Kunstverein Villa Streccius Landau / Villa Streccius Landau
"Meister der Zwischen- und Seelenwelten. Werke der Ars phantastica"
13.05.06 bis 25.06.06
Alf Osman
Alf Osman: "Der zündende Augenblick"

Vor 20 Jahren hatte der Landauer Kunstverein mit seiner Ausstellung "Pfälzische Phantasten. Die Erben des Hieronymus Bosch" als erste Institution des Landes Rheinland-Pfalz zeitgenössische Werke der Ars phantastica und deren Verankerung im kurpfälzischen Raum in breiter Form gezeigt; bereits 1991 wurde in einem zweiten Schritt mit der Ausstellung der Künstlergruppe "Heidelberger Malerkreis", diese Kunstrichtung weiter verfolgt.

Nun soll unter dem Motto "Meister der Zwischen- und Seelenwelten" mit KünstlerInnen beider damals beteiligter Gruppen sowie einem Gastkünstler im "Kultursommer Rheinland-Pfalz" erneut eine repräsentative Ausstellung zeitgenössischer Ars phantastica erfolgen. Zwar hat die Ausstellung "Pfälzische Phantasten" 1986 nicht zu der damals erwarteten festen Gruppenbildung aller Beteiligten geführt, der zeitgleich entstandene "Heidelberger Malerkreis", welcher 2005 sein 20-jähriges Jubiläum begehen konnte, hat hingegen seinen Zusammenhalt bis heute wahren können.

Das Ausstellungsprojekt "Meister der Zwischen- und Seelenlandschaften" wird somit einen Großteil der heutigen kurpfälzischen Vertreter der Ars phantastica erstmals seit langer Zeit wieder zusammenführen.

Als kulturhistorischer Rahmen wurden alle Künstler der Vorgängerausstellungen gebeten, neben aktuellen Arbeiten mindestens ein Werk der Anfangszeit auszustellen, um den künstlerischen Entwicklungs- oder Entfaltungsweg über 20 Jahre nachvollziehen zu können. Der Heidelberger Malerkreis wird zudem als Hommage an die zwischenzeitlich verstorbenen Mitglieder, den Gründer der Gruppe, Prof. Dr. Joachim Geissler-Kasmekat, sowie Harald Reus von diesen je ein zentrales Werk zeigen.


Die KünstlerInnen der Ausstellung


Wilfried Bausch
geb. 1941 in Nordhessen; lebt in Heidelberg; Studium der Musik, Philosophie, Pädagogik und Bildenden Kunst (u.a. bei Rudolf Hausner in Wien und Geissler-Kasmekat in Heidelberg); seit 1980 freischaffender Künstler; Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland; Gründungsmitglied des Heidelberger Malerkreises.

Sophie Brandes
geb. 1943 in Breslau, lebt in Neckargemünd, Würzburg, auf Mallorca; Malerei, Zeichnung, Grafik, Materialcollagen, Buchillustrationen; Studium Gebrauchsgrafik an der Deutschen Meisterschule für Mode (München); Studium Radierung bei Friedrich Meckseper; Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland; mehrere Auszeichnungen, u.a. Kritikerpreis Bologna für Buchillustration. Katalog: Sophie Brandes, Objekte 1989-1999, o.O. u.J.

Michael Lingrên
geb. 1944 in Erfurt; lebt in Neckargemünd; Studium der Mathematik in Berlin und Heidelberg; Studium der Malerei bei Prof. Geissler-Kasmekat in Heidelberg; Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland; Kunst im Öffentlichen Raum in Schwetzingen, Speyer, Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe, etc.; Ankäufe des Landes Baden-Württemberg, der Städte Schwetzigen, Wiesloch, Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe etc.; Gründungsmitglied des Heidelberger Malerkreises.

Alf Osman
geb. 1941 in Graudenz/Westpreußen; lebt in Sandhausen bei Heidelberg; Studium Kunstgeschichte, Germanistik, Grafik an der Universität Heidelberg und an der Freien Akademie Mannheim und an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg; Ausstellungen im In- und Ausland, öffentliche Ankäufe; Gründungsmitglied des Heidelberger Malerkreises.

