Kulturbüro der Ortsgemeinde Herxheim / Kunstschule Villa Wieser
Birgit Vonholdt: "Momente in Aquarell"
31.08.03 bis 21.09.03
Birgit Vonholdt
Birgit Vonholdt: "Rote Hütte" (2003), Aquarell, 30 x 40 cm

Einführung von Manfred Scherer (Bad Bergzabern)

"Pflücke den Tag und gehe behutsam mit ihm um." Diesen Satz hat sich Birgit Vonholdt in ihr Atelier geschrieben. Die leise Konzentration auf das Jetzt und Heute ist zu ihrer Lebens- und Arbeitsmaxime geworden: die Fokussierung auf das Schöne und Flüchtige, auf die Intensität des Augenblicks, auf die Momente des kleinen Glücks. "Momente in Aquarell" - so auch der Titel der heutigen Ausstellung.

Der Moment und das Aquarell. Es gibt wohl keine andere adäquate Symbiose des Flüchtigen und seiner Maltechnik. Wenn Birgit Vonholdt in der Provence oder in der Toskana unterwegs ist, dann ist mit wenigen graphischen Umrissen und etwas Wasserfarbe ein Motiv rasch eingefangen. Die spontane Technik erlaubt es, Eindrücke und Stimmungen schnell und authentisch vor Ort festzuhalten.

Wenngleich die Motive in den Arbeiten von Birgit Vonholdt die gleichen geblieben sind - Landschaft, Häuser, Dörfer, Kirchen und Kapellen - wenngleich die Motive die gleichen geblieben sind, so fällt doch auf, dass die neuen Bilder der Künstlerin eine neue Farbigkeit aufweisen: kräftiger, markanter, mutiger und expressiver als vor Jahren. Dieses Bekenntnis zur Farbe und die Wiederentdeckung der Poesie des Aquarells sind auch Ausdruck einer neuen Stärke nach einer kurzen gesundheitlichen Krisis der Künstlerin vor einigen Monaten.

So gesehen sind die beiden Aquarelle Printemps I und II und der Frühling im südfranzösischen Luberon Synonyme für einen neuen Aufbruch im künstlerischen Schaffen von Birgit Vonholdt.
An anderer Stelle habe ich bereits aufgezeigt, dass es der Künstlerin in ihren Aquarellen stets auch um das Suchen von Harmonie und Schönheit geht. Schönheit und der Moment des Flüchtigen - Welche Beziehung haben diese beiden Kategorien?

Nur eine innere Haltung des "etwas sein lassen und sich öffnen", den "Moment genießen", und das "Flüchtige empfangen" - nur eine solche innere (fast hätte ich gesagt "gesunde") Haltung ermöglicht eine Identifikation zwischen Künstlerin und Motiv, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Mensch und Landschaft. Mit der persönlichen Verbindung, die zu einer Landschaft aufgebaut wird, wächst auch das Schönheitsempfinden. Schönheit ist ein Bindeglied zwischen Außen und Innen, zwischen dem Individuum und seiner Umwelt, zwischen der Künstlerin und ihrem Motiv; ein Empfinden, dass diese nicht getrennt und "entzweit" sind.

Allerdings: Das Empfinden von "schön" ist immer ein Erinnertwerden daran, dass alles Lebendige dynamisch ist und flüchtig. Hierin - im flüchtigen Moment - liegt der eigentliche Wert des Augenblicks und der Kern der Schönheit. Und es sind vor allem die Momente mit dem Blick "zwischen die Dinge", in die "Dazwischen-Welten", die diese Stimmung von Schönheit evozieren.

So z.B. im Exponat "Nach dem Sonnenuntergang" - ein typischer "Dazwischen"-Moment im Verschmelzen von Tag und Nacht. Durch die Lasurtechnik wird dieses nahtlose Gleiten von Hell nach Dunkel durch die Künstlerin eindrucksvoll umgesetzt. Dagegen ist im Aquarell "Der Abend danach" - gleiches Motiv wie im "Sonnenuntergang", jedoch sozusagen gezoomt und fokussiert auf die Pinie - der Farbauftrag noch stärker. Dunkle Farbtöne, blau, violett schieben sich mächtig nach vorne, das Grün der Pinie weicht immer mehr vor der schwarzen Bläue und der Schwere der Nacht.

