Stadt Landau in der Pfalz / Stadtbibliothek Landau
Peter Brauchle
Bildhauerei
20.05.05 bis 17.06.05
Peter Brauchle
Peter Brauchle

Peter Brauchle gelingt eine künstlerische Überhöhung, die allerdings nie die Bodenhaftung verliert. Die Gestalten selbst bewegen sich wie in einem Schwebezustand zwischen realistischer Ausarbeitung und abstrahierender Fragmentierung. Die Konsequenz: eine den Exponaten innewohnende formale Spannung, die immer wieder durch die Materialien Eisen, Bronze, Beton oder deren Kombination gesteigert wird. Unabhängig davon gelingt es ihm - hart an der Realität und doch darüber hinaus - zu einer intensiven Ausdrucksstärke zu finden.


Einführung von Peter Welke


Peter Brauchle ist ein vielbeschäftigter und vielseitig interessierter Bildhauer. Er schuf u.a. sehenswerte Brunnenanlagen, die Sie in Lambrecht und Haßloch besuchen können. Neben lebensgroßen Figuren, die öffentliche Plätze zieren, z.B. die "Entenliesel" in Gries oder den "Diamantschleifer" in Brücken, der zu einem neuen Wahrzeichen des Dorfes avancierte. Und demnächst, wie wir aus der Samstagausgabe der Rheinpfalz erfahren haben, auch in Leimersheim. Ebenso stattete er den Spielplatz in seiner Wahlheimat Lustadt mit einem Klettergerät in Form eines Drachen aus. In Nußdorf installierte er den "Sitzenden Bauern", eine Bronzestatue als Mahnmal an die pfälzischen Bauernkriege, als "Fanal des pfälzischen Freiheitsstrebens", wie sie bei ihrer feierlichen Enthüllung von der Rheinpfalz bejubelt wurde.

Dies allein wäre schon ein reiches Œvre, auf das der nunmehr 35-jährige Peter Brauchle zurückblicken kann. Doch schafft er, seiner Begabung entsprechend begeisternde Porträts verschiedener Persönlichkeiten und zeigt damit, dass er in der künstlerisch übertragenen Gestaltung menschlicher Gesichtszüge mitunter seinen stärksten Ausdruck erreicht. Aber seine wahre Begeisterung und sein Hauptinteresse widmet er den Darstellungen von Reiterfiguren und tanzenden Garotchas. Dies sind andalusische Reiterhirten, die aus der Rinderherde die Jungstiere auswählen, die zum Stierkampf tauglich sind. Ihn begeistert die natürliche Verschmelzung von Pferd und Reiter, zu einer dynamischen Einheit. Es sind genau diese Darstellungen, die diesen Künstler in unserer Region so unverwechselbar machen. Es sind genau diese Torsi, die kraftvoll und voller Anmut dem menschlichen Körper und seinem aufrechten Gang huldigen. Es sind die Darstellungen der traditionellen spanischen Gauchos, die ihre Arbeit im 16. Jahrhundert aufnahmen und heute noch in tradierter Form verrichten. Es sind die Rinderhirten, die in den Herden die Stiere nach ihrem Aggressionsverhalten auswählen und ihre Kampftauglichkeit für die Corrida prüfen. Dabei haben die Gauchos bis zu 4 Meter lange Bambusstangen, die Garotchas, die ihnen selbst auch den Namen gaben.

Garotchas. Gerne stellt er sie als kriegerisch anmutende Reiter dar, die ihre kräftigen andalusischen Pferde in symbiotischer Einheit der hohen Reitkunst ohne Zügel lenken. Diesen besonderen Pferden verleiht er seine besondere Aufmerksamkeit. Ihre kräftige Hinterhand, der stark ausgeformte Hals und der für Rennpferde zu kurze Rücken läßt sie als wahre Pakete der explodierenden Dynamik erscheinen. Sie sind sehr wendig und durchaus in der Lage, aus vollem Lauf abrupt zu halten und tänzelnd auf der Hinterhand in die Höhe zu steigen. Der tanzende Garotcha, der in seinem rituellen Tanz von der Arbeit mit den Stieren erzählt, nimmt die stolze Haltung, die machoeske Pose des typischen spanischen Tänzers und kraftvollen Mannes ein, die ihn teils eitel und teils selbstverliebt charakterisiert. Und so stellt Peter Brauchle diese Hirten auch dar: bodenständig, dynamisch, facettenreich, stolz und ästhetisch.

Diesen Eindruck erfüllt er mit handwerklicher Präzision und Originalität im Umgang mit seinen Materialien. Die können Ton, Gips, Beton oder Wachs sein. Diesen Eindruck bestärkt er noch, indem er die genannten Materialien mit Metall und Bambusstreifen schmückt. Die Besonderheit, seinen Figurationen keine Gesichter zuzuordnen, sondern einen helmartigen Charakter zu verleihen, läßt die Hirten oftmals als kriegerische Kämpfer erscheinen. Die Kombination aus Stein und Metall unterstreicht die kühle Unnahbarkeit der Objekte, denen wir uns bewundernd nähern, und die Lust verspüren die Statuen zu berühren.