Christine Rogge
geb. 1950 in Schwabach/Nürnberg; lebt in Wiesloch; Schülerin von Joe Hackbarth; Ausstellungen im In- und Ausland; Öffentliche Ankäufe der Städte Karlsruhe und Heidelberg; seit 1987 Mitglied des Heidelberger Malerkreises.

Elke Wassmann
geb. 1937 in Kiel; lebt in Heidelberg; Studium Werkkunstschule Mannheim (Prof. Paul Berger-Bergner) und bei Prof. Geissler-Kasmekat (Heidelberg); mehrjährige Aufenthalte in Mexico, USA, Türkei Griechenland; viele Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland; sieben Titelbilder des Umweltmagazins "Natur" von Horst Stern; Arbeiten im Öffentlichen Besitz des Landes Baden-Württemberg, der Städte Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Bonn; Gründungsmitglied und heutige Sprecherin des Heidelberger Malerkreises; Preis der Willibald-Kramm-Stiftung Heidelberg 1994; Kataloge: Elke Wassmann, Heidelberg 1983; Elke Wassmann, Ölbilder, Zeichnungen, Heidelberg 1989; Elke Wassmann, Schätze der Kindheit, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2005.

Hermann Hoormann
geb. 1933 in Meppen/Ems; lebt in Bolanden/Pfalz; Malerei, Grafik, Zeichnung, computergestützte Fotografie; Studium Kunsterziehung, Germanistik, Philosophie in Mainz; Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland; Ankäufe durch den Deutschen Bundestag, das Land Rheinland-Pfalz, etc.; seit 1996 freischaffender Künstler; Teilnehmer der Ausstellung "Pfälzische Phantasten" des Landauer Kunstvereins 1986.

Wolfgang Maria Ohlhäuser
geb. 1941 in Stuttgart; lebt in Schloss Langenzell/Baden-Württemberg; seit 1975 freischaffender Künstler in altmeisterlichen Maltechniken; seit 1993 bis heute jedes Jahr z.T. mehrfach Lehraufträge an Universitäten und Kunstakademien in Nepal und Thailand, v.a. Kathmandu und Bangkok; Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland; besonderer ausländischer Schwerpunkt Süd- und Südostasien (Nepal, Thailand); Ankäufe durch das Land Baden-Württemberg und die Städte Karlsruhe, Stuttgart, Mannheim, Bangkok, die Kunsthalle Mannheim und das Goethe-Institut Kathmandu, etc.; Auszeichnungen: 1978 Bronzemedaille Festival Bildender Künstler UNESCO-Sopot-Danzig; 1982 Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg; Teilnehmer der Ausstellung "Pfälzische Phantasten" des Landauer Kunstvereins 1986.

Gernot Rumpf
geb. 1941 in Kaiserslautern; lebt in Neustadt/Weinstraße; Studium der Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in München; 1965 Gründung einer eigenen Werkstätte für Metallguss; 1973-79 Lehrauftrag Universität Kaiserslautern; 1979-2001 Professur; Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland; Ankäufe durch das Land Rheinland-Pfalz, Kunst im Öffentlichen Raum in Bad Berzabern, Jerusalem, Kaiserslautern, Mainz, Neustadt u.v.m.; Auszeichnungen: 1961 Oskar-Kokoschka-Preis für Plastik der Stadt Salzburg, 1965 Pfalzpreis, 1967-69 Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes; 1970 Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz; 1972 Hans-Purrmann-Preis der Stadt Speyer, 1972-73 Rom-Preis Dt. Akademie Villa Massimo, 1973 Kunstpreis des Landes Rheinland-Pfalz für Plastik, 1990 Kulturpreis der Stadt Neustadt/Weinstraße, 1997 Dt. Weinkulturpreis; Teilnehmer der Ausstellung "Pfälzische Phantasten" des Landauer Kunstvereins 1986.

