Kunstverein Villa Streccius Landau / Villa Streccius Landau
"Vom Keller ans Licht. Aufbruch und Neuorientierung in der pfälzischen Kunst nach 1945"
Ein Gemeinschaftsprojekt des Kunstvereins Villa Streccius und der Stiftung Strieffler-Haus
05.09.08 bis 12.10.08
Adolf Doerner
Adolf Doerner: "Trifels" (ca. Mitte 1950er Jahre) Öl auf Karton, 59 x 49 cm

Wenn die Postmoderne im ganzen westlichen Kulturraum den spielerisch-destruktiven Umgang mit der Kunstgeschichte betreibt, so stellte sich die Situation ein halbes Jahrhundert früher, nach 1945, im vom Krieg zerstörten und durch den Nazi-Faschismus auch geistig verwüsteten Deutschland ganz anders dar. Die Lebenswelt der Künstler war stärker als je zuvor ein Kampf um Überleben, denn wer kauft Bilder, wenn die Wände zum Hängen zerschossen sind und man für Kartoffeln hamstern geht?

Das Kunstvereinsprojekt erscheint für Landau und die Pfalz von großer Bedeutung, nicht nur, weil der Saalbau in Neustadt wie die Landauer SÜWEGA Ausstellungshalle zu Orten der künstlerischen Wiedergeburt nach dem Krieg geworden waren, sondern weil bis heute die ersten zwei Jahrzehnte nach dem Krieg kunsthistorisch nur unvollständig aufgearbeitet sind und die damalige Nachkriegsgenerationen ausstirbt.

Ausgestellt werden über 160 Werke aus der Zeit von 1945 bis ca. 1960 von 102 KünstlerInnen, welche damals in der Pfalz lebten oder zumindest bei Ausstellungen vertreten waren.

Vielfach wurde diese Phase nach 1945 mit "Stunde Null" bezeichnet, doch war die Realität komplexer, denn Tradition und Neuanfang durchdrangen und überlagerte sich. Ab 1933 waren die Künstler und ihre Vereinigungen "gleichgeschaltet", also auf braune Parteilinie gebracht worden. Nun schien man am Tor zur großen Freiheit zu stehen. Die Bewältigung der Schrecken der Diktatur und der Kriegsjahre, die Suche nach einem neuen Menschenbild wie nach Formen der Abstraktion stießen kritisch auf gegenständliche Werkstile und die Renaissance expressiver Formen der 1920er Jahre; neue Künstlergemeinschaften forderten nach Jahren der Gleichschaltung und nationalsozialistischer Barbarei von jedem Künstler eine eigenständige Position.

Binnen weniger Jahre war man durch das Tempo des deutschen Wiederaufbaus im allseits bestaunten "Wirtschaftswunderland" angekommen, waren Konsum und kapitalistische Produktion in "Westdeutschland" Lebensbedingung geworden. Für jeden Künstler bedeutete dies eine persönliche Orientierung, denn hier musste er sich hinsichtlich seines aktuellen künstlerischen Stils und Weltbildes entscheiden - sei er nun aus den impressionistisch oder expressionistisch geprägten deutschen Epochen vor 1933 hervorgegangen oder aus der "modernen", zumeist abstrakten Kunstszene der "Siegermächte". Nicht ohne Grund hatte der Kunstkritiker Hans Sedlmayr die Moderne als tragischen Verfall der Gesellschaft, als "Verlust der Mitte", gesehen. Diesem Phänomen musste man sich stellen, bejahend oder ablehnend, bewusst oder unbewusst.

Neue und wiederbegründete Künstlervereinigungen wie etwa die "Pfälzische Sezession", "Die neue pfälzische Gruppe", die "Pfälzer Künstlergenossenschaft", die "Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Kunst (apk)", aber auch Einzelgänger und Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten schufen damals ein breites künstlerisches wie weltanschauliches Spektrum. Streitthemen gab es viele: Abstraktion gegen gegenständliche Kunst, Neues Menschenbild zwischen Kapitalismus und Sozialismus, West- gegen Ostblock, Industrieeuphorie gegen ländliches Arkadien, und vor allem: wer bekommt die Aufträge beim Wiederaufbau?
Manche Vertreter jener Jahre wie Charles Maria Kiesel, Otto Ditscher, Hermann Croissant, Adolf Kessler, Otto Dill, Rolf Müller-Landau u. a. zählen noch heute zu den bekannten Namen, doch die meisten sind nur noch Spezialisten bekannt - ein Verlust an historischer Identität und künstlerischer Breite, der das Projekt entgegen wirken möchte.

Erstmals planen der Landauer Kunstverein Villa Streccius und die Stiftung Strieffler-Haus in Landau eine Ausstellung als Gemeinschaftsproduktion, mit parallelen Öffnungszeiten und Kombikarten in beiden Ausstellungshäusern.


