Landkreis Südwestpfalz / Kreisgalerie Dahn
Jürgen Braun: "Stück-Werk"
13.11.04 bis 12.12.04
Jürgen Braun
Jürgen Braun: "Vergittertes Objekt" (1999), Ätzradierung, Kaltnadel mit Aquatinta 29,0 x 21,8 cm

Einführung von Beate Steigner-Kukatzki

In den schönen und großen Räumen der Kreisgalerie Dahn präsentiert Jürgen Braun ein breites Spektrum seiner künstlerischen Arbeit. Man kann eine grobe Einteilung vornehmen: in großformatige Gemälde, Farbradierungen, Schwarz-Weiß-Radierungen.

Doch zunächst einmal einige biografische Anmerkungen: Jürgen Braun wurde 1947 in Mannheim geboren. In Mainz studierte er Kunst- und Werkerziehung. Er ist in Schifferstadt als Kunsterzieher tätig und in Neuhofen, an seinem Wohnort, befindet sich sein Atelier. Bereits 1977 bekam er den Perron-Kunstpreis der Stadt Frankenthal zugesprochen, 1980 bekam er den Grafik Preis des Landkreises Ludwigshafen (der heute Otto Ditscher Preis heißt) und 1989 wurde ihm der Förderpreis der Stadt Frankenthal zugesprochen.

Zentrales Thema in den Arbeiten ist der Mensch. Dies wage ich, ein wenig Provokativ, zu behaupten. Denn es sind keine Menschen zu sehen. Aber es sind in allen Arbeiten menschliche Spuren vorhanden. Ich behaupte auch, dass Jürgen Braun nie gegenstandslos arbeitet.
Lange Zeit bewegte er sich als Radierer in der Tradition des Horst Janssen. Komponierte und arrangierte unterschiedlich realistisch ausformulierte Bildebenen miteinander. Akribisch genau bildete er die einzelnen Objekte ab.

In den 90er Jahren kam mehr Farbe ins Spiel und auch eine neue Technik hinzu. Wie in einer unerwarteten Gegenreaktion zu seinen kleinen Formaten in den Grafiken breitete er sich plötzlich mit Acrylfarben auf großen Leinwänden aus, die bis zu raumhohe Größe haben. Doch auch in den Gemälden kann er den Zeichner in sich nicht leugnen. Er bringt mit feinen Pinseln grafische Elemente ein, die sich in einem langen Arbeitsprozess zu einem Spannungsgefüge entwickeln. Über malerische Ebenen setzt er schmale Linie, Punkte oder Spritzer in schwarz, weiß oder in zurückgenommenen Farben. Auch große, geometrische, klar begrenzte Formen, die zum Teil in deutlichen intensiven Farben, wie violett oder gelb, sich vom Untergrund deutlich abheben, bilden einen krassen Gegenpart zu - zum Teil – monochrom harmonischen Teilen und entwickeln durch den Gegensatz in Form und Farbe eine dynamische Spannung. Als wolle Jürgen Braun mit der Aufteilung, der Überlagerung mit klaren Formen dem malerischen unbestimmten Untergrund einen Halt geben. Er balanciert aus, lässt freien Fluss und fängt wieder auf. "Stück-Werk" nennt er die Ausstellung. Es geht ihm um Bruchstückhaftes, um Gedankensplitter, um Ideen.

Ähnlich lotet er in den Radierungen das Gleichgewicht aus, indem er mit den Bildelementen spielt. Er integriert nicht nur klare Formen, sondern setzt auch spontane zeichnerische Elemente als Blickpunkte. In neuen Farbradierungen wendet er eine besondere Technik an. Er überträgt Schwarz-Weiß-Radierungen in den Computer und testet die Farben erst mal aus. Er kann sie übereinander legen, revidieren und erst mal damit spielen, ohne das aufwändige Druckverfahren mit mehreren Platten einzusetzen. Aber dieses Spiel ist nur Vorarbeit für das klassische Kunstwerk der Farbradierung mit mehreren Platten. Viele Künstler bleiben bei solchen Experimenten bei den neuen Medien hängen. Malen teilweise nur mit dem Computer. Aber dem Ergebnis fehlt die Aura eines Originals. Soweit lässt es Jürgen Braun nicht kommen.

Im Gegensatz zu den schwarz-weiß Radierungen schleicht sich in den farbigen Arbeiten viel deutlicher die Landschaft ein. Licht und Schatten. Hügelketten und Moorniederungen, Wasserflächen und sogar Häuser sind eindeutig zu erkennen. Es sind ruhige Arbeiten. Es geht Jürgen Braun um bestimmte Situationen, die er zeigen will. Es sind Stimmungen, die ihn faszinieren und er spricht auch vom Einfluss schwedischer Landschaften. Da er Schweden zu seiner zweiten Wahlheimat erkoren hat, ist dies nicht weiter verwunderlich.

Die Realität hat ihn wieder mehr eingeholt – könnte man sagen. Aber es ist vielmehr so, dass seine künstlerische Vielfalt nebeneinander besteht. Mal malt er mehr – mal zeichnet er mehr. Gerade hat er eine Malpause eingelegt und sich mehr auf die Radierungen konzentriert. Spannend finde ich auch das Nebeneinander der unterschiedlichen Werke. Zusätzlich arbeitet Jürgen Braun noch parallel an mehreren Arbeiten und übermalt, zerstört und entwickelt neue Formen in unterschiedlichen Abstraktionsstufen.

