Stadt Rockenhausen / Array
Isa Dahl: "RoundAbouts"
Malerei
09.11.08 bis 21.12.08
Isa Dahl
Isa Dahl: "eben still", 2008, Öl auf Leinwand, 128 cm

Isa Dahls Malerei entwickelt sich aus sich immer wieder ändernden und durchkreuzenden Richtungen des Farbauftrags. Verwischungen schaffen Tiefe und erzeugen Unschärfen. Die sich überlagernden Pinselspuren in der lasierend aufgetragenen Ölfarbe schaffen räumliche Liniengeflechte von starker Leuchtkraft. Die Künstlerin will keine klar identifizierbare Bildgegenstände zeigen, wie etwa Grashalme oder Nester, nach dem Motto: gesehen und abgehakt. Es geht ihr vielmehr um das Aufzeigen des künstlerischen Akts des Malens selbst und auf der Seite des Betrachters um den Akt des Sehens an sich. Um richtig sehen zu können, ist es manchmal ganz nützlich, sich von den Gegenständen frei zu machen. Gemeint ist das Sehen von zum Beispiel raumerzeugenden Farblasuren oder von warmen und kalten Farben und von Tiefenräumen. Dieses Sehen will geübt sein, ist ein Akt des Bewusstseins. Mancher wird beim Betrachten ihrer Arbeiten vielleicht an nestartige Gebilde erinnert. Isa Dahl nutzt gerne fotografische Aufnahmen als Anlass, um diese als monumentalisierte Bildausschnitte in ihre künstlerische Sprache umzusetzen. Die zu Geflechten ineinander gewundenen, spiralförmig gedrehten oder übereinander geschachtelten Strukturen erinnern an Pflanzenfasern oder Grashalme. Oft wird der Blick des Betrachters durch eine undefinierte, aus dem Zentrum gerückte "Leerstelle" beherrscht. Der Tiefenraum wird darüber hinaus durch die für Isa Dahls Malweise charakteristische Lasurtechnik und die räumliche Überlagerung der Strukturen erzeugt, die zum Bildhintergrund hin unscharf werden. Auf diese Weise entsteht ein perspektivischer Raumkörper, von dem der Betrachter angezogen, oder besser gesagt, in den er hineingesogen wird.

Die 1965 in Ravensburg geborene Künstlerin studierte von 1984 bis 1991 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und danach an der Kunstakademie in Düsseldorf. Ein Reisestipendium der Kunstakademie Düsseldorf ermöglichte ihr im Jahr 1992 einen Aufenthalt in den USA. Im gleichen Jahr erhielt sie den1. Preis "Neue Malerei" der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Das Land Nordrhein-Westfalen gewährte ihr in den Jahren 1993/94 ein Graduiertenstipendium. Seit 1994 arbeitet sie mit der Stuttgarter Künstlergruppe "maximal" zusammen. 1995 folgte der Villa Romana Preis und ein einjähriger Aufenthalt in Florenz. Ein Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg schloss sich ein Jahr später an und dann 1999 das Stipendium Herrenhaus Edenkoben sowie der Förderpreis Künstlerbund Baden-Württemberg. Auch das Schmidt-Rotluff Stipendium wurde ihr zuteil. Seit 2004 arbeitet Isa Dahl mit der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe zusammen.

Einzelausstellungen hatte Isa Dahl im Jahre 2004 in Düsseldorf, Kassel, Ansbach, Balingen und Mannheim. Im darauffolgenden Jahr stellte sie in Athen, Stein am Rhein, Karlsruhe, Niederalfingen und Schorndorf sowie in der Galerie der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe aus. In den nächsten Jahren folgten dann Ausstellungen in Engen, Castrop-Rauxel, Düsseldorf, Wiesbaden, Schopfheim, Kirchzarten, Ravensburg, Stuttgart, Schmalkalden, Schweinfurt und Berlin.


Einführung von Isa Dahl

"Ein Pinselstrich ist immer letzte."

Ich habe es mir schon überlegt, ob ich es mir einfach und Ihnen schwer machen sollte, und Sie nun entlasse, mit der Aufforderung, doch heute Morgen, jetzt gleich, einmal noch genauer als gewöhnlich hinzuschauen, um den letzten Strich bei all den Bildern, die hier hängen, selbst zu entdecken. Ganz so einfach mache ich es mir nun doch nicht, und Ihnen auch nicht, denn Sie müssen mir jetzt erst einmal zuhören, bevor Sie auf die Suche gehen dürfen.
Denn der Titel "Ein Pinselstrich ist immer der letzte" beinhaltet ja nicht nur den letzten Strich, sondern er beschreibt das Malen als prozessualen Vorgang, der aus einem Ersten und dann aus vielen einzelnen Entscheidungsschritten besteht.

