Gottfried Bräunling: "Zeitspiegel"
Malerei, Skulptur, Objekte
21.06.11 bis 19.07.11
Gottfried Bräunling
Die Galerie in der TU Kaiserslautern, eine Kooperation des Studium Integrale Zentrums und der Universitätsbibliothek, präsentiert Werke des renommierten, 1947 in Radebeul-Dresden geborenen Künstlers Gottfried Bräunling.
Nach dem Studium an der HfBK Dresden (Grafik und Malerei) erfolgte rasch die Kontaktaufnahme zu den Malern E. von der Erde, A.R. Penck und Wolfgang Opitz bis er 1987 nach West-Berlin übersiedelte. Hier gründete er mit Jannis Ritsos, Asteris und Ina Kutulas, A.R. Penck, Mikis Theodorakis, Odisseas Elytis, Giorgos Seferis die Edition G.B., Bibliophile Künstlerbücher. Schließlich erwarb der vielseitige Künstler 1990 ein Gehöft in der Pfalz und und begann mit dem Aufbau eines Druckateliers. Es folgten gemeinsame Ausstellungsprojekte mit Matthias Hohl-Stein-Zagon. Seit dieser Zeit ist er Dozent an der Sommerakademie CEPA in Luxemburg. und ab 2010 mit eigenem Atelier im chinesischen Zhongshan präsent. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland dokumentieren seinen Erfolg.
Einführung von Dr. Claudia Gross
"Kunst ist das, was Welt wird, nicht was Welt ist." An dieses Zitat von Karl Kraus hat mich mein Besuch bei Gottfried Bräunling vor einigen Wochen erinnert. In seinem facettenreichen Kosmos kann man neben den zweidimensionalen Techniken wie Zeichnung, Siebdruck, Radierung und Malerei drei-dimensionale Werke aus Holz, Bronze und Eisen finden. Auf die Frage, welches sein bevorzugtes Medium sei, antwortet er: "Die Materialien schlagen sich selbst vor" - will sagen je nachdem, was man ausdrücken möchte, wählt man nicht nur Farbe sondern auch Technik und Material. Deshalb endet sein Erfindungsreichtum auch nicht mit Leinwand oder Radiernadel, sondern wächst hinüber in die kunsthandwerklichen Gefilde: es entstehen Stühle und Tische aus Metall, sowie Schüsseln aus Glas und Porzellan.
Besonders wichtig ist dem Künstler die Bebilderung zahlreicher Bücher, von Kinderbüchern für die eigenen Kinder zu Gedichtbänden von Jannis Ritsos oder Giorgos Seferis. Die Möbelunikate und die Herausgabe der bibliophilen Bücher in der Edition G.B. gehören zu dem Neubeginn, den Gottfried Bräunling ab 1987 leisten musste, nachdem er gezwungen worden war, die DDR zu verlassen. Im Westen trifft er seinen Künstlerkollegen und Freund A.R. Penck wieder und lebt eine Weile in dessen Künstlergemeinschaft in Heimbach in der Eifel. Ab etwa 1990 wird die Pfalz sein neues Zuhause. Ein alter Bauernhof in Hohenöllen vereinigt Wohnhaus, Atelier und Werkstätten: an einem Arbeitsplatz entstehen seine Druckgrafiken, an einem anderen Stahlschnitte. Seine Werke bevölkern das eigene Areal und sind darüber hinaus auf verschiedenen Plätze im Dorf zu finden. Aber nicht nur seine Skulpturen sondern auch eines seiner Kunstprojekte bereichern sein Wahlheimatdorf: Alle zwei Jahre findet dort nämlich die Festivität "Kunst im Dorf" statt.
Nach einer Lehre als Schriften- und Plakatmaler hat Gottfried Bräunling an der Hochschule für bildende Künste in Dresden von 1968 bis 1974 Malerei und Grafik studiert und wirkt direkt nach dem Abschluss freischaffend. Bis er dem Regime ins Gehege gerät, das ihn mit einem zehn-jährigen Ausstellungsverbot belegt. Der Beginn der Auseinandersetzung mit Bildhauerei fällt in die Zeit nach seiner Übersiedlung nach West-Berlin Ende der 1980er Jahre.
