Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
"Kunst-Stücke - Zwischen Malerei und Plastik"
Gruppenausstellung
22.04.07 bis 20.05.07
Plakat zur Ausstellung
Plakat zur Ausstellung

Mit Klaus Staudt (Frankfurt/M.), Gloria Brand (Dreieich), Fred Feuerstein (Speyer), Michael Post (Ippenschied), Arthur Kostner (Bozen), und Karin Radoy (Frankfurt/M.)


Die in der Ausstellung präsentierten KünstlerInnen eint die konsequente Arbeit an Kunstwerken als Wahrnehmungs- und Denkmodellen. Die traditionellen Gattungsbezeichnungen sind für die gezeigten Werke nur bedingt anwendbar. Der Titel "Kunst-Stücke" verweist auf die Dinghaftigkeit der Exponate, in denen sich das Bild mit dem Raum verbindet.

In der Auseinandersetzung mit Material und Farbe als gestaltenden Kräften geht es den KünstlerInnen um Einsicht in Strukturen gegen die Routine des bloßen Wiedererkennens, um Phänomene jenseits des Materials. Die farblich und räumlich geprägten und sich in der Wahrnehmung verändernden Bildobjekte zeigen den weiten Spannungsbogen und die Balance zwischen Geometrie und Organik, Empfindung und Intellekt.


Begleittext zur Ausstellung von Herbert Dellwing

Als die informelle Malerei um 1960 auf Ihrem Höhepunkt angelangt ist, formieren sich gegenläufige Kräfte, denen das Streben nach Realkunst gemeinsam ist. Im Gegensatz zur Darstellung richtet sich das Augenmerk auf die materielle Herstellung und die Erforschung von Wirkungsmechanismen. Das Bild ist nicht mehr Weltauge, sondern Objekt und Instrument im Dienst der Wahrnehmung und ästhetischen Erfahrung unter dem sich verändernden Betrachterstandpunkt. Die sechs in der Ausstellung gezeigten KünstlerInnen begreifen es als Wahrnehmungs- und Denkmodell. Dabei kommt der Geometrie bzw. Stereometrie als eigenwertigem Ordnungssystem ein hoher Stellenwert zu. Die unterschiedliche Anwendung von Konstruktion und Spiel bis in die Gegenwart gibt der Ausstellung, die als Labor der Wahrnehmung erscheint, ihr Profil.

Klaus Staudt, geb. 1932, zählt zu den konsequentesten Vertretern der systematisch-konstruktiven Kunst nach 1960. Seine Bildobjekte sind dreidimensionale Strukturfelder, deren zumeist prismatischen Elemente mathematisch geordnet sind. Seit 1963 benutzt er für seine Schaukästen Plexiglasscheiben mit unterschiedlichen Transparenzgraden. In der Wahrnehmung verschmelzen die hintereinander liegenden reliefierten Ebenen zum Bild, hinter dem das System zurücktritt. Nachdem es ihm in den 1960er Jahren gelingt, das Relief von der Bindung an die Wand zu lösen - Staudt gilt als Erfinder des freischwebenden Reliefs -, öffnet er in den 1980er Jahren die kompakten Prismenelemente zu raumgreifenden Formen. 1990 entwickelt er seine mehrschichtigen Reliefs zu vollplastischen Gebilden. Die durch das Plexiglas bewirkte Entmaterialisierung erweitert den Bildraum in zuvor unbekannte Dimensionen, die sich durch den Lichtwechsel wie durch den einkalkulierten Wechsel des
Betrachterstandpunktes ergeben.

Gloria Brand, geb. 1943, ist Bild- und Raumgestalterin. Sie arbeitet seit mehr als 30 Jahren ausschließlich mit selbstgestaltetem, collagiertem Papier. Das gewöhnliche Material steht ihr bei der Herstellung ihrer ungewöhnlichen Werke nicht im Weg. Schon früh entwickelt sie gestaltgebende und gestaltzerfallende Bildabläufe, erweitert den optischen Erlebnishorizont des Bildes ins Räumliche. Leichthändig und mit spielerischer Neugier zielt sie auf die Öffnung und Dynamisierung des Bildraumes und kalkuliert den Betrachter als Aktivposten in das Kunstwerk ein. Die vom Bildobjekt ausgehende und im Betrachter wachgerufene vitale Energie, die hier besonders bei der spielerischen Installation der "Würfelwand" erlebt wird, ist als zentrales Ereignis der Inhalt ihrer Kunst. Ihre Arbeiten sind geprägt von der Dialektik zwischen der informellen Struktur ihrer Papiere und der Disziplinierung durch geometrische Formen als Ordnungs- und Orientierungsgrößen bei der Inszenierung und Erfahrung des Raumes.