Aktueller Katalog zur Ausstellung

Heinz Setzer und Clemens Jöckle (Hrsg.): Vom Keller ans Licht. Aufbruch und Neuorientierung in der pfälzischen Kunst nach 1945. Ausstellungskatalog, Kunstverein Villa Streccius und Strieffler-Haus, Museum & Galerie. Landau 2008, 144 S., ISBN 973-3-00-025523-6.
Preis in der Ausstellung: 12 EUR


Begleitprogramm

Donnerstag | 11.09.08 | 20.00 Uhr | Villa Streccius
Clemens Jöckle: "So viel Anfang war nie. Künstlergruppen in der Pfalz nach 1945"
Vortrag | Eintritt: 8 EUR Erwachsene, 6 EUR Mitglieder Kunstverein, Förderkreis Strieffler-Haus, Studierende, Schüler, Auszubildende

Sonntag | 14.09.08 | 15.00 Uhr | Strieffler-Haus
Führung mit dem Kunsthistoriker Clemens Jöckle

Sonntag | 21.09.08 und 28.09.08 | 15.00 Uhr | Villa Streccius
Führung mit dem Kunsthistoriker Clemens Jöckle

Sonntag | 12.10.08 | 11.00 Uhr und 14.00 Uhr
Landauer Matinee in der Villa Streccius: "Digitalisierte Stereobilder - eine visuelle Zeitmaschine"
Der Karlsruher Künstler und Fernsehjournalist Nikolai Vialkowitsch verwandelt historische 3D-Bilder ("Stereoskopien") in poetische dreidimensionale Videoprojektionen. Eine vergessene fotografische Technik des neunzehnten Jahrhunderts, sichtbar gemacht mit den Mitteln des einundzwanzigsten. (Parallax Raumprojektion, Karlsruhe in Zusammenarbeit mit Martin Berger Computertechnik, Landau.)
Eintritt: 8 EUR Erwachsene, 6 EUR Mitglieder Kunstverein / Förderkreis Strieffler-Haus, 4 EUR Schüler/Studierende

Sonntag | 12.10.08 | 15.00 Uhr
Finissage der Ausstellung
Vortrag mit Dr. Berthold Roland, ehemals Kunstreferent des Kultusministeriums Rheinland-Pfalz, Direktor des Landesmuseums Mainz und von Schloss Villa Ludwigshöhe: "Wie war das 1945?"
Der 1928 in Landau geborene Kunsthistoriker ist einer der am besten informierten Zeitzeugen der Kunstszene der Nachkriegszeit. Er berichtet von seinen Erlebnissen und Erinnerungen an die turbulenten Jahre des künstlerischen Neuanfangs.


Ausstellungsorte:
Städtische Galerie Villa Streccius
Südring 20
76829 Landau

Strieffler-Haus, Museum und Galerie
Löhlstraße 3
76829 Landau
Tel: 0 63 41 / 86 204

Eintritt nur mit Kombikarte für einmaligen Besuch beider Häuser in der Ausstellungszeit:
4 EUR Erwachsene
1,50 EUR Mitglieder Kunstverein und Strieffler-Haus, Studierende, Schüler, Auszubildende

Weg von der Villa Streccius zum Strieffler-Haus:
Südring links durch den ganzen Westring bis zum Nordring, dann links abbiegen in die Eichbornstraße, erneut links in die Löhlstraße, Nr. 3 liegt gegenüber Stadion und Schwimmbad.


Leihgeber:
- Landesmuseum Mainz
- Keramiksammlung Hinder-Reimers auf Schloss Villa Ludwigshöhe Edenkoben
- Pfalzgalerie und Theodor-Zink-Museum in Kaiserslautern
- Städtische Galerien in: Bad Bergzabern, Dahn, Landau, Ludwigshafen, Speyer, St. Ingbert
- Galerie der Struktur- und Genehmigungsdirektion Neustadt an der Weinstraße
- Gedächtnisstätte Martha Saalfeld/Werner vom Scheidt Bad Bergzabern
- Kreisverwaltung, Galerie Lauth und Galerie Kleinhenz in Ludwigshafen
- Galerie Antik-Klotz in Landau sowie private Sammler.

Sponsoren:
- Kultursommer Rheinland-Pfalz
- Bezirksverband Pfalz
- Karl-Fix-Stiftung
- Martin Berger Computertechnik Landau
- Parallax Raumprojektion Karlsruhe



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Adolf Doerner
Adolf Doerner: "Trifels" (ca. Mitte 1950er Jahre) Öl auf Karton, 59 x 49 cm
Edvard Frank
Edvard Frank: "Ikarius" (1950) Foto: A. Diehl
Rolf Müller-Landau
Rolf Müller-Landau: "Die Kartenschlägerin" (1950) Öl auf Leinwand (Ausschnitt), Landesmuseum Mainz