Guillermo Rivera Espejo
geb. 1957 in Lima/Peru; lebt in Wiesbaden; Studium Aktzeichnen bei der renommierten Grafikerin und Bildhauerin Christina Galvez sowie Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Lima; ab 1980 Studienaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland; 1987-1990 Ausbildung zum Theatermaler am Deutschen Theater in Göttingen; seit 1991 Theatermaler am Staatstheater Wiesbaden; seit 2001 freischaffender Künstler; Ausstellungen in Trier, Frankfurt, Wiesbaden, SWR Baden-Baden.


Weitere Veranstaltungen zur Ausstellung


18.05.06 um 20.00 Uhr
Vortrag mit Lichtbildern "Die Ars phantastica im 20. Jahrhundert"
Referentin: Maria Lucia Weigel, M.A., Kunsthistorikerin (Heidelberg)

31.05.06 um 20.00 Uhr
Vortrag mit Lichtbildern: "Rembrandt und Rubens - Licht und Gegenstand.
Zum 400. Geburtstag Rembrandts"
Referent: Hartmut Globisch (Frankweiler)

Einführung von Heinz Setzer, Vorsitzender des Kunstvereins Villa Streccius Landau

Ars phantastica - Versuche, symbolisch-bildhaft die Welt zu meistern
Zum kulturgeschichtlichen Hintergrund der Ausstellung:

Zwar besitzt das Phantastische als das ingeniös Erfundene seit jeher Anteil an der künstlerischen
Tradition, doch unübersehbar beginnt etwa bei dem niederländischen Maler Hieronymus Bosch
(1453-1516) das Phantastische als Ausdruck einer inneren Labilität und labyrinthischen
Vielschichtigkeit der Welt Einzug in die Kunst zu halten.
Zwar versuchte man noch in der Hochrenaissance die gerade wiederentdeckte Harmonie von Körper und Geist, Natur und Mensch zu bewahren, doch durch die wissenschaftlichen und geografischen Entdeckungen der frühen Neuzeit, durch die „Kopernikanische Wende“, durch Reformation, Bauernkriege und expandierendes Städte- und bürgerliches Geldwesen entwickelte sich auch ein neues Kunstverständnis, welches den Künstler zum prometheischen „alter deus“ (Scaliger 1561) werden ließ.
Anstelle mimetischer Nachahmung von Realität und Bildtradition in „klassischer“ Ausgewogenheit fand der Künstler nun in der Schöpfungskraft des eigenen Ich, in seiner subjektiven Ideenwelt seine neue Wahrheit. Irreale Farbgebungen, Zerrungen und Verwindungen, Kombinationen von gegensätzlichem etc. zeugten bereits beim späten Michelangelo oder bei El Greco für phantastischen Bildreichtum. Zwar konnte das Barock als letzte einheitliche Kunstepoche Europas diesen von Selbstauflösung bedrohten Stil des Manierismus nochmals kitten, doch dann kehrte in der Romantik das Phantastische und Dämonische umso verstärkt wieder. Bei Johann Heinrich Füssli, William Blake oder Francesco Goya etwa finden sich bereits moderne phantastische Entgrenzung der Psyche und die „Ungeheuer der Vernunft“.

Erst im 19. Jahrhundert fand der für die phantastische Kunst entscheidende Paradigmenwechsel statt: Positivismus, Materialismus und technischer Allmachtsglaube besetzten weitgehend die frühere Rolle der Religion, doch als Gegenreaktion wuchs die traumatische Erfahrung metaphysischer Ungesichertheit und der Entfremdung von einer sinnhaften Weltexistenz.
Nur der schöne Schein des künstlerischen Artefakts breitet bei Nietzsche noch einen Schleier über
dem Abgrund des Nichts. Die im Jugendstil und im Symbolismus um 1900 noch idealistisch erahnte Hintergründigkeit des Seins wie bei Böcklin oder Moreau wird wenig später liquidiert.
Die Entdeckungen der Psychoanalyse wie der Relativitätstheorie, welche Sicherheit und Eindeutigkeit der Weltwahrnehmung desavouierten, seien stichwortartig genannt. De Chiricos um 1914 gemalte Schneiderpuppen sind Elemente einer seelisch entleerten und entfremdeten Welt, die „objets trouvés“ Marcel Duchamps oder die aus „nicht ableitbaren Fremdartigkeiten“ (Vgl. Thomas W. Gaethgens, In: Max Ernst Retrospektive 1979, Katalog, hrsg. v. Werner Spies) zusammengesetzten Bildwelten Max Ernsts sind Chiffren metaphysischer Heimatlosigkeit, ein neues Sehen eines entgrenzten Bewusstseins, das sowohl dämonische, groteske oder absurde Züge annehmen kann.