Wenn man den Künstler und Bildhauer Peter Brauchle in seinem Lustadter Wohnhaus besucht, beeindruckt zunächst der selbstgestaltete Zaun an der Straßenseite, sowie der Innenhof mit all seinen Skulpturen und Stelen. Der freie Blick auf Werkraum und Atelier macht neugierig mehr zu sehen, mehr über das Werk zu erfahren. Und man kann den Künstler als gesprächs- und auskunftbereiten Gastgeber erfahren. "Aus dem was ich sehe, entsteht eine Erinnerung. Aus der Erinnerung entsteht ein Bild das ich empfinde und in Verbindung zur Formsprache umsetze".

So knapp beschreibt er den kreativen Vorgang, aus dem die zu betrachtenden Objekte entstehen. Er sucht die eine, die bestimmte Form, die eine bestimmte Pose, die aus der Natur vorgegebene Struktur. Dabei lenkt er seinen Augenmerk auf klare Konturen, fasst die Struktur in eine erdhafte, erdverbundene Form, die in ihrer Aussage nicht verschwimmen darf. Er ist kein Surrealist und auch kein Phantast, obwohl manche seiner Torsi an den surrealistische oder phantastische Darstellungen erinnern mögen. Brauchle sucht die klare Linie, schafft eine Hülle, die das Darunter, den Inhalt, vor den Augen verbirgt und schneidet und biegt diese auf, um den Blick darunter frei zu legen. Die Aufbrüche an den Oberflächen sind oftmals durch das verwendete Material bedingt. Die massive Form wird in eine fragile Schale eben in die Oberfläche verwandelt, nimmt der Figur so die Wuchtigkeit und führt zu neuen Seherlebnissen.

Wie kam Peter Brauchle zu den bestaunenswert bearbeiteten Garotchas? Nun, es wurde 1998 in Herxheim ein "andalusischer Tag" als völkerverbindendes Fest gefeiert. Hier sah er zum ersten Mal die andalusischen Hirten, wie sie im Reiterspiel und später im rituellen Tanz diesen reichen Teil spanischer Kultur darboten. Seitdem lassen ihn die Bilder nicht mehr los. Eine erste Serie von Garotchas schuf er 1999, noch ein wenig verhalten und in Kleinformaten. Brauchle formt mit Wachs die ersten Figuren. Sie werden mit einer starken Schicht Gips überzogen und können so, nach dem Prinzip der "verlorenen Form" in Bronze gegossen werden. Mit Vorliebe arbeitet er mit Wachs, weil dieses Material nahezu
unerschöpfliche Möglichkeiten bietet: "Wenn er warm ist, lässt er sich kneten, biegen, lässt sich ziehen und lässt sich schneiden".

Ausserdem kann er mit Wachs die gleiche Arbeitsmethode anwenden wie mit Ton. Er nimmt von einem großen Stück kleine "Rupfen" weg, formt sie zu Kugeln oder Kügelchen, die er auf die glatte Oberfläche aufbringt und später mit einer flachen Holzlatte anschlägt, damit sie breit werden, wie kleine Medaillons die dargestellte Figur überziehen. In einem weiteren Arbeitsgang wird der Ton oder der Wachs parziell geschliffen, so dass Fragmente der Oberfläche eine polierte Struktur annehmen, um die Rauhheit der anderen Oberflächenstruktur zu kontrastieren. Seine Figuren entstehen mit wenigen Ausnahmen im Kopf. Änderungen werden spontan und emotional während der Arbeit vorgenommen. Nur selten fertigt er Skizzen. Seine Garotchas werden in immer wiederkehrenden Posen dargestellt. Der Oberkörper ist stark überdehnt, ein Arm schwebt über dem Kopf, während der andere Arm die lange Bambusstange halten muss. Um die Gewichtung der Figur auf ihre Proportion zu überprüfen stellt er sie auf den Kopf und bestimmt aus dieser Perspektive die Harmonie der Gliedmaßen und die Ausdruckskraft. Denn leicht ist bei der Überdehnung der Körperform ein "zu viel" der Überdehnung eingetreten und dieser Fehlinterpretation muss er dann Korrekturen folgen lassen. Selten kommt es vor, dass er eine begonnene Arbeit zerstören muss. Für seine Arbeitsweise gilt die unumstößliche Regel: Eine Figur muss aus dem ersten Entwurf heraus fertiggestellt werden. Er arbeitet schnell, nahezu unduldsam und will beim Schaffensprozess ein rasches Resultat erzielen. Störungen kann er hierbei nicht brauchen.

