Verein Feuerbachhaus Speyer / Museum Geburtshaus Anselm Feuerbach
Christiane Maether: "Denk' ich an Hambach"
Zeichnung, Malerei, Skulptur
14.05.09 bis 28.06.09
Christiane Maether
Christiane Maether

Alte Lieder - Neue Gesänge

Das historische Gedankengut des Hambacher Festes von 1832 und seine bis heute nachwirkenden Kräfte werden als Symbol für Freiheitsliebe, Freiheitskampf und gemeinsamen Beginn der Demokratiebewegung gewürdigt. Die Geschehnisse, der Ort und die hinterbliebenen Spuren verweisen im Einzelschicksal wie in den politischen und gesellschaftlichen Folgen auf Menschliches. Restleuchten. Auf dieser Fährte sammele ich Erinnerungsscherben: Ein "Heine-Gefühl", Straßenschilder, historische Brieffragmente. Mutimediale Festveranstaltungen im Rittersaal. Cateringservice, Rockkonzerte und Motorradhochzeiten. Wehmütig klingende Liedertexte, neu aufgelegt zum forschen Mitsingen des Refrains. Im Echo des Windes das Flattern von Fahnen, europäisch bunt. Hinauf, hinauf zum Schloss! Schöne Aussicht auf dem Schlossberg - in seinen Mauern vermooste Tränen.
Christiane Maether 2009


Einführung von Prof. Dr. Christoph Zuschlag

"Denk ich an Deutschland in der Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht." So lauten die häufig zitierten ersten Zeilen des Gedichtes "Nachtgedanken" von Heinrich Heine, das er 1843 im Pariser Exil verfasste. Freilich waren es weniger die politischen Zustände in Deutschland, die dem Dichter den Schlaf raubten, als vielmehr die Sorge um seine dort allein lebende hochbetagte Mutter. Bei aller Trauer und Sehnsucht, die aus dem Gedicht spricht, endet es doch versöhnlich. Die letzte Strophe lautet: "Gottlob, durch meine Fenster bricht / Französisch heitres Tageslicht; / Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen, / Und lächelt fort die deutschen Sorgen."

"Denk' ich an Hambach", hat Christiane Maether die Ausstellung ihrer Zeichnungen, Bilder und Plastiken hier im Feuerbach-Haus betitelt, und in der Tat bildet die Beschäftigung mit dem Hambacher Fest vom Mai 1832 seit Jahren so etwas wie das Gravitätszentrum von Maethers Kunst. Das ist kein Zufall, lebt die Künstlerin doch seit 1973 im Ortsteil Hambach der südpfälzischen Stadt Neustadt an der Weinstraße, gewissermaßen am Fuße des Hambacher Schlossberges. Die Beschäftigung mit dem Hambacher Fest, das als Symbol der Demokratiebewegung in Deutschland im kollektiven Gedächtnis verankert ist, setzt die Künstlerin auf eine Fährte, auf der sie, wie sie schreibt, "Erinnerungsscherben" sammelt. Was geschah und geschieht "oben im Schloss" und "unten im Dorf"? Allemal Menschliches, möchte man meinen, und tatsächlich geht es in der Kunst von Christiane Maether um das, was das Leben ausmacht, das Besondere wie auch das Alltägliche.

In Berlin geboren, studierte Christiane Maether an der dortigen Hochschule für bildende Künste Malerei. Von 1982 bis 2006 hatte sie eine Professur für Malerei an der Fachhochschule Aachen inne. Von den diversen Preisen und Auszeichnungen, mit denen die Künstlerin geehrt wurde, seien hier nur der Villa Romana Preis, der Hans-Purrmann-Preis der Stadt Speyer und der Pfalzpreis für Malerei des Bezirkverbandes Pfalz genannt.

Im Zentrum von Maethers Kunst, die auf der intensiven Beschäftigung mit der Kunst- und Kulturgeschichte ebenso gründet wie auf persönlichen Erlebnissen und visuellen Erfahrungen, steht seit Mitte der 1980er-Jahre das Menschenbild, insbesondere die weibliche Figur.

Zu Beginn ihres künstlerischen Werks widmete sich Christiane Maether ausschließlich der Zeichnung, und deswegen beginne ich meine Charakterisierung der ausgestellten Werke auch mit den Zeichnungen. Seit jeher übt die Zeichnung auf Künstler, Sammler und Kunsthistoriker eine besondere Faszination aus, weil sich in ihr die künstlerische Handschrift am unmittelbarsten äußert, weil sie das differenzierteste, spontanste, persönlichste und intimste Dokument künstlerischen Schaffens ist. So schrieb der Kunsthistoriker Max Jakob Friedländer einmal (Zitat): "Nichts ist dem strebsamen Bilderkenner wärmer zu empfehlen und ans Herz zu legen als eifriges Studium der Zeichnungen. Wer sich von den Gemälden eines Meisters zu den Zeichnungen wendet, dem scheint sich ein Vorhang zu heben, und er dringt in das innere Heiligtum". Die Zeichnungen Maethers sind autonome, vollgültige Werke, nicht Vorarbeiten oder Vorstudien für Leinwand-Bilder.