Noch dramatischer wirkt der Moment "Avant l'orage": vor dem Unwetter. Hier hat Birgit Vonholdt die kurzen Augenblicke vor einem nahenden Gewitter eingefangen, Augenblicke, die auch Momente zwischen den Dingen sind: Einerseits ein dunkelblauer, schwarzer Himmel, regenbehangen - andererseits das Licht auf den Häusern, fahl und doch intensiv, die noch trockene Landschaft in ein unwirkliches Grün-gelb tauchend. Und so entsteht jener merkwürdige Dualismus aus dem Dialog von drohendem Unheil und stoischer Gelassenheit: die Ruhe vor dem Sturm - ein "Dazwischen"-Moment erregender Spannung.

Und auch im Aquarell "Les Cortasses" hat die Künstlerin Momente eingefangen, die jenen merkwürdigen Aggregatzustand von Schwere und Leichtigkeit generieren, wenn das kleine südfranzösische Dorf in der Mittagssonne döst. Ein gelb-rötlich-braunes "Faire la sieste". Dieses schöne Gefühl des Wach-schlafes, eine besondere Qualität der Behaglichkeit und des Wohlbefindens im Gedankenlosen. Die Häuser von Les Cortasses rücken noch näher um die alte Kirche zusammen, suchen Schutz und Kühle im gleißenden Licht des Mittags, bewacht von den blauen Zypressen.

Die Menschen kommen hier - wie in allen anderen Exponaten der Künstlerin - nicht ins Bild. Doch mit den Dörfern und Häusern, mit Feldern und den Bäumen als Kulturpflanzen ist der Mensch doch wieder präsent. Und wenn Birgit Vonholdt die Dörfer der Provence oder der Toskana malt, dann malt sie auch die Bewohner, deren Leben, deren Einstellungen, Werte und Normen. Ältere Häuser, Häuser in schmucker Einfachheit, mit krummen Giebeln und Balken - Städte ohne Bebauungsplan. Sie sind Ausdruck für stolze, traditionsbewusste und eigenwillige Menschen, die in Familie und Dorf Halt und Gemeinschaft suchen. Ich denke, dass Birgit Vonholdt diese Werte und Attribute bewusst oder unbewusst in ihren Arbeiten tradiert.

Ein besonderes Interesse der Künstlerin unter den Häusern findet immer wieder das Haus Gottes, wenn es im Aquarell "Les Cortasses" die Kirche sprichwörtlich "noch im Dorf belassen wird" und das Dorfzentrum markiert oder zum eigentlichen Motiv wird wie z. B. in den Exponaten "Nostra Capella", Chapelle St. Antonin" oder "Mon Chapelle". Die Kirchen und Kapellen - auch sie sind Ausdruck der Kultur und Identität der Menschen, die in den Bildern von Birgit Vonholdt wie gesagt nicht präsent sind.

Oder sie haben ihr Anwesen und damit das Motiv verlassen, wie im Exponat mit dem Titel "Ruine". Mit dem leerstehenden Haus im Anfangsstadium des Zerfalls hat Birgit Vonholdt jenen Prozess des Flüchtigen und der Metamorphose eingefroren, der letztlich nicht aufzuhalten ist. Auch hier in der Ästhetik des Zerfalls also ein Moment des "Dazwischen".

Vielleicht, meine Damen und Herren, ist ja die ganze Phase des momentanen Schaffens der Künstlerin nur ein Zwischenstadium. Diese Vermutung kommt auf, wenn man das Aquarell "Dentelles en bleu" betrachtet. Nicht umsonst hat Birgit Vonhodt dieses Bild allein platziert und ihm so einen Sonderstatus eingeräumt. Anders als bei den übrigen Aquarellen mit ihrem eher kräftigen und expressiven Farbauftrag findet sich hier eine lockere, beschwingte, fast heiter-gelöste Handschrift der Künstlerin. Man atmet förmlich dieses wunderbare Kleinklima der hellen und imposanten Kalk-Fels-Formationen, in deren Schutz die Rotweine von Vacqueyras und Gigondas gedeihen. Aber selbst für das Genießen dieser Weine gilt die Flüchtigkeit der Momente und des Augenblicks.


Dass das Schöne und Berückende
Nur ein Hauch von Schauer sei,
Dass das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Frauenblick im Spiegelglase
Und viele andre wunderbare Sachen,
Dass sie, kaum entdeckt, vergehen,
Nur von Augenblickes Dauer,
Nur ein Duft und Windeswehen,
Ach, wir wissen es mit Trauer.

Hermann Hesses - "In Sand geschrieben"





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Birgit Vonholdt
Birgit Vonholdt: "Rote Hütte" (2003), Aquarell, 30 x 40 cm