Etwa zehn Jahre später entstehen die ersten Eisenskulpturen, denen im Jahr darauf die Stahlschnitt-Skulpturen folgen. Die Schnitt-Skulpturen haben mit Rundplastik und Relief gemein, dass sie den sie umgebenden Raum definieren, aber sie bleiben flächig, sind auf Höhe und Breite reduziert. Nehmen sie eine weitere Dimension hinzu, geschieht dies ebenfalls durch Flächen: so spreizen sich die flächigen Flügel eines Engels fast im rechten Winkel von seinem ebenfalls flächigen Restkörper ab. Und auch seine kugelförmigen Skulpturen sind hohl, gestaltete Oberfläche. Ähnlich wie bei den Strichmenschen seines Freundes Penck zieht sich Gottfried Bräunling mit seinen Wesen auf die Zeichenhaftigkeit zurück. Männer, Frauen, Engel und andere Wesen sind stark abstrahiert. Die Figuren scheinen sich aus der neo-expressiven Malerei emanzipiert zu haben, sie haben sozusagen als Skulpturen ein Eigenleben gefordert.
War die Malerei von Gottfried Bräunling vor seiner Umsiedlung in die Bundesrepublik grau und düster, so kehrt die Farbe nach und nach in sein Werk zurück. So wie er Material und Technik wählt, wählt er auch die Ausdrucksweise. Er will keine Illusion, keine realistische Darstellung der Welt, die Bilder sollen direkt sein in ihrem Ausdruck, sollen direkt ansprechen, laut sein. Sie sollen die Gefühle, Wünsche und Begierden des Menschen darstellen, nicht ein detail genaues Abbild seiner äußeren Erscheinung abgeben. Aber sie zeigen ebenso die innere Beteiligung des Künstlers, der sich mit den menschlichen und gesellschaftlichen Problematiken auseinandersetzt. Für seine Malerei bedient sich Gottfried Bräunling der künstlerischen Mittel des Expressionismus, wie vereinfachter Formgebung und freier Farbwahl. Die simultanen Effekte, also dass man ein Gesicht zugleich im Profil und en face betrachtet, kommen aus dem Kubismus und der gestische Pinselduktus ist zentrales Moment des abstrakten Expressionismus.
Neben dem Menschen als Schwerpunkt im Werk erzählen die Bildinhalte Geschichten aus der christlichen und der griechisch-römischen Mythologie. Die Serie "Vielleicht der Tag" zum Beispiel gehört mit weiteren Gemälden, die hier nicht ausgestellt sind, zu einem Altarbild. Zu seinem 50. Geburtstag hat Gottfried Bräunling in Unkenbach den gesamten Innenraum einer Kirche gestaltet. Zu sehen waren außer dem Altarbild, seine Entwürfe für die Kirchenfenstergestaltung. Er hat aber damals nicht nur den Kirchenraum umgestaltet, sondern in die Kirchengemeinde insofern eingegriffen, als dass er kleine Stachelwesen die Plätze der Gemeindemitglieder auf den Kirchenbänken einnehmen ließ. Die Auseinandersetzung mit Kunst aber auch mit dem Nächsten war dem Künstler damit gelungen.
Für das Altarbild wählt Gottfried Bräunling die Darstellung des Jüngsten Gerichts, also jenes letzte Gericht, das das Ende der Weltzeit einläutet. Christus richtet dann die ganze Menschheit nach ihren Taten und scheidet sie in Gut und Böse, in Gerechte und Ungerechte, in jene, die ins Paradies, und jene, die in die Hölle eingehen. Von links nach rechts gelesen, sind die Hölle, das Gericht und die Erlösung dargestellt, mit dem Menschen im Mittelpunkt, seine Erlösung oder Verdammnis.
In der Bildhauerei hält in einem nächsten Entwicklungsschritt die Farbe Einzug. Durch den intensiven gelben oder blauen Grundton der Skulpturen springen die Binnenschnitte erst richtig ins Auge, leiten den Blick auch auf den dahinter liegende Raum. Die weggeschnittene Fläche füllt sich im für die Skulpturenbetrachtung typischen Umwandeln des Werkes mit immer anderen Hintergründen, aber wie sinnvoll bleibt das Umwandeln, da die Flächigkeit der Werke unweigerlich zu der Betonung einer Schauseite führt. Von diesem Standpunkt werden die Schnitt-Skulpturen mit und ohne Farbschicht mit der dahinterliegendem Landschaft eins, wird die Kunst im Krauschen Sinne Welt.
Ebenso wie Gottfried Bräunling zu Arbeitsaufenthalte nach Irland, Zypern, Griechenland und Thailand gereist ist, hat er seine Bilder in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt: u.a. in Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Genf, Paris, Athen und New York. Im letzten Jahr waren seine Bilder im Museum of Art in Zhongshan in China zu sehen. Der Aufenthalt dort hat den Künstler so beeindruckt, dass er sich in Zhongshan ein weiteres Atelier eingerichtet hat. Man kann darauf gespannt sein, welche Facetten er seinem Werk durch die China-Aufenthalte hinzufügen wird.
Jetzt aber sind Sie erst einmal eingeladen, den von Gottfried Bräunling für Sie gehalten Zeitspiegel genauestens zu betrachten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.