Kunstverein Germersheim / Zeughaus Germersheim
BKK Bonn, Rhein-Sieg e.V.: "dazwischen"
KünstlerInnen des Bundes Bildender Künstler Bonn zu Gast in Germersheim
26.04.08 bis 18.05.08
Gisela Mack
Gisela Mack: "Flut"

Mit Irina Enss, Viola Kramer, Jürgen Enss, Rose Kretschmar, Sabine Fernkorn, Heidi H. Kuhn, Danuta Franzen, Almuth Leib, Christine Haller, Gisela Mack, Cornelia Harss, Jiri Necas, Doris Kamlage, Guido Schneider, Manuele Klein, Bruno Wioska und Stefan Zajonz.


Einführung von Marita Mattheck

Kein Zweifel: die Räume des Kunstvereins Germersheim glänzen. Der Bundesverband Bildender Künstler aus Bonn ist mit 17 Künstlerinnen und Künstlern angereist. Man hat den Arbeitstitel "dazwischen" gewählt. Der ursprünglichen Wortbedeutung "zusammenhängen" kommt der physische Zusammenhang am nächsten: s. Kohäsion (Physik: Zusammenhalt der Moleküle eines Körpers), Körperteile, Kreisläufe usw. Im Bereich "dazwischen" liegen aber auch emotionale Zusammenhänge, Prägungen oder Reaktionen, Sinneseindrücke, Gefühle oder Erinnerungen. Die Philosophie bezeichnet dieses Phänomen Korrespondenztheorie der Wahrheit: Zusammenhänge zwischen Gegenständen, Eigenschaften und Prozessen. "dazwischen" definiert sich eben auch als offene Plattform und Ideenpool.

So liegt ein vielseitiges Angebot an Sichtweisen und Bedeutungsschichten vor ihnen oder dazwischen, nämlich in ganz unterschiedlichen Techniken, wie Malerei, Grafik, Fotografie, Skulpturen, Installationen, die sie lustvoll und anregend betrachten und umschreiten können. Begeben Sie sich mit mir auf den Bonner Parcours in Germersheim.

Konstruktivistische Malereien, die an Bilder von Kasimir Malewitsch oder Wassily Kandinsky erinnern, sind von Irina Enss und durch gewölbte Glasscheiben verzerrte Fotografien von Jürgen Enss. Zitiert wird Velasquez. Sie werden sich sicher an den kleinen Prinzen Balthasar Carlos hoch zu Ross (1635) erinnern. Nun wird in seiner Foto-Hommage die frühere, eindringliche Präsenz zerstört und in Frage gestellt. Die Installation "Corrida" von Irina und Jürgen Enss aufgebaut, zeigt eine Stierkampfarena und in der Mitte befindet sich eine Tischdekoration. Keine Angst, das rote Fleisch ist nicht echt. Es sind Gedanken, die zwischen Schaschlikspießen, Stierhörnern und dem Besteck liegen - vom Stierkampf bis zum Fleisch: Essen.

Viel ruhiger geht es bei Sabine Fernkorn zu. Die dreiteiligen untereinander gehängten Acrylmalereien verteilen sich an den Wänden im vorderen Teil des Mittelganges. Sichtbare Farbspuren zeigen Atmosphärisches und bewegen sich in waagerechter oder senkrechter Richtung. Somit können die Bildtafeln sehr gut in einen Dialog mit den anderen Arbeiten treten.

Auch Danuta Franzen setzt die Farbgebung nicht grell oder schrill ein. Durch einen unruhigen Zeichenduktus typisiert sie frei erfundene Menschen, die dicht gedrängt stehen, sich leicht bewegen, nach unten schauen. Auch verströmen sie den Eindruck, dass sie keine Zeit haben, zur Uni oder zur Arbeit eilen. Unterstützt wird er auch noch durch die in blassen Farben eingelassenen Uhren.
Zitat: "Ein zusätzlicher Effekt, den ich mir in der Ausstellung verspreche, wäre, dass bei der Anordnung der Betrachter sich zwischen den hereinströmenden Menschen ("Fußgängerzone") und der wegeilenden Menschenmenge ("Bahnsteig") befinden würde. Er wäre in das Bildgeschehen hineingezogen, in eine "dazwischen"-Position."

