Spree, die er aktuell als Wahlheimat bezeichnet.


Begleitprogramm

10.02.13 | 15.00 Uhr
Öffentliche Führung mit Dr. Barbara Clemens

24.02.13 | 11.00 Uhr
"Dreißig Winter und mehr ist es her" - fernöstliche Poesie

Lesung mit Sieglinde Eberhardt
Sieglinde Eberhardt präseniert literarische Fundstücke, die zur Bildsprache von Hermann Clemens, Rolf Müller-Landau, Feng Lu und SEO anregende, gedankliche Entprechungen bieten. In den Texten von Bertolt Brecht, Chow Chung-cheng, Lao Tse, Mao Tse-tung Roland Bartes u. a. finden sich verblüffende gedanklche Brücken. Die Suche nach einer poetisch-kulturellen Verbindung zwischen Asien und Mitteleuropa schafft einen Roten Faden im Programm.

Hermann Clemens
Von Hermann Clemens zeigen wir eine exquisite Auswahl seiner seit 1969 entstandenen monochromen, wie auch farbenreichen Radierungen. Der Meisterradierer beherrschte alle Finessen der Tiefdrucktechnik. Mit nahezu endloser Geduld und großem Forscherdrang experimentierte Clemens als künstlerischer Grenzgänger wie eine Alchemist in dieser so schwierigen Sparte der grafischen Künste. Es entstanden Meisterwerke der Schabkunst (Mezzotinto), jener außergewöhnlichen, im Barock entwickelten Radiertechnik, die größten Zeitaufwand erfordert und heute nur selten ausgeführt wird.
Wir erleben in "Kulturen - Kontakte" eine Auswahl aus seinem Werk, etwa die "Großen Abstrakten", weiterhin Drucke, in denen er intensiv die Atmosphäre und Struktur von Naturgebilden, von Bäumen und Wurzelwerk erforscht hat. Einen Höhepunkt bilden die rätselhaft-fremdartigen Schabkunstblätter, wobei das gestaltete Licht die Regie übernommen hat.
Mit dem 1. Preis im I. Internationalen Wettbewerb der Space Group zur Miniaturgrafik erntete der Künstler die Früchte seiner leidenschaftlichen Hingabe an die Radierung. Aufgrund der damit verbundenen Ausstellung in Seoul und der daraus erwachsenen weltweiten Kontakte erhielt er Einladungen zu Einzelausstellungen von Universitäten in Kanada, Chile und Brasilien. Hermann Clemens, Mitglied im Print Council of Australia, war u.a. an Ausstellungen in Australien, Tasmanien, USA, Spanien, Polen beteiligt und stand von nun an weltweit im Austausch mit Künstlerkollegen. Oft sind Symbole Träger seiner Bildaussage: Schmetterling als Sinnbilder der Verletzlichkeit und Lautlosigkeit, das Schneckenhaus ist ihm Symbol der Heimat und Behausung, die zeigerlose Uhr und der Mohn erinnern uns an Vergänglichkeit und Tod. Die Zeit ist das große Thema gegen Ende seines Lebens geworden. Die Zeit, die in den dunkeltonigen Radierungen still zu stehen scheint und uns im alltäglichen Leben dennoch zwischen den Fingern zerrinnt. Die Ausstellung lädt ein zur Zwiesprache mit den Bildern und so erleben wir ihre besondere Wirkung erst voll und ganz im ruhigen Betrachten und sich Versenken. In der Stille offenbaren sie die Botschaften des Künstlers, die er uns in den geheimnisvollen Mezzotinti hinterlassen hat: Mit der Zeit, die uns bleibt als unserem kostbarsten Gut sorgsam umzugehen.

Rolf Müller-Landau
Die Ausstellung ist weiterhin Rolf Müller-Landau zum 110. Geburtstag gewidmet. Der weltzugewandte Künstler, in den zwanziger Jahren Student von Gustav Würtenberger in Karlsruhe, hat wesentlichen Anteil am Wiederaufbau des Kunstlebens in Rheinland-Pfalz nach dem Desaster des 3. Reiches. Als Mitbegründer und erster Vorsitzender der Pfälzischen Sezession sowie Mitglied im Vorstand des Deutschen Künstlerbundes wurde Müller-Landau zum einflussreichen Vertreter moderner Kunst im Südwesten. Er war 1948 auf der ersten Nachkriegsbiennale in Venedig vertreten sowie 1955 auf der Biennale in Sao Paulo. Von Rolf Müller-Landau präsentieren wir in "Kulturen - Kontakte" eine faszinierende Auswahl an Hochdruckgrafiken und Aquarellen.
Einen Höhepunkt in seinem Schaffen bilden die seit 1951/52 entwickelten Farbschnittmonotypien. Er hat die Druckstöcke hierfür silhouettenhaft- flächig aus dem schmiegsamen Linoleum herausgeschnitten. Als Bildgrund diente ihm faserig- durchscheinendes Reisfaserpapier. Die Fülle an phantastisch-surrealen Sujets bezeugt seine außerordentliche gestalterische Phantasie, wie er sie in seinen letzten Lebensjahren vor allem im Bereich der Druckgraphik und des Aquarells ausgelebt hat. Der nachdenkliche und zugleich lebensbejahende Künstler gestaltete Figürliches und Abstraktes, Landschaften und Stillleben.
Einen wichtigen Anteil am Werk von Müller-Landau erlangten religiöse und mythologische Sujets. Seine intensive Hinwendung zu Antike und Christentum als Grundlage abendländischer Kultur spiegelt das in der Nachkriegszeit erwachende europäische Bewusstsein auf der Suche nach friedlichen, die Völker verbindenden Gemeinsamkeiten. Das erneute Aufgreifen druckgrafischer Gestaltung dokumentiert beispielhaft die im Herbst 1952 erschienene Mappe "Traumwirklichkeit" mit zehn handabgezogenen Farbschnitten. Die Mappe fand bundesweit Beachtung. Anlässlich der Ausstellung einer Werkauswahl im Kunstverein von Köln heißt es: "Die Farbschnitt- Zyklen dürften mit zum Besten gehören, was uns die moderne deutsche Graphik zu geben vermag". Die Ausstellung "Kulturen-Kontakte" zeigt eine charakteristische Auswahl an Werken dieser beiden Klassiker aus Rheinland-Pfalz im Kontext aktueller Kunst der Koreanerin SEO und des Chinesen Feng Lu.