Jedes Bild, dass Sie hier sehen, auch fast jedes Bild, das überhaupt entsteht, denn die meisten aller Gemälde werden ja immer noch mit dem Pinsel gemalt; jedes Bild erzählt die Geschichte seiner Entstehung durch eine Abfolge von Pinselstrichen. Und bei jedem Bild muss es also einen letzten Strich geben, um den sich der Betrachter im Normalfall aber nicht kümmert. Dieser letzte Strich ist aber der Strich, der für den Maler eigentlich der Wichtigste ist, da er das Werk aus dem prozessualen Entwicklungsgeschehen entlässt und es damit als gültige Äußerung und als Schöpfung erst einmal akzeptiert.

Ich entschließe mich also in dem Moment, wenn ich den Pinsel aus der Hand lege, das Bild von der Wand nehme, das Bild zum Trocknen auf den Boden lege, dass ich nun nichts mehr ändern will. Und wenn das Bild dann einmal getrocknet ist, auch nichts mehr ändern kann. In diesem Moment akzeptiere ich das Bild eigenständiges Gegenüber.

Dieses Nachdenken über Fortgang oder Ende eines Prozesses, das beschreibt einen Kernpunkt von Malerei. Anfang und Ende gehören zu einem Prozess, und so schwierig es ist, den richtigen Zeitpunkt fürs Ende zu finden, so schwierig ist auch manchmal, mit Dingen zu beginnen; Francis Bacon warf laut einer hübschen Anekdote stets einen farbgetränkten Lappen auf das auratische Weiß der Leinwand, den wer sagt einem schon, dass das Malen tatsächlich eine Verbesserung dieses tatsächlich vollkommenen Zustands einer frisch grundierten weißen Leinwand darstellt .

Man muss also von Beginn an Zutrauen in die eigene Bildnerische Kraft und in die Bildidee haben, Mut, mit jeder Tat das bisher Aufgebaute zu gefährden, das heißt, das wieder zu versauen, was bisher gelungen war. Manchmal beinhaltet das Malen eben auch das Scheitern in seiner schönsten Form. Ein Scheitern in aller Heimlichkeit. Manchmal aber ist das Malen von einer unglaublich behauptenden Direktheit der Bildwerdung und dann weiß man sofort: "Dieser Pinselstrich war der letzte."

Ihnen ist schon beim ersten Hinsehen klar geworden, dass es sich bei meinen Bildern nicht um narrative Inhalte dreht, ich bilde keine Menschen, keine Gesichter, keine Butterdosen, Birnen und keinen Schützenpanzer ab. Auch reproduziere ich nicht die fotografische Inhaltlichkeit der uns täglich umgebenden Bilder. Die Malerei steht für sich selbst, entwickelt sich aus malereiimmanenten Mitteln wie Farbe, Räumlichkeit, Duktus etc. Aus denen kann man eine Welt erfinden, die allgemeingültiger ist als inhaltliches Tagesgeschehen. Nie war für die Malerei die Inhaltliche Komponente wirkliches Qualitätsmerkmal, eine schlecht gemalte Heilige bleibt trotzdem ein miserables Bild. Nur der Verwendungszweck wird dann eben deutlich vergrößert.

Ich erzähle aber dennoch Geschichten und zwar die Geschichten des Sehens, die Geschichte des Wandernden Sehens. "RoundAbouts" ein englischer Titel und warum? Weil er eine herrliche Doppelsinnigkeit in sich trägt. Es geht rundherum, was gut zu den Tondi, den hier ausgestellten runden Bildern und den kreisenden Pinselstrichen darauf passt, und zugleich ist es das englische Wort für einen Verkehrskreisel, ein Rund also, mit Auswegen in verschiedene Richtungen, aber auch ein Rund das wiederum Entscheidung fordert, welche Abzweigung die Richtige ist.

So gesehen ist ein Roundabout auch ein modernes Bild für einen Scheideweg, der damit auch das Innehalten, das Nachsinnen, die Reflektion in sich trägt, mit dem Wissen, sich entscheiden zu müssen, wenn es weitergehen soll. Pinselstrich für Pinselstrich. Wie sitzt ein Strich neben dem anderen, wie ist das Blau, kalt oder klar? Ist das Braun gutartig, ein bisschen muffig und langweilig, oder ist es fast bösartig wie ein Gespann aus Metall, strahlt es Ruhe aus und lässt Sammlung von Gedanken zu, oder wird man in einen Strudel hineingezogen, gefangen in einer Beschleunigung, oder fängt man zu träumen von einem Wind der ein Blatt hin und her schwingt. Was sehen wir, sehen wir bei dem Blick aus dem Fenster. Wie wehte uns die Luft um die Nase auf dem Weg hierher. Dies und vor allem die große Schönheit zweier Farbtöne nebeneinander das alles steckt in den Bildern. Wenn man den richtigen Weg findet, von Anfang bis Ende.

Ich bin jetzt auch am Ende meiner Ausführungen und würde mich freuen, wenn dieses Ende dazu führen würde, dass Sie nun anfangen, sich mit den Bildern zu
beschäftigen.




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Isa Dahl
Isa Dahl: "eben still", 2008, Öl auf Leinwand, 128 cm