Christine Hallers Zeichnungen sind mit Graphit und Ölfarbe auf der Rückseite des Zeichenpapiers gezeichnet, gemalt oder geschnitten. Spuren werden auf der Vorderseite somit sichtbar. Die bewusst gezeichneten Formen und Linien bleiben in der Schwebe und setzen sich durch diesen Zeichenvorgang einfach dazwischen und bilden immer eine harmonische Kreisform. Die 1,60 m große Holzskulptur, die die Künstlerin "Intime Briefe" betitelt, erinnert an einen vergrößerten Fruchtkörper. Bei genauerem Hinsehen entdecken wir einen senkrecht verlaufenden Spalt, der beschriebene Transparentzettelchen dazwischen versteckt und wir rätseln, welchen Inhalt sie tragen könnten.

Motive der Aquarelle von Cornelia Harss sind zwitterähnliche Fabelwesen oder Mitkreaturen, die zu Karikaturen durch Übertreibungen werden. Dahinter verbergen sich verwandelte Menschen aus der Politik (s. ehem. Bundeskanzler) oder, wie die Künstlerin sagt, sonstige Ungetüme, die oft auf einer romantischen Blumenwiese, im Märchenwald, reale Szenen des Alltags, wie als Tourist oder im Atelier, ihr Unwesen treiben.

Doris Kamlages Gedankentänzer (Kunststoff - wie korrodiertes Eisen -, Acryl, Eisenständer) sollen uns einfach nur täuschen. Zitat der Künstlerin: "Wie wirklich ist die Wirklichkeit entstanden? Glauben wir, was wir sehen - sehen wir, was wir glauben? Sind es eiserne Stäbe? Wie geht das technisch? Ist die Biegsamkeit von Starre nur Täuschung? Gibt es Antworten?" Sicherlich. Finden Sie es aber selbst heraus. Meinungsvielfalt ist erlaubt.

Unendlich viele Farbnuancen sind bei dem Wechselspiel von Licht und Schatten in den großformatigen Malereien von Manuele Klein zu entdecken. Unterstützt durch gerissene und in Form gezogene Gazebahnen, erinnernd an "Arte Povera", taucht man vielleicht auch ein in einen nächtlichen Wald, in dem wir sicherlich die Helligkeit suchen.

Konzept und Realisation des Videos stammt u.a. von Viola Kramer. In weiß verkleidete Menschen sind auf der Suche. Kriechend bewegen sie sich fort, verharren stumm, auch sicherlich beim Anblick der toten Fische. Die Künstlerin engagiert sich im Um- weltschutz.

Rose Kretzschmar liebt das kleine Format. Streifenbilder, die aus vielen sehr schmalen Fotostreifen von Verpackungsmaterialien akribisch zusammengesetzt sind, überlagern sich, stellen sich ganz nebeneinander oder halten Abstand zueinander, sodass neue Sinnzusammenhänge entstehen.

Ganz farbintensiv in roten, blauen, gelben und grünen Farbtönen fesseln gleich im 1. Gewölbe die Bilder von Heidi Kuhn. Zitat: "Mein Thema ist seit Jahren die Wasserknappheit und die Verschmutzung in den meisten Ländern der Welt. Ich verfolge die Problematik des Staudammbaues und die Ankäufe von Quellen in heißen Ländern durch große Konzerne. Wir Menschen schränken den Lebensraum unserer Mitlebewesen immer stärker ein. Der Fisch ist ein an seine Umwelt fantastisch angepasstes Geschöpf, ein sehr unterschiedliches Symbol in allen Kulturen. Zwischen Traum und Wirklichkeit bewegen sich meine Bilder. Wassernot, Fische auf dem Trocknen? Müssen alle Wesen neue Lebensformen in anderen Lebensräumen suchen?" - Auf den Bildern scheinen sich die Fische zwischen Kannen doch recht wohl zu fühlen.

