Kunstverein Germersheim / Zeughaus Germersheim
"Kunst in den Gewölben 2003"
Wilfried Barber, Mariana Cinteanu, HWP Diedenhofen, Thomas E. Linder, Otto Quirin und Elke Weickelt
07.11.03 bis 30.11.03
Thomas E. Linder
Thomas E. Linder: "o.T." (1996)

Einführung von Marita Mattheck

"Ein Maler stürzt in die befreite Farbe" (ein Zitat von Christel Heybrock) könnte das Motto sein für alle sechs Künstler, die hier ausstellen. Die Frage wird kommen, was haben sie gemeinsam oder wo liegen die größten Unterschiede. Die Antwort kann lauten, ja es gibt Gemeinsamkeiten oder aber, müssen sie gleich sichtbar erscheinen? Allen gemeinsam ist der Umgang mit der Farbe. Verbindendes wie z.B. Energie, Dynamik, Rhythmus, aber auch Strenge, Sensibilität, Raumqualitäten, auch archaische Zeichen (wie die Spirale oder Chiffren), Formen und Linien drängen sich auf.
Vielleicht prägten auch die längeren Auslandsaufenthalte die künstlerische Arbeit, z.B. bei Wilfried Georg Barber in Italien, Otto Quirin in Chile und Spanien und Elke Weickelt in Asien.

Große und kleine Formate sowie bemalte Objekte von Thomas Linder springen uns gleich im ersten Gewölbe entgegen. Die Öl- und Acrylfarben (zerriebene Erden, zermahlener Marmor) mit unterschiedlichen Bindemitteln werden dick, erhaben aufgetragen, platzen zu breiten Rissen, Spalten oder Durchbrüchen. Sie bilden Schicht für Schicht Krater, Hügel, werfen Schatten und wachsen auch über den Rahmen hinaus und kommen nur langsam zum Stillstand. Für den Künstler Linder ist es nicht einfach, ein Bild als fertig zu bezeichnen. Es kann vorkommen, dass er nach einiger Zeit oder auch nach Jahren das Bild noch mal betrachtet und an ihm weiterarbeitet. Und wieder werden die Hügel größer, vielleicht zu Bergen. Das heißt aber nicht, dass der Künstler kein Konzept besäße. Kreisendes, Fließendes oder Gespaltenes fügt sich durch unterschiedliche Perspektive und überlegte Kompositionen zu etwas Landschaftlichem. Zudem werden wir eingeladen, uns an einen Farbtisch zu setzen, es uns bequem zu machen, vielleicht sogar unsere Schuhe auszuziehen.

Das Thema von Elke Weickelt könnte heißen: Ganz einfach. Einfache Form, ihr Symbolgehalt und ihre Assoziationen beim Betrachter. Ihre Bilder sind abstrakt (und gegenständlich), Malerei und Zeichnung zugleich. Links im zweiten Gewölbe hängen die etwas älteren Bilder und rechts die ganz neuen. Auffällig ist hier der flächige, ockerfarbene monochrome Bildhintergrund, auf dem Liniengebilde Formen umkreisen oder sich in den Raum begeben. Wie auf einem Stadtplan oder Spiel erscheinen die Linien als Haupt- und Nebenwege, die neben-, mit und ineinanderklingen, auf dem recht ungewöhnlichen zu betrachtendem Bild von oben. Hier kommen Dreieck, Viereck und Rundes hinzu. In friedlicher Koexistenz und teilweise durch Farbe erweitert, entwickelt das Zusammenspiel einen narrativen oder spirituellen Charakter. Breitere, gerade gemalte oder dünn gezeichnete Linien setzen sich über nicht exakt mathematische Flächen. Der Betrachter wird aufgefordert, eigene semantischen Gehalte in das Kunstwerk zu legen. Viele Malschichten überdecken die Bilder auf der linken Seite. Sie werden bearbei-tet, ausgekratzt, gewischt, strukturiert. Der Malprozess in Acrylfarben ist gekennzeichnet durch Hinzufügen und Wegnehmen. Empfindungen werden sichtbar gemacht in harmonischer, spannungsreicher und akzentuierter Gestaltungsart.

Intensität und Leuchtkraft, figurative Elemente und Verrätselungen bestimmen die Kunstwerke von Otto Quirin, der Künstlerfreundschaften pflegte und Begegnungen mit z.B. Otto Dix, Erich Heckel und Oskar Kokoschka benennt. Künstlerische Auseinandersetzung erfolgt mit dem Kubismus und Dadaismus hier sind die Collagetechniken zu nennen, dem Tachismus bezüglich des gestischen Farbauftrages, dem Expressionismus mit den intensiven Farben und dem Surrealismus mit Gegenständen, die in keinem logischen Kontext erscheinen sowie Künstlern, z.B. Paul Klee, Wassily Kandinsky, Kurt Schwitters, Wilhelm Nay. Das Farb- und Formenrepertoire ist aber etwas ganz Eigenständiges, es ist abstrakt und Abstrahierungen der Wirklichkeit, Relikthaftes aus der Realität in Form von Einzelmotiven - Vogel, Fisch, Haus - Plastifizierungen in recht humorvoller Art und Weise (roter Kussmund, bunter Vogel).
Dabei ist Eindeutigkeit nicht das Ziel. Oft spiegeln die Bilder die Befindlichkeiten des Künstlers wider und der Betrachter soll sie entziffern und nachempfinden, manchmal bekommt er auch Unterstützung durch die Bildtitel, wie z.B. "Der Japanische Garten" oder "Altes Städtchen mit blühendem Baum". Änderung der Perspektive durch das Einfügen von Bildern in Bildern erzeugt Spannung im Bild und führt zu einem poetischen Assoziationsspiel.