Ausgestellt sind vier großformatige Zeichnungen auf weißem Papier und fünf kleinformatige Zeichnungen auf ockerfarbenem Papier aus den Jahren 1991 bis 2000. Darüber hinaus sehen Sie sechs erst jüngst entstandene Studienblätter, deren Bildfeld die Form eines Fächers hat. Sämtliche Papiere hat die Künstlerin aus Italien mitgenommen. Sie zeichnet darauf in unterscheidlichen Techniken, mit Pastellkreide und Sepia ebenso wie etwa mit Gouache und Acryl (Mischtechniken). Die großformatigen Zeichnungen sind bildmäßig aufgefaßt und ausgearbeitet. So zum Beispiel das Blatt "Personifikation" aus dem Jahr 1991, in Kreide und Aquarell gearbeitet. Es zeigt eine schräg in die Bildfläche gesetzte, monumentale Frauengestalt, die am Kopf und an den Beinen vom Bildrand überschnitten wird. In den stark vergrößerten Händen hält sie ein Architekturmodell, so dass man an die Hl. Barbara mit ihrem Attribut, dem Turm, denken könnte. Die hermetische Blockhaftigkeit der Figuren, die Maethers frühere Werke auszeichnete, ist hier einer dynamisierten Komposition gewichen. Diese Tendenz verstärkt sich von nun an stetig, wie etwa das Blatt "Melancholia" belegt. In den kleinformatigen Zeichnungen sind es bis zu vier Figuren, die in heftig bewegten Kompositionen durch die Bildwelten trudeln, von heftigen Schwingkräften erfasst sind oder sich im "Freien Fall" befinden.

Das Motiv der schwingenden Gestalt begegnet uns seit 1991 nicht nur in Christiane Maethers Zeichnungen, sondern auch in den Bildern und Plastiken. Es geht zurück auf eine Art visuelles Schlüsselerlebnis. Vom Fenster ihres Hauses beobachtete die Künstlerin das bunte, heitere Treiben auf der Hambacher Jakobus-Kerwe. Besonders faszinierten Maether die auf dem Kettenkarussell durch die Luft fliegenden Kinder mit ihren wehenden Haaren. Sie nahm sich vor, diese Schwingung in ihre Kunst zu übertragen und setzt seither die Figuren diagonal ins Bild, gleichsam in die Schräge. Dadurch werden sie dem Boden entrückt, scheinen tatsächlich, engelsgleich, zu fliegen - ein uralter Menschheitstraum.

Die acht ausgestellten Bilder sind allesamt 2008 entstanden. Es sind extreme Querformate, wodurch sie wie Friese wirken, was durch die friesartige Hängung noch verstärkt wird. Vor meist schwarzen Bildgründen erscheinen einzeln oder auch als Paar auftretende, stark fragmentisierte, jugendliche Körper mit extrem vergrößerten, in den Vordergrund geschobenen Ärmen und Händen. Diese Vergrößerung der Extremitäten dient der Ausdruckssteigerung, die Hände scheinen nämlich zu winken, abzuwehren oder auch eine Umarmung anzukündigen. Es geht also offensichtlich um heftige menschliche Emotionen und Affekte. Die Titel künden vom Spektrum dieser Emotionen, da ist von "Freudenfeuer - Verzückung" die Rede, aber auch von "Klagelied".
Maether verwendet Ölfarben, die mit Wasser verdünnt werden können und schneller trocknen. Der pastose Farbauftrag verstärkt die monumentale Präsenz und Kraft der mächtigen Figuren. Die Bilder entstanden als Serie, und dieses Arbeiten in Serien ist typisch für die Künstlerin. In den Bildern wie auch in den Zeichnungen und Plastiken verarbeitet Maether die aufgesammelten "Erinnerungsscherben", die sie mit dem Hambacher Fest verbindet, also fröhliches und melancholisches, besinnliches und rauschhaftes, hoffnungsvolles und verzweifeltes (Das Hambacher Fest ist ja schließlich gescheitert, die Hoffnung auf deutsche Einheit, Freiheit und Demokratie erfüllte sich damals nicht).

Abschließend noch ein Wort zu den Plastiken. Seit 1991 schafft Maether neben Zeichnungen und Gemälden auch Plastiken. Sie sind in Ton modelliert und dann in Bronze gegossen - zunächst nur im kleinen Format, seit einigen Jahren aber auch im Großformat. Wenn man sich ganz frühe Zeichnungen der Künstlerin ansieht, so stellt man allerdings fest, dass sie bereits Ideen für Plastiken enthalten, der Raum der Figuren schon mitgedacht wurde. In der Ausstellung finden Sie eine Vitrine mit sechs kleinen plastischen Fragmenten sowie zwei mittelgroße Plastiken. Diese entstanden im Umfeld einer großen Plastik mit dem Titel "Hambacher Vorbotin". 2007, anlässlich des 175. Jahrestages des Hambacher Festes, schuf Maether die Figur des schwebend-schwingenden Genius als "Erinnerungszeichen und zugleich Sehnsuchtssymbol der Liebe zur Freiheit", wie sie schrieb. Die "Hambacher Vorbotin" stand 2007 einige Monate auf dem Schlossberg des Hambacher Schlosses und hat nun in Neustadt vor der Festhalle ihren endgültigen Aufstellungsort gefunden. Außer diesem vergoldeten Exemplar der Plastik gibt es noch ein grün patiniertes Exemplar vor dem Oberlandesgericht in Zweibrücken.

Das Hambacher Fest ist das übergeordnete Thema dieser Ausstellung. Das Fest, seine Vorgeschichte und Nachwirkungen, seine individuellen wie auch kollektiven Schicksale spiegeln für Christiane Maether, Zitat, "Menschliches - Glanz, Elend, Leiderfahrung der Seele, Aufbruch, Scheitern, Tragik, Hoffnung und Erfüllung". Das war ganz gewiss 1832 aktuell, und es ist 2009 nicht minder aktuell.




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