Die im Eingangsbereich hängende Fahne entstand bei einer Forschungsstudie. Almuth Leib ging es um die Auseinandersetzung von Farben und Formen. Sehen wir Gesichter, ist es unser Gehirn? Vier amorphe Gebilde scheinen sich zu bewegen in drei vorgegebenen Kreisforen. Dieses Schauspiel können Sie in Ruhe am Schluss bei einem Glas Wein verfolgen.

Gisela Mack, sie beschäftigt sich auch mit sozialen und umweltkritischen Themen. 2005 entstanden die 26 Werke mit dem Titel "Flut", eine Bewusstmachung an die Ereignisse der Flutkatastrophe in Südostasien. In der Nahsicht werden ganz individuelle, ergreifende Geschehnisse auf kopierten Folien, die untermalt sind, einen schwarzen Rahmen besitzen, gezeigt.

Schwerpunkte von Jiri Necas sind seine Zeichnungen. Er zeigt hier den Zyklus "Linea iacta es". Individuelle Tuschespuren und parallele Bleistiftlinien auf Papier wechseln sich ab. Den Zeichnungen liegen imaginäre Stadtpläne zugrunde, die in einer Senkrechtaufnahme aus dem archäologischen Blickwinkel gestaltet zu sein scheinen.

In einer aufgelockerten Hängung steckt Guido Schneider Bilder in unterschiedlich große und farbige Rahmen (Zitat: "Ich liebe alte Rahmen"). Er hat eine eigenwillige Kunstfigur entwickelt, der auf dem Kopf Rückenwirbel angewachsen sind. Man kann sicher zu verschiedenen Assoziationen kommen. Ich dachte zuerst an ein kleines Geweih. Die Figur bewegt sich als Bleistiftzeichnung oder als malerische Umsetzung vor einem mittelalterlichen Goldgrund oder Schachbrettmuster. Der Wechsel zwischen Mittelalter und Gegenwart wird gekonnt als Revitalisierung geistiger Werte umgesetzt.

Bruno Wioska malt. Anregungen für seine künstlerische Arbeit sucht er bei Dantes "Göttlicher Komödie". Nicht einzelne Szenen möchte er illustrieren, sondern individuelle Eingebungen oder Gefühle inspirieren ihn zum Malen. Beatrice, die Beglückende, ihr nähert er sich auf empathischer Art und Weise.

Stefan Zajonz Fotografien sind mit der analogen Kamera entstanden. Auch das gibt es noch. Aber, wie der Künstler mir versicherte, wird sich dies jetzt doch ändern, denn ein Bild, mit einem braunen Hintergrund entstand mit der Digitalkamera. Schatten, immer wieder Schatten eines Menschen, beschäftigen den Künstler. Sein Blick konzentriert sich auf Wesentliches, auch als Fragment, bei Sonnenlicht von morgens bis abends. Die Kunst Schatten zu fotografieren, liegt vielleicht auch dazwischen, zwischen dem Fotografen, des Lebensschattens und der Abbildung als Ergebnis. Erinnert wird man auch an Rückenfiguren des Frühromantikers Caspar David Friedrich und an Schattenfiguren aus dem Theater.

Ungewöhnliches, Inszeniertes, Reales, Erdachtes - all das können sie jetzt nacherleben. Ich hoffe, dass Sie nicht nur dazwischen im wörtlichen Sinne auf die spannenden Arbeiten schauen, sondern auch darauf, dahinter oder hindurch und nicht nur eine Zwischennutzung der Räume ist gegeben, sondern unterschiedliche Räume können für diese Kunst bestehen.





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Gisela Mack
Gisela Mack: "Flut"
Danuta Franzen
Danuta Franzen: "Gleis" (Detail)
Rose Kretzschmar
Rose Kretzschmar
Cornelia Harss
Cornelia Harss
Jiri Necas
Jiri Necas