Im vierten Gewölbe lässt sich Wilfried Georg Barber in seinen Bildern von der Musik inspirieren. Nicht dass er Musik beim Malen hört oder unmittelbar auf eine bestimmte Musik reagiert. Musiker und Maler haben den Instinkt für Rhythmus, den sie in permanenten Brüchen, Gegenbetonungen und Überlagerungen zu einer vielgestaltigen Poly-Rhythmik entwickeln.
Das Phänomen der Synästhesie (enge Verbindung von verschiedensten Sinnesempfindungen), ist für ein Verständnis dessen, was Kandinsky den "inneren Klang" nennt, von grundlegender Bedeutung. Er hat Farben mit dem Klang verschiedenster Instrumente in Beziehung gesetzt. Vielleicht verspüren sie auch bei dem Künstler Barber Musikalisches - laute und leise Töne - in Linie, Form, Raum und Farbe.
Zitat (Mannheimer Morgen, 13.6.01): "Inspiriert von Klängen und Musik sind seine Gemälde schwingende Farbräume. Seine Bilder brauchen den Halt der Konstruktion nicht mehr, selbst locker hingemalte "Notenköpfe" und "Notenzeilen" sind nicht mehr zwingend, denn die Farben selbst und ihr Zusammenspiel geben nun den Bau der Bilder ab. Es ist, als stürze ein Maler in die befreite Farbe."

Mariana Cinteanu stellt im vorletzten Gewölbe aus. Hier vereint sich gestische Malerei, die in einem sehr dynamischen, rhythmischen und virtuosen Duktus in Schwarz, Grau oder Rot aufgetragen wird, mit konstruktiver Malerei in Form von Quadraten, die Ruhepol sein können, Farbakzente bilden und spannungsreich in den Bildraum gesetzt werden. Erinnert werden wir hier vielleicht auch an die moderne Technik Fernsehen, nämlich an die schnellen Bildsequenzen oder Tastaturbetätigungen.
Vierecke werden aufgeklebt. Das Material "Moosgummi" dient als Bildträger. Es ist weich, glatt, abwaschbar, farbig. Ihre Bilder besitzen einen sehr hohen Variationsreichtum, in jeder Ausstellung können sie wie in der Art von Modulen neu kombiniert werden. Jedes einzelne Feld steht für sich, besitzt ein Eigenleben und fügt sich aber auch in die Gesamtkomposition der unterschiedlichen Bildgrößen ein.

Die große Skulptur von Herrn HWP Diedenhofen ist schon von weitem zu erblicken und erobert sich den Raum. In sie kann man sich übrigens hineinstellen, sie berühren und eventuell Energien verspüren.
Farbige Holzskulpturen aus Pappelholz werden mit der Kettensäge und dem Gasbrenner bearbeitet, gebürstet und farbig in den Primär- und Sekundärfarben bemalt. Sie stehen auf dem Boden, um sie zu umschreiten oder auch sich den raumgreifenden, runden Formen anzunähern oder sie hängen reliefartig an der Wand.
Der Künstler benennt sie als "Brainfruits", angeregt durch menschliche Gehirne mit seinen Windungen und Verzweigungen. Es sind freie, organische Formen mit gezackten Umrissen und reliefartigen Oberflächen, gespiegelt und gedreht angeordnet, Einzelstücke, die zu einem Ganzen wahrgenommen werden. Durch seine Kunst will er Kunst als Akt des Erkennens und Wahrnehmens begreifbar machen. (Erinnert werden wir u.a. an Formen von M.C. Escher oder Zeichen der Mayakultur.) Anfangs fragte ich nach Gemeinsamkeiten. Schauen Sie sich um und tauchen Sie in die Farbebilder/-skulpturen ein.



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Thomas E. Linder
Thomas E. Linder: "o.T." (1996)
Elke Weickelt
Elke Weickelt: "o.T." (1996)
Otto Quirin
Otto Quirin: "Syrien" (1992)
Wilfried Georg Barber
Wilfried Georg Barber: "Melodisches Gelb mit Paukenschlag" (1999)
Mariana Cinteanu
Mariana Cinteanu: "WkVz 952" (1998)
HWP Diedenhofen
HWP Diedenhofen: "Brainfruits"