Kunstverein Germersheim / Zeughaus Germersheim
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Tom Feritsch, Lynn Schoene und Hartmuth Schweizer: "Stille Armada"
05.09.15 bis 04.10.15
Kunstverein Germersheim
Stille Armada

Vernissage am 05.09.15 um 17.00 Uhr
Begrüßung: Marita Mattheck, 1. Vorsitzende des Kunstvereins und Marcus Schaile, Bürgermeister der Stadt Germersheim
Einführung: Dr. Ulrike Hauser-Suida


Projekt "Stille Armada"

Ein zeitgenössischer Künstler, der sich entschließt, sich mit Schiffen auseinanderzusetzen, wird mit einer beispiellosen Vielfalt der Bedeutungsebenen konfrontiert, die sich an diese Form binden. Sie ist neben dem Haus eine der großen, kulturgeschichtlich weit zurückreichenden, archaischen Grundformen. Sie steht für die Aneignung der Welt, die Erforschung des Unbekannten, sie kann Sicherheit und Geborgenheit vermitteln - aber diese können sehr schnell in ein Gefühl von Labilität und Gefährdung durch die Naturgewalten umschlagen. Ihre Symbolik reicht von christlicher Ikonografie - zu den ersten Erkennungszeichen früher Christen gehörten Graffiti von Schiffen und auch die Kirche selbst ist nichts anderes als ein großes Glaubensschiff - bis zu den Wunschträumen des Kindes, das diese mit seinen Holz- oder Papierschiffchen in weite Ferne schickt. Händler und Eroberer zogen über die Meere, trugen in ihren Schiffen Wissen, Reichtum und Macht, aber auch Krankheit und Tod, mit sich.
Hier anknüpfend, im Wissen um die Endlichkeit und Vergeblichkeit menschlicher Hybris, nennen Lynn Schoene, Tom Feritsch und Hartmuth Schweizer ihr Projekt "Stille Armada". Sie untersuchen die Schiffsform nach neuen Bedeutungsebenen und versuchen die Bedingungen zu klären, unter denen bildnerisches Gestalten abhängig vom Material und den davon geforderten konstruktiven Methoden möglich ist.

Lynn Schoene entwickelt ihre Arbeit im Schnittbereich vieler wichtiger Koordinaten zeitge-nössischer Kunst. Hier werden neue formale und insbesondere neue materielle Konzeptionen entworfen. Eine dieser Orientierungslinien, die die Künstlerin dann auch konsequent verfolgt, ist die Wertschätzung sinnlicher Materialität. In einem ihrer Hauptwerke, dem "Lifeboat", werden neben Bienenwachs, das provokant die traditionellen, edlen, die Zeiten überdauernden Materialien klassischer Kunst in Frage stellt, auch Hemden verarbeitet, die für den traurigen Alltag und das Schicksal derer stehen, die eben jenes Boot als Symbol der Rettung gesehen haben. Es verbinden sich in Lynn Schoenes Werk mit der Form des Schiffes, das für Leben steht, auch die in Geduld und Beharrlichkeit insistierenden Methoden der Bearbeitung des Wachses als quasi biologisch naturhafte Qualität. Diese bildnerischen Techniken kommen Wachstumsprozessen gleich, die Wärme - Lebenswärme - benötigen, um dem Ungestalteten, noch Formlosen, Form zu geben.

Tom Feritschs Objekte hingegen verbrauchen da andere Energien. Es sind Kräfte, den Gewalten im Erdinnern nicht unähnlich, die seinem Material - Ton und Metall - Härte, Form, Farbe und Textur geben. Seine Schiffsformen wirken noch in der Zerstörung statisch, selbst im Zusammenbruch wie gebaut. Um so dramatischer spricht zu uns ihr unabwendbar gewordenes Schicksal. Bootsrümpfe, schwarz wie ausgebrannte Skelette, werden aufgebahrt. Seriell gedacht, belegen sie das über die Inhaltlichkeit hinausgehende Interesse des Künstlers und sind so trotz ihrer erzählerischen Qualität in Form und Material letztlich autonom. Wie viele Objekte von Feritsch bewahren sie sich etwas Zweideutiges und entziehen sich sowohl einer schnellen gegenständlichen Charakterisierung als auch der einer abstrakten, nur konstruktivistischen, Betrachtung.

Wieder eine andere Facette der Beschäftigung mit der Schiffsform als Bedeutungsträger öffnet Hartmuth Schweizer in seinen seriellen Formmetamorphosen. In Zeichnungen, laborähnlichen Anordnungen und in Materialkombinationen, die mit Blattgold, Beton, Wachs und Samen unterschiedlicher Herkunft ambivalente Assoziationen provozieren, soll die Schiffsform als eine Naturkonstante gezeigt werden. Sie ist mit Blatt-, Frucht-, Kokon-, Muschel- und Vaginalformen verwandt und steht für Wandlung und die Dynamik des Lebens schlechthin. In dieser organischen Gestalt ist sie geometrisch den reinen Grundformen wie Kreis und Quadrat entgegengesetzt, verkörpert also nicht das Unendliche, die Ruhe und Statik, sondern das Ungleichgewicht, einen Zustand zwischen den Polen des Geistigen auf der einen Seite und der Materie auf der anderen.

Diese drei künstlerischen Positionen versuchen auf den Ebenen der Ästhetik, des Materials und der Konstruktion eine Annäherung an das Phänomen der Schiffsform und deren komplexen Funktionen und Bedeutungen. Die "Stille Armada" hat, wie der Titel sagt, ihre kriegerische Macht verloren aber ihre großen Geheimnisse in der Kunst nach wie vor bewahrt.

Hartmuth Schweizer


Begleitprogramm


KunstCafé am 20.09.15 von 15.00 bis 18.00 Uhr

Finissage am 04.10.15 um 17.00 Uhr
Künstlergespräche

Öffnungszeiten:
Sa. von 15.00 bis 18.00 Uhr
So. von 14.00 bis 18.00 Uhr




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