Auf diese Weise entsteht oftmals auch der Ausgangspunkt für ein Werk. Ein Relikt aus einer älteren Arbeit kann die Idee liefern für den Anfang. Es kann auch eine Werkzeugspur auf der Redierplatte sein oder ein spontaner Einfall einer Grundform. Und in dem Werkkomplex der schwarz-weißen Radierungen spielen solche Formfragmente die Hauptrolle. Diese Arbeiten üben auf mich die größte Anziehungskraft aus. Sie faszinieren mich, durch ihre vibrierenden Schwingungen. Sie sind offen, lassen einen großen Freiraum für Gedanken – auch für die des Künstlers selbst. Immer wenn man denkt, man erkenne etwas in seiner Klarheit, entzieht es sich dieser Festlegung. Aus Eindeutigkeit wird Vieldeutigkeit – ohne beliebig zu sein. Es ist ein Spiel, das sich zwischen Abstraktion und Konkretisierung bewegt. Braun reagiert auf den Rhythmus, der sich innerhalb eines Bildes abspielt. Er antwortet mit Gegensätzen. Dunklen Partien setzt er helle gegenüber. Auf bewegte folgen ruhige.
Es sind Spuren menschlicher Existenz, die sich herausbilden, es sind mögliche Erklärungen.
Genauso gut kann man behaupten, es sei völlig gegenstandslos zu verstehen. Es ist auch gar nicht zwingend realistische Vergleiche zu finden. Aber es passiert sogar dem Künstler selbst.

Bootsformen tauchen auf – schräg kenternd, dramatisch. Bekommen sie einen Knick, erinnern sie an amorphe Sitzgelegenheiten. Braun wird quasi von der Realität eingeholt. Während der Arbeit erkennt er Situationen, gibt ihnen unbewusst Namen und formt ohne Absicht Landschaften, wenn sich beispielsweise eine Horizontlinie in die Komposition einschleicht. Spontane gestische Kritzeleien nehmen Gestalt an, formen sich zu schnellen Strichen, dann zu Strichbündeln – die fast schon zu einem Markenzeichen geworden sind – verändern sich zu vibrierenden Wellen, die mit Gitterformen korrespondieren, die aus engen Wellenlinien entstanden. Wie schwebende Matten liegen sie in einer vorgelagerten Ebene. Sind die Linien weniger verdichtet, lassen sie an Netze oder Gitterkörbe denken.
Verwobenes, Gewebtes lässt Assoziationen an schützen, einfangen, umschließen, festhalten und auch transportieren frei. Manchmal schreibt er Textfragmente mit ein. Mit ihnen unterstreicht er den Skizzencharakter der Blätter. Skizzenhaft ist auch der spontane, schnelle, sichere Strich. Es gibt den Arbeiten eine faszinierende Leichtigkeit, ohne im geringsten lieblich zu sein. Und Farbe würde nur zu sehr ablenken von den schönen reduzierten Formeln und Symbolen. Ich meine, dass dies den besonderen Reiz der Werkgruppe ausmacht.

Vita Jürgen Braun:

1947
in Mannheim geboren

1973-76
Hochschule für Kunst- und Werkerziehung in Mainz

1977
"Großer Kunstpreis" der Stadt Frankenthal, Grafik

1980
"Kunstpreis des Landkreises Ludwigshafen", Grafik

1989
"Perron-Förderpreis der Stadt Frankenthal", Malerei

seit 1977
Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen u.a. in Frankenthal (Kunstverein), Jockgrim (Zehnthaus), Speyer (Kunstverein), Kaiserslautern (Pfalzgalerie), Frankfurt, Ludwigshafen (Wilhelm-Hack-Museum), Mainz (Mittelrheinisches Landesmuseum), Mannheim (Feuerwache), Schifferstadt, Landau (Villa Streccius, Galerie Z, Kreishaus Südliche Weinstraße), Münster/Westfalen, Pirmasens, Waldmohr, Heilbronn, Michelstadt, Heppenheim/Bergstr., Sävsjö/Schweden (Galerie Carlsson), Jönköpings Läns Museum, Galleriet i Hultsjö, Zehnthaus Römerberg, Vetlanda Museum (Schweden), Schlossscheune Fußgönheim.

Zahlreiche Werke in öffentlichem und privatem Besitz: Mittelrheinisches Landesmuseum Mainz, Regierungspräsidium Nordbaden, Stadt Mannheim, Landkreis Ludwigshafen, Stadt Ludwigshafen, Landkreis Kaiserslautern, Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF).

Beteiligung Kunst-am-Bau-Wettbewerb (Stadthalle Kirn)

Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler (apk)
Mitglied des Bezirksverbandes Bildender Künstler Mannheim-Heidelberg (BBK)
Mitglied des "ANKER", Ludwigshafen



 





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Jürgen Braun
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Jürgen Braun
Jürgen Braun: "Falke" (2002), Farbradierung von einer Platte 26,6 x 20,9 cm