Ein angefangenes Fragment kann er nicht in die Ecke stellen und zu einem späteren Zeitpunkt weiter bearbeiten. Da fehlt ihm der Fluss in der Arbeit und die Inspiration ist abgeschnitten. Manchmal muss er bis tief in die Nacht hinein weiter arbeiten, damit dieser Kraftstrom der Aussage nicht abreißt. Seine Arbeiten versteht er als "individuellen und stillen Protest gegen unsere überzivilisierte Welt, die den Bezug zur Natur weitläufig verloren hat". Und dieser Protest wirkt glaubhaft, wenn man den stillen, manchmal etwas introvertierten Menschen ein wenig näher kennen gelernt hat, der hinter diesen "ausdrucksstarken Figuren" und "Objekten voller Emotion" steht. Peter Brauchle ist ein bescheidener Mensch geblieben. Ein bescheidener Mensch, dessen wahrer Luxus es ist, arbeiten zu können und seine Ideen in Formen umzusetzen und diese Begeisterung auf den Betrachter seiner Werke zu übertragen. Ich hoffe, dies gelingt ihm auch an unserem heutigen Abend.


Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 27.05.05

Kämpfer, Krieger, Kraftpakete

Ausstellung mit Skulpturen von Peter Brauchle in der Stadtbibliothek in Landau

Lebt Peter Brauchle in einer anderen Welt? Auf einem anderen Kontinent? Seine Skulpturen in der Stadtbibliothek Landau künden jedenfalls von Menschen, Tieren und Befindlichkeiten, die sich in großer Ferne zu jeder bürgerlichen Gemütlichkeit bewegen, in der Pfalz oder anderswo. Und sie sind von so großer, bewegender und bewegter Zerrissenheit, dass sich der Betrachter dieser Serie von Kämpfern, Kriegern und Stiertreibern unwillkürlich fragt: Wie gelangt ein in Lustadt lebender, erst 33 Jahre alter Bildhauer zu solchen intim existenziellen Kenntnissen, zu einem solch künstlerisch speziellen Formenvokabular?

Peter Welkes einfühlsame und informative Einführung (im Internet nachzulesen unter www.kunstportal-pfalz.de) lüftet das Geheimnis, das wahrscheinlich gar keines sein soll: Dass Peter Brauchle irgendwann bei einem "Andalusischen Tag" in Herxheim jene besonde- ren, Stiere für den Kampf auswählenden Hirten und ihre Reiterspiele sah, die sich "Garotchas" nennen, und sich offensichtlich so sehr in sie "verguckte", dass sie im Werk des jungen Bildhauers prompt langfristig sichtbare Spuren hinterließen. Schon 1999 - so Welke - seien die ersten "Garotschas" entstanden, damals noch in kleinplastischem Format. Aber jetzt, in Landau - und inzwischen gewiss auch anderswo - kann man sehen, was aus ihnen geworden ist: Große, kräftige, streitbare Wesen, gerüstet, gegürtet, nicht unbedingt als Menschen immer erkennbar, vielleicht aus einem unbekannten "Zwischenreich" kommend. Zusammen mit ihren Pferden jedenfalls, aber auch einzeln, in einem Kampf ohne Gegen- über, bilden sie stets eine einzige wilde, prekäre Bewegung.

Peter Brauchle hat seine eigene Art, diese umzusetzen, an deren realistischer Realisierung liegt ihm offensichtlich wenig. Er arbeitet in Ton, in Gips, in Beton und Bronze, in sozusa- gen retardierender Allmählichkeit auch mit Wachs nach dem Prinzip der "verlorenen Form", formt Kugeln oder Kügelchen, die in Form von flachgedrückten Medaillons auf der Außenhaut seiner nur als Einzelexemplare existierenden Gestalten erscheinen. Nicht selten kombiniert er sie mit anderen Materialien, gibt seinen unfriedlichen Hirten Wurfgegenstände und Stäbe aus Bambus in die Hände, wenn sie auf ihren sich aufbäumenden starken Pferden sitzen.

Es sind Wesen von fragmentarischer, ja beklommener Größe, und wohl niemand würde behaupten, dass sie nur für sich selbst bestehen, schon das Fragment an sich ist ja mit Bedeutung aufgeladen. So kann man auch Peter Brauchles hochgerüstete Skulpturen in ihrer Verletzlichkeit nicht einfach nur als Kraftpakete betrachten. In ihrer rauen Oberfläche, ihrer die Blicke magisch in ihr Inneres ziehenden Offenheit symbolisieren sie - ganz ähnlich wie der Stierkampf, der so viele Künstler und Schriftsteller in seinen Bann gezogen hat - auch Vergänglichkeit und Tod. Wenngleich man Peter Brauchles stupende plastische Ausdrucks- kraft an sich eher als Trost spendend, ja als furios optimistisch bezeichnen kann.


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