Stadt Speyer / Museum Purrmann-Haus Speyer
Hans Purrmann (1880-1966)
"Zum 125. Geburtstag des Malers" von Dr. Adolf Leisen, Kustos des Purrmann-Hauses
10.04.05

Purrmann und seine Freunde

Am 10.04.1880 wurde Hans Marsilius Purrmann als ältester Sohn des Malermeisters Georg Purrmann und seiner Frau Elisabeth, geb. Schirmer, in der Greifengasse 14 in Speyer geboren. Niemand konnte ahnen, dass aus diesem kleinen Jungen einmal ein bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts werden sollte. Auch wenn der Vater nicht ohne künstlerische Ambitionen war, so lag der Gedanke an den Lebensweg eines Malers fern. In der Schulzeit war davon nichts zu bemerken. Aus heutiger Sicht können wir aber festhalten, dass der junge Hans Purrmann das Schicksal eines hochbegabten, aber behinderten Kindes zu erleiden hatte. Denn von Kind an litt er unter der Thomsenschen Krankheit, die sich zeitweise in Muskel- und Nervenlähmungen zeigte. Schmerzlich war es für den sensiblen Jungen, dass seine Klassenkameraden ihn deswegen ärgerten. Wenn er nach einem Niesanfall lange Zeit brauchte, bis er seine Augen wieder öffnen konnte, hieß es: "Du mit Deinen Schinesen-Augen!" Noch schlimmer war es, wenn er angerempelt wurde mit der 'Aufforderung': "Purrmann, mach den Schines!" dann erstarrte er und konnte erst durch ein freundliches Schütteln wieder zu normalen Bewegungen zurückfinden.

Für Hans Purrmann ist es charakteristisch, dass er schon als Schuljunge nicht bei einer Schuldsuche stehen blieb, sondern dass er sich seiner Stärken besann. Eine davon war die Fähigkeit, Freunde zu gewinnen und Freundschaften zu pflegen. Das schützte ihn vor den Rüpeln. Und Purrmann hat dies den Freunden seiner Jugendzeit bis ins hohe Alter gedankt. So haben wir zahlreiche Belege, dass er einzelnen von Ihnen finanziell geholfen hat, wenn sie in Not waren. In der Nachkriegszeit ging manches Paket aus Montagnola nach Speyer. Dem Sohn eines Freundes, der in Sibirien in russischer Kriegsgefangenschaft war, schickte er 1951 warme Unterwäsche über das Schweizer Rote Kreuz.
Als ihm seine Heimatstadt 1951 die Ehrenbürgerschaft verlieh, legte er Wert darauf, dass diese Freunde, soweit sie noch lebten, beim Festakt anwesend waren. Dieses Unternehmen fand aber keinen Gefallen bei den Speyerer Honoratioren, weil er, wie er mehrfach berichtete, mit seinen Freunden einzog, "als wolle der die Dreigroschenoper aufführen".

Die Erfahrung der Freundschaft prägte Purrmanns Leben. Wo auch immer er in seinem späteren Leben war, ob in München, Berlin, Paris, Florenz, Langenargen am Bodensee oder in Montagnola/Tessin, versammelte er Freunde um sich.
Da er nur einen Volksschulabschluss hatte, fehlte ihm eine gründliche Allgemeinbildung. Diese holte er im Gespräch mit seinen Freunden nach. (Wilhelm Wittmann, Abiturient am Gymnasium in Speyer, lieh und besprach mit ihm Bücher, etwa die antiken Sagen.) Vor allem wurde das Café du Dôme in Paris "seine Universität": dort wurden künstlerische Fragen diskutiert, etwa die "Notizen eines Malers" von Henri Matisse, ebenso wie kulturelle und politische Probleme der Zeit. Aus diesem Kreis seien genannt: Albert Weisgerber, Rudolf Levy und Jules Pascin.

In zwanziger Jahren traf er sich mit seinen Künstlerfreunden im "Romanischen Café". Es waren die Freunde der Pariser Zeit, besonders Rudolf Levy, Rudolf Grossmann, Walter Bondy, sowie Marg und Oskar Moll, herausragender Kopf dieses Kreises war der Kunsthistoriker Karl Scheffler.

