Landkreis Südliche Weinstraße / Kreisverwaltung Südliche Weinstraße
Horst Wackerbarth: "Wer fragt mich denn schon"
Fotografie, Video
23.02.07 bis 12.03.07
Horst Wackerbarth
Horst Wackerbarth: "Wer fragt mich denn schon"

Die Rote Couch

Eine außergewöhnliche Symbiose von Kunst und Erziehungshilfe ist dem international bekannten Fotografen Horst Wackerbarth gelungen. Nachdem er auf "seiner" roten Couch bereits Berühmtheiten wie Michail Gorbatschow, Kofi Annan oder Herbert Grönemeyer abgelichtet hatte, wagte er sich mit Kindern aus Einrichtungen der Erziehungshilfe auf ein auch für ihn ungewohntes aber spannendes Terrain.

Horst Wackerbarth ist von der Überzeugung getragen, dass sie - vielleicht gerade aufgrund ihrer oftmals dramatischen Lebenserfahrungen - Vieles, Wichtiges und Gutes zu sagen haben. Er hat insgesamt 20 Kinder und Jugendliche aus vier Einrichtungen der Erziehungshilfe befragt, fotografiert und gefilmt. Sie suchten sich den Platz, an dem die Couch für ihre Aufnahme stehen sollte, selbst aus - je nach dem, wo sie sich am meisten vertraut, geborgen, herausgefordert o.ä. fühlten.

Ergänzt wird diese Ausstellung im Kreishaus von künstlerischen Exponaten, welche Kinder des Jugendwerkes St. Josef aus Queichheim geschaffen haben. Kunst dient hier dazu, Kreativität zu entwickeln; sie stellt aber auch ein Vehikel dar, schmerzlich Erlebtes zu verarbeiten und in eine positive Wirkung umzuwandeln. Gewiss keine Zeugnisse professioneller Kunst, aber beeindruckende, Mut machende Beispiele an der Schnittstelle von Erziehungshilfe und Kunst.

Besprechung in Die Rheinpfalz vom 27.02.07

Auch sie sind Teil der "Galerie der Menschheit"


Eine außergewöhnliche Tandem-Ausstellung läuft derzeit im Kreishaus der Südlichen Weinstraße: Einmal eine Foto-Dokumentation mit Horst Wackerbarths berühmter Couch, dieses Mal mit Jugendlichen "geschmückt", denen der Künstler Fragen stellte "über Gott und die Welt". Dann aber gibt es auch kreative Arbeiten zu sehen, die Kinder des Queichheimer Jugendwerkes St. Josef geschaffen haben.

Eröffnet wurde das Ganze am Freitagabend mit einem spektakulären Trommelaufgebot, präzise und temperamentvoll dargeboten von Schülern des Jugendwerkes, beendet wiederum von einer rhythmisch fabelhaft austarierten Bläsergruppe. Und natürlich gab es Reden: von Landrätin Theresia Riedmaier, von Dr. Johannes Cassar, dem "spiritus rector" des Projekts mit dem Meister der roten Couch, eigens aus Österreich angereist, sowie von Erhard Rieß vom Fachverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen.

Im Mittelpunkt freilich standen die Kinder und Jugendlichen bei dieser besonderen Vernissage: einmal tatsächlich, waren doch die Schöpfer der Kunstwerke im ersten Stock der Kreisverwaltung präsent und standen sozusagen zu ihren Werken, darunter erstaunlich kunstfertige Zeichnungen, Holzarbeiten und Collagen. Dann aber auch auf den großformatigen Fotografien von Horst Wackerbarth und in dem eingespielten Video, in welchem - in leider allzu knapp zusammengeschnittenen und tonlich nicht ganz sauber eingerichteten Sequenzen - die auf der roten Couch geführten Interviews lebendig gemacht wurden.

Diese können auf im Foyer aufgestellten Monitoren gleichfalls abgerufen werden: was wünschens- und empfehlenswert ist. Handelt es sich doch bei der Ausstellung "Die rote Couch", die dieses Mal den Untertitel "Wer fragt mich denn schon" trägt, um eine einzigartige Gelegenheit, durch buchstäblich eigene Anschauung in Kontakt mit Jugendlichen zu kommen, deren Existenz an den Rändern des erzieherischen Alltags der Regelschulen nur allzu oft verdrängt wird. Johannes Cassar hat in seiner Rede erzählt, wie es dazu kam, den Konzeptkünstler Horst Wackerbarth für ein pädagogisches Unternehmen zu gewinnen, ohne dass er deswegen auf sein Markenzeichen - die rote Couch - verzichten musste.

Verwunderlich ist es allerdings nicht, dass der Künstler sofort bereit war, mitzumachen, passt doch das Gespräch mit "Heimkindern" nicht schlecht zu seiner vor 25 Jahren begonnenen "Galerie der Menschheit", für die er Frauen und Männer aller Religionen, Ethnien und sozialen Schichten auf ein rotes Sofa setzte und interviewte. Rund 100.000 Kilometer reiste er für sein enzyklopädischen Lebensprojekt durch die ganze Welt, um in knapp zwei Dutzend Ländern Menschen zu fotografieren. Im Gepäck hatte er die rote Couch, sein obligatorisches Sitzmöbel, seine Foto- und Videoausrüstung und auch jene universellen Fragen, mit denen er die Porträtierten konfrontierte.

Die Couch, im jeweiligen Lebensumfeld der Gesprächspartner platziert, diente immer als visuelles Kontinuum und verbindendes Element, um die Persönlichkeit ganz unterschiedlicher Menschen, Prominenter (wie Michael Gorbatschow, Kofi Annan oder Herbert Grönemeyer) und Unbekannter (in der Börse, auf dem Müllplatz oder im Schlachthof) in einen großen Zusammenhang zu stellen.

Und nun also Jugendliche, Mädchen und Jungen aus Einrichtungen der Erziehungshilfe, die das Leben schon arg gebeutelt hat, die geschlagen und gequält wurden, und die nicht zuletzt deshalb vielleicht zu so erstaunlich tiefsinnigen, abgeklärten und höchst selbstkritischen Meinungen gelangt sind. Wackerbarths rote Couch durften sie sich an jede erdenkliche Stelle platzieren lassen: auf den Spielplatz, vor den Eingang des Heims, auf den Friedhof vor das Grab des Vaters, auf den Fußballplatz, sogar in ein Schwimmbassin oder in ein Klettergerüst. Der Künstler ist auf alles eingegangen, hat auch akzeptiert, dass manche Kinder zum Ablichten die liebsten Kameraden mit auf die Couch nehmen wollten.

Damit aber die Fotografien mit dem roten Kontrapunkt nicht nur dekorativ oder kurios bleiben und sozusagen das richtige geistige Unterfutter bekommen, ist es unbedingt notwendig, sich auch - wenigstens teilweise - die anrührenden Videos anzuschauen und zu hören, was Jasmin, Janine, Theo oder Daniel "zu Gott und der Welt" und vor allem zum eigenen Leben zu sagen haben. Denn es gibt in der Tat universelle Bedürfnisse - wie die Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe - die für alle Menschen Gültigkeit haben. Nur sind halt die Wege verschieden, diese einzuklagen und auszudrücken.




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