Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
"Positionen zeitgenössischer Plastik"
14.05.06 bis 25.06.06
Heiner Thiel: ohne Titel
Heiner Thiel: "ohne Titel", Aluminium eloxiert, 70 x 90 x 12 cm

Die Ausstellung führt fünf profilierte KünstlerInnen der mittleren und der jüngeren Generation zusammen, die mit ihren in den letzten Jahren entstandenen bildnerischen Werken ein breites Segment der zeitgenössischen Plastik abdecken. Sie setzen sich speziell mit Fragen und Qualitäten jenseits des Materials auseinander und begreifen das plastische Gebilde als Wahrnehmungs- und Denkmodell.

Jens Trimpin greift auf den harten Marmor zurück, dessen kubische Form er in einem langen manuellen Prozess durch Krümmung, Wölbung, Drehung und Verkippung aktiviert. Die damit verbundenen optischen Irritationen sind Teil des Konzepts. Trimpins Steine sind "Denksteine".

Martin Schöneich entwirft seine aus geometrischen Elementen bestehenden Holzplastiken am Computer. Die Zusammenfügung gerundeter und/oder eckiger Einzelteile zu irrationalen luftigen Konstruktionen vermittelt den Eindruck schwebender, variabler Gebilde.

Auch Heiner Thiel entwirft seine Kugelsegmente am Computer. Es sind viereckige konkav ausgeformte Aluminiumbleche, die farbig eloxiert sind und einen sich mit jedem Schritt verändernden virtuellen Farbraum bilden. Farbe und Form der Wandobjekte reagieren auf Licht und Bewegung.

Sophie Casado formt ihre fragilen lichtdurchlässigen Seidenpapierplastiken nach Vorbildern aus der Pflanzenwelt. Die empfindsamen weißen Papierobjekte vermitteln mit ihren einfachen Formen eine Vielzahl von Assoziationen, erinnern an Wachstum wie an Vergänglichkeit.

Ulli Böhmelmann tritt in den letzten Jahren mit großformatigen Rauminstallationen hervor. Im Kunstverein Speyer hängt sie neben die massiven Rundpfeiler analog geformte Silikonnetze, farblose transparente Hüllenobjekte, mehr Zwischenraum als Stofflichkeit.


Besprechung von Beate Steigner-Kukatzki, Sonntag Aktuell vom 14.05.06

Sinnliche Konzentration auf Formen

Zählt Marmor noch zu den Materialien, die man in der Kunst zeitgenössisch nennen kann? Beim Kunstverein Speyer im Kulturhof Flachsgasse stellen fünf Künstler aus, die unterschiedliche Materialien bis an ihre Grenze austesten. Sie folgen keinem spektakulärem Trend und wählen keine Formen, die erschlagend in platter Größe, greller Farbe oder aufgeblasener Erscheinung distanzlos auf den Betrachter treffen. Die "Positionen zeitgenössischer Plastik" zeigen einen soliden zeitlos schönen Weg, den sich viele Künstler nicht zu gehen trauen.

Gemeinsam ist Jens Trimpin aus Mannheim, Martin Schöneich aus Vorderweidenthal, Heiner Thiel aus Wiesbaden, Sophie Casado aus Landau und der Kölner Künstlerin Ulli Böhmelmann eine ernste, dennoch sinnlich erlebte Konzentration auf plastische Formen, denen nichts Unnötiges hinzugefügt ist. Sie denken reduziert minimalistisch und streben auch nicht nach großen Formaten.

Schöneich zeigt aus geometrischen Elementen zusammengesetzte Holzplastiken, die Modellcharakter haben. Am Computer entwickelt er verschachtelte Formen, die er aus Würfeln und Kugeln entwickelt und zu luft- und lichtdurchdrungenen, keineswegs starren Kompositionen zusammensetzt, um sie dann mit Holz umzusetzen. Die Oberfläche weißelt er flüchtig und monochrom, um von der Oberfläche und dem Material abzulenken, den Blick auf die reine Form freizugeben. Er befreit sie von der Erdenschwere, indem er sie auf Kanten und Ecken kippt. Neu sind auch intensiv rot lackierte Objekte, in denen besonders die runden Elemente glänzende Außenwirkung entwickeln.

Massiv sind Marmorskulpturen von Trimpin. Ihn interessiert das Volumen, die Dichte der kubischen Formen, denen er die Schwere nimmt, auf dem Podest leicht anhebt und irritierend scheinbar schweben lässt. Am Stein entwickelt er mit Hammer und Meißel auf der verletzlichen Oberfläche verzogene Formen, indem er Flächen dreht, krümmt und kippt, um dann die Bewegung im harten festen Stein erstarren zu lassen. Das Material mit einer jahrtausendealten kunsthistorischen Tradition ist immer noch aktuell und bereit für Kunst. Kraft und Anstrengung und viel Zeit sind fast anachronistische Faktoren, die Trimpin bei seiner Arbeit bewusst einsetzt, indem er immer wieder an ihnen arbeitet, umarbeitet, sogar nach Ausstellungen ihnen wieder neue Form gibt.

Hart und widerspenstig ist auch das Material von Heiner Thiel. Bevor seine Aluminiumplatten die gewünschte Form einnehmen, plant er die viereckigen verzogenen Kugelsegmente präzise im Computer. In mehreren Arbeitsschritten, bei denen sie auch monochrom farbig eloxiert werden, entstehen Tableaus, die in ihre konkaven Form unaufdringlich aber bestimmt in den Raum verweisen. Jeder Blickwinkel ist einmalig und neu in der Wahrnehmung der Form und der Farbe.

Luftig leicht, aber voluminös und klar sind die amorphen Papierobjeke von Sophie Casado. In Organischem - Pflanzen, Blüten und Samen - sieht sie Vorbilder für ihre Kunst und ist darin auf der Suche nach einer Urform. Je mehr Farbe sie wegnimmt, um so mehr lassen die weißen und durchscheinenden fragilen Hüllen Blicke frei in poetische Denkräume.

Den Silikonnetzen Ulli Böhmelmanns fehlt Farbe fast ganz. Auch der Materialwert ist auf wenig reduziert. Aus kleinen Einheiten entsteht ein leicht bewegliches Netzwerk. Geformt in Säulenform ähnlich den massiven Rundpfeilern in den Räumen des Kunstvereins geben sie eine transparente Antwort auf die schwere und funktionale architektonische Präsenz und stellen sie in Frage.






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Heiner Thiel: ohne Titel
Heiner Thiel: "ohne Titel", Aluminium eloxiert, 70 x 90 x 12 cm
Jens Trimpin
Jens Trimpin
Sophie Casado
Sophie Casado: "Pilze", Seidenpapier