SEO
Die koreanische Malerin SEO studierte in Gwangju traditionelle Tuschemalerei und seit 2001 in Berlin in der Klasse von Georg Baselitz. Im Jahr 2003 wurde sie Meisterschülerin des deutschen Malerstars. SEO ist heute international sehr gefragt, mehrfache Preisträgerin, darunter des Beijing Art Award sowie des Sonderpreises des Präsidenten der UDK in Berlin. Letzter Höhepunkt war ihr Auftritt auf der Biennale in Venedig von 2011 im Palazzo Bembo. In ihrer ungewöhnlichen Art von 'Malerei' nutzt die Wahl-Berlinerin seit 2003 abertausend Papierfragmente. Diese werden auf der Leinwand zu farbstarken Bildern collagiert. In ihrer sehr persönlichen Kunstwelt verbindet SEO auf diese Weise die hervorragende Beherrschung des Dekorativen mit existentiellen Fragestellungen. Markenzeichen und Grundlage ihrer im Bereich des Figürlichem, Historischen und Landschaftlichen angesiedelten Kunst ist das seit dem 4. Jh. in Korea verwendete Hanji-Papier. Aus der Rinde des Maulbeerbaumes gefertigt, wird es seit alters her auch von koreanischen Volkskünstlern genutzt. SEO fliegt regelmäßig nach Korea und prüft die Herstellung des Hanji-Papiers in dem von ihr ausgesuchten Familienbetrieb. Zurück im Atelier in Berlin entstehen Umrisszeichnungen aus Tusche, die mit den halbdurchsichtigen Papierstreifen in mehreren Lagen überklebt werden. SEO verwandelt in den aufwendig hergestellten Bildcollagen das traditionsreiche Material in überraschend aktuelle, asiatische mit europäischen Strömungen verbindende Kunstwerke.

Feng Lu
Von ganz anderem Charakter sind die dreidimensionalen Arbeiten von Feng Lu. Schon als Kind fertigte der künftige Bildhauer im ärmlichen Hinterhof seiner Eltern aus Kreide humorvolle Kunstwerke. Der junge Chinese studierte zuerst in Mainz bei Christa Biederbick, dann in Berlin bei Karin Sander und Inge Mahn und abschließend als Meisterschüler bei Wolfgang Petrick Malerei und Bildhauerei. Er vertritt gegenwärtig eine junge, international orientierten, chinesische Künstlergeneration. In seinen Skulpturen aus bemaltem Epoxidharz bevorzugt Feng Lu einen übersteigerten Realismus und wird derart zum kritischen Betrachter europäischer sowie asiatischer Lebenswelten. Seine Menschenbilder sind schonungslos radikal, voll Witz und Sarkasmus. Fern von falschen Mitleid, hält er der veräußerlichten Gesellschaft seinen künstlerischen Spiegel entgegen. Die Arbeiten von Feng Lu sind charakteristisch für eine bestimmte Richtung innerhalb der zeitgenössischen Bildhauerei, in der - inhaltlich ohne Tabus - scheinbar jede Form von Körperlichkeit erlaubt ist.

Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit der Galerie Michael Schultz in Berlin, die SEO und Feng Lu vertritt. Sie ist eine der wesentlichen Galerien Deutschlands im Bereich koreanischen und chinesischen aktueller Kunst.

Dr. Barbara Clemens, Kuratorin der Ausstellung

Die Ausstellung wird realisiert mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Südliche Weinstraße.


Öffnungszeiten:
Di. und Mi. von 17.00 bis 20.00 Uhr
Do. bis So. von 14.00 bis 17.00 Uhr




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Städtische Galerie Villa Streccius
Hermann Clemens: "Walpurgisnacht"
Städtische Galerie Villa Streccius
Feng Lu: "Sushi", 2012, Epoxiharz bemalt