Fred Feuerstein, geb. 1946. Seine Kunst wurzelt in der Betrachtung der Natur, in der er einen unendlichen Reichtum an Farben und Formen entdeckt und auf prinzipielle, philosophische und spirituelle Zusammenhänge von Welt und Dasein aufmerksam wird. Als Maler und Plastiker ausgebildet, sind seine Werke grundsätzlich bildlich und raumplastisch geprägt. In den 1980er Jahren baut er Objektkästen mit hintereinander geschalteten geometrisch-seriell bemalten Glasscheiben, die in der bewegten Betrachtung wie bei einem Kaleidoskop ständig veränderte Bilder ergeben. Der Betrachter wird so aktiv an der Herstellung virtueller Räume beteiligt. Aus diesem Komplex hat Feuerstein seine bemalten Kofferobjekte entwickelt, die wie bei einem Spiel mit verschiebbaren und verspiegelten Elementen ausgestattet und zur Veränderung vorgesehen sind. Aus der Serie der Koffer sind bemalte Stelen hervorgegangen, in denen auch seine Erinnerungen an afrikanische Stammeskunst nachwirken.

Michael Post, geb. 1952, ist ähnlich Klaus Staudt in seiner geometrisch-ungegenständlichen Formensprache den konstruktiven Theorien der Moderne verpflichtet. Seine Konstruktionen aus bemaltem Holz, neuerdings auch Blech, sind fast immer wie Bilder mit der Wand verbunden. Früh hat er sich ein Modul erarbeitet, das zu einem Markenzeichen seiner Arbeiten geworden ist: Es besteht aus zwei im rechten Winkel verleimten keilförmigen Holzelementen, die meist zweifarbig bemalt und seriell zusammengestellt sind. "Mit der Erfindung dieses Moduls ist dem Künstler ein ganz eigenes, verblüffend einfaches, aber gleichzeitig komplexes und anpassungsfähiges System gelungen" (I. Wiesenmayer), ein logisches Gestaltungsprinzip, das - im Zusammenspiel der Elemente, des Lichtes und der Bewegung des Betrachters - ein immer neues Erlebnis und eine stetige Hinterfragung des Gesehenen bewirkt.

Arthur Kostner, geb. 1954. Seine aus bemaltem Holz bestehenden Arbeiten zeigen stereometrische Grundformen, deren Kantigkeit und Eckigkeit er später zurücknimmt und so körperhaft gerundete Volumen erhält, die an organische Formen erinnern, so etwa bei seinen konkaven und konvexen Gebilden. Ihre räumliche Struktur und Wirkung verdanken die Arbeiten nicht nur ihrer Dingform, sondern auch ihren lebhaften Farben. Kostner überprüft die Wirkung seiner minimalistisch einfachen und formal verdichteten plastischen Objekte mit Hilfe der Farbe. Die Objekte werden vielfach wiederholt und erhalten erst durch die Farbe ihre Individualität. Die Wiederholung der Form kann als das Bleibende angesehen werden, während die Farbe in der wandelnden Beleuchtung sich stärker verändert.

Karin Radoy, geb. 1957, erweitert ihre zweidimensionalen Bilder in den späten 1980er Jahren in den realen Raum, auf den Betrachter zu, um dessen Beteiligung an der Konkretisierung des Werks sie weiß und wirbt. Ihre Arbeiten bestehen immer aus mehreren variablen Teilen. Bei den aus Holz und MDF-Platten zusammengeleimten Hohlkörpern sind es in der Regel zwei gleiche Teile, die durch Drehen, Kippen und Tauschen unterschiedliche Gruppierungen erlauben und unterschiedliche Wirkungen ermöglichen. Die Kästen kommunizieren auf diese Weise nicht nur untereinander, sondern auch mit dem Rezipienten. Ein wesentliches Element der Arbeiten ist die informelle Bemalung, die gegen die geometrischen Grundformen beim Betrachter zu Irritationen führen kann und soll. "Meine Bilder (!) sind nicht Grenzsituationen der Einfarbigkeit, sondern der Wahrnehmung" (Radoy). Informell ist auch die Bemalung ihrer durchsichtigen Plexiglasröhren; bei ihnen erscheint die Farbe losgelöst vom Bild als nahezu pure Materie im Raum.



[zurück]
Plakat zur Ausstellung
Plakat zur Ausstellung