Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
Astrid Lincke-Zukunft: "Blickwechsel-Wechselblick"
Plastik
05.06.09 bis 05.07.09
Astrid Lincke-Zukunft
Astrid Lincke-Zukunft

Vernissage am 05.06.009 um 18.00 Uhr
Begrüßung: Franz Dudenhöffer, Vorsitzender
Einführung: Prof. Dr. Herbert Dellwing
Die Künstlerin ist anwesend.

Astrid Lincke-Zukunft wurde 1942 in Offenbach/Main geboren, wo sie 1960 bis 1965 an der Werkkunstschule, heute Hochschule für Gestaltung, studierte. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt/Main.

Die Künstlerin hat sich schon lange von der geschlossenen Plastik verabschiedet. Ihre "Stabplastiken" sind Raumobjekte aus Holz- oder Metallstäben, transparente, allseitig offene und bewegte räumlich-lineare Formgebilde. Die Materialwahl entspricht dem Bemühen, den Raum nicht durch Volumen zu verdrängen, sondern durch ein Liniengerüst seine komplexen Strukturen und Verwandlungen erlebbar zu machen. Durch den Schattenwurf erhalten ihre Plastiken eine zusätzliche räumliche Dimension, wobei Realraum und Bildraum zusammenwirken. Mit jedem Schritt des Betrachters kommt es zu Perspektivverschiebungen, die neue optische Formverbindungen ergeben.

Die Plastiken von Astrid Lincke-Zukunft sind Inszenierungen des Sehens. Sie spielen mit optischen Irritationen, die der Betrachter durch seine wechselnden Standpunkte und Blickwinkel selber erzeugt, auch mit der Verwirrung, die die scheinbar vertraute Ordnung in Frage stellt.

[www.lincke-zukunft.com]


Führungsblatt zur Ausstellung von Herbert Dellwing

Astrid Lincke-Zukunft hat sich von ihren frühen Zeichnungen bis zu ihren heutigen Stabplastiken, die man aufgrund ihrer linearen Struktur auch als Zeichnungen im Raum ansprechen könnte, mit dem Thema der Verwandlung beschäftigt, das sich wie ein roter Faden durch ihr Werk zieht.

Ihre hier gezeigten Stabplastiken sind "entmaterialisierte" Raumobjekte aus dünnen Holz- oder Metallstäben, allseitig offene und bewegte räumlich-lineare Formgebilde von schwebender Leichtigkeit. Sie basieren nicht auf einem konstruktiven Denken. Es gibt zu den Arbeiten weder Entwürfe noch Berechnungen. Die Künstlerin handhabt ihre Materialien und Formen intuitiv, der Entstehungsprozess der Arbeiten verläuft also nicht analytisch, sondern imaginativ.

Der Raum in ihren aus richtungsgebenden Elementen konstituierten Plastiken ist kein Ort, sondern Bewegungsmotiv und Ausdruck der ständigen Verwandlung von Ich und Welt. Ihre Plastiken haben keinen Mittelpunkt, sind für alle Perspektiven offen und unterlaufen auch durch ihre ungewöhnliche Platzierung vor der Wand den Schematismus des alltäglichen Sehens. Mit jedem Schritt des Betrachters kommt es zu Perspektivverschiebungen, die neue optische Formverbindungen und Raumeindrücke generieren. An die Stelle eines punktuellen Sehens tritt ein aktives und bewegtes Sehen, dessen Ablauf der Betrachter selbst bestimmt. Dabei macht er die Erfahrung, dass er mit dem Sehen nie an ein Ende kommt. Durch den Schattenwurf erhalten die Plastiken eine zusätzliche räumliche Dimension; als fließendes Element deutet der Schatten aber auch auf das Vergängliche hin und auf das Metaphysische jenseits von Material und Form. Der Verzicht auf Volumen und Figur und die Thematisierung von Raum und Zeit verweisen auf Transitorisches und Transzendentes.

Die Werke von Astrid Lincke-Zukunft widersetzen sich der logischen Erklärung. Die paradoxen Konstruktionen verunsichern den Blick und halten ihn in Bewegung. Die gegenläufigen Linien und Überschneidungen schaffen labyrinthisch verwinkelte Raumzusammenhänge ohne Anfang und Ende, die Assoziationen an kafkasche Räume wecken.

Astrid Lincke-Zukunfts Plastiken spielen mit optischen Irritationen, die der Betrachter durch seine wechselnden Standpunkte und Blickwinkel selber erzeugt, auch mit der Verwirrung, die die scheinbar vertraute Ordnung in Frage stellt. Im paradoxen Verhältnis von Klarheit und Komplexität ist das Widersprüchliche menschlicher Existenz enthalten. Die Werke von Astrid Lincke-Zukunft sind gleichsam Metaphern menschlicher Erfahrung. Sie können als ein Instrument der Zeitdiagnose inmitten des beschleunigten Komplexitätswachstums der ruhelosen Moderne angesehen werden. Mit ihrem künstlerischen Schaffen stellt sich Astrid Lincke-Zukunft der zeitgenössischen Kunst, die die Beteiligung des Betrachters nicht nur einfordert, sondern auch praktiziert.




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