Archetypische Bildwelten können zugleich Urängste und Sehnsüchte der Tiefen unserer Psyche
aufscheinen lassen. Die Gruppe der Surrealisten um André Breton (de Chirico, Ernst, Dali, Magritte, Tanguy, Oelze etc.) versuchte durch Verbindung polarer Gegensätzlichkeiten oder unbewusster „écriture“ die menschliche Autonomie auch in der psychologischen Tiefenstruktur zu retten und letztlich als Meister einer nicht zu begreifenden Welt in einer „Überwirklichkeit“ von Kunst und Leben zu versöhnen. Die jede Phantastik übertreffenden realen Schrecken des Zweiten Weltkriegs entzogen dem Surrealismus als gesellschaftspolitische Vision dann zwar weitgehend den Boden, dennoch bedeutete dies keineswegs den Todesstoß für die phantastische Kunst.

Nach wie vor sind unsere Lebenswahrnehmung, unsere Emotionen und das Bewusstsein auf
Symbole angewiesen, um den Abgründen des realen Schreckens, den Archetypen des Unbewussten, den Partikeln des Ichempfindens Imagination und Ausdruckskraft zu verleihen.
Der französische Symbolist Odilon Redon (1840-1916) verstand das Symbol als Bildprojektion des
Unbewussten, das zwar dem rationalen Denken dunkel erscheint, dennoch aber beschwörende Kraft auf Seele und Gefühl ausübt. Dali etwa hatte dieses Verständnis in seiner psychisch-paranoischen Methode zum Bildfindungsverfahren stilisiert.
Solche Symbole sind das „Instrumentarium“ der phantastischen Kunst bis heute geblieben.
Die auch in der modernen Wissenschafts- und Kommunikationsgesellschaft eher als latente
Bedrohung denn als Aufklärung erlebte unüberschaubare Komplexität globaler Zusammenhänge der „one world“; der dekonstruktivistische „linguistic turn“, der die Eindeutigkeit unserer
Mitteilungsfähigkeit in Frage stellt; die Erkenntnisgrenzen in der neuen Kosmologie oder die
vielfältigen Gefährdungen unserer Umwelt etwa sind ebenso Nährboden des Phantastischen wie die grundlegenden existentiellen Erfahrungen jedes einzelnen Individuums, dass sein Leben wie seit jeher endlich geblieben ist und der Lebenssinn so ungewiss wie nie zuvor.
Dass die Vernunft Ungeheuer gebiert, ist keineswegs eine Tagesweisheit des 19. Jahrhunderts,
sondern kann aktuell jeden Tag den Nachrichten entnommen werden. Zu Zeiten, in denen Gewalt als Ausdruck religiöser Glaubensmaximen oder Phrasen wie „Achse des Bösen“ zu Ausdrucksformen politischer Lebenswirklichkeit geworden sind, ist das phantastische Bildsymbol gefordert. Nicht nur, um Abgründe bloß zu legen, vielleicht auch, um die Vision einer ersehnten Gegenwirklichkeit zu beschwören oder doch zumindest die Erinnerung an ganzheitliche Harmonien aufrecht zu erhalten.
Dass dies auch einen umfassenden assoziativen Dialog mit unserer regionalen, aber auch weltweiten Geistes- und Kulturgeschichte bedingt, stimuliert weitere Aspekte der Wahrnehmung durch die Betrachter. Die Ars phantastica ist durchaus ein Weg, als Meister der Weltwahrnehmung zu wirken.



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