Während seiner Zeit in Florenz (1935 bis 1943) versammelte er Künstler und Kunstverständige in der Villa Romana; darunter Monika Mann, Kasimir Edschmid, Werner Haftmann, Toni Stadler, Kurt Blumenthal, Gerhard Marcks, Rudolf Levy sowie Eduard Bargheer und Werner Gilles.
Bedeutend war auch der Freundeskreis, der sich ab 1947 in Montagnola oder später in Ischia traf. Hermann Hesse ist als erster zu nennen, dieser widmete Purrmann das große Gedicht "Alter Maler in der Werkstatt". Künstler aus dem Deutschen Künstlerbund tauchen auch auf: Ernst Schumacher, Thomas Niederreuther, Karl Hartung, Emy Roeder, Georg Meistermann, Werner Gilles, Hans Kuhn, Eduard Bargheer, um nur einige zu nennen. Es war eine der Akademien, wie sie sich um Purrmann immer wieder gebildet haben. Die Freunde gehören keineswegs einer Kunstrichtung an, wie die Namen belegen. Es wird heftig über Kunstfragen gestritten - Purrmann zugleich in der Rolle des Grandseigneurs wie der des wortgewandten Diskutanten. Alle finden sich am Ende beim "Festmahl" wieder; unwillkürlich fühlt man sich beim Lesen der Berichte über diese Treffen an die Akademie Platons erinnert.

Freundschaft wurde für Purrmann zum ethischen Prinzip. Wenn Freunde in Not waren, so half er ihnen nach Kräften, auch wenn er sich selbst in Gefahr begab. Die "Fluchthilfe" für Theodor Thomas Heine, dem Mitherausgeber des "Simplizissimus", sei als Beispiel angeführt. Heine hatte durch seine bissigen Artikel und Karikaturen schon früh den Zorn der Nazis auf sich gezogen; deshalb stand er nach 1933 auf der Liste der Gestapo. Er konnte von München nach Berlin fliehen; die Familie Purrmann versteckte ihn einige Wochen in ihrer Wohnung. Zufällig starb in dieser Zeit ein entfernter Verwandter Mathilde Vollmoeller-Purrmanns in Graz. Sie reiste dorthin und brachte dessen Reisepass mit. Purrmann präparierte diesen dann so, dass Th. Th. Heine damit in die Tschechoslowakei ausreisen konnte

Purrmann und Mathilde Vollmoeller

"Bis jetzt untersuchte man noch nicht, welchen Einfluss und Einwirkung die Gattin auf den Künstler auszuüben vermag. Eine Frau von der geistigen Regsamkeit und Menschlichkeit Mathilde Vollmoeller-Purrmanns verdiente dabei als besonders rühmliches Beispiel genannt zu werden". (Hausen, Edmund: Der Malers Hans Purrmann, Berlin 1950 S.38)

Obwohl wir seit 2001 Leben und Werk Mathilde Vollmoeller-Purrmanns durch eine Ausstellung im Kulturhof Speyer und den dazu gehörigen Katalog, sowie durch Ausstellungen in Langenargen und Ahlen/Westf. besser kennen gelernt haben, wissen wir immer noch zu wenig über ihren Einfluss auf Hans Purrmann und seine künstlerische Tätigkeit. Sie selbst hinterließ, lange Zeit unbekannt, ein beachtliches Oeuvre. Rund 360 Ölgemälde, Aquarelle und Grafiken haben mit ihrer großen Farbigkeit und harmonischen Komposition viele Menschen erfreut. Dass sie auch sprachlich über eine große Begabung verfügte, zeigen sowohl ihre Gedichte, wie auch die Übersetzung eines Briefromans aus dem Englischen. Ihre zahlreichen Briefe, etwa der Briefwechsel mit R.M. Rilke, zeugen von ihrer Verwurzelung und Bedeutung in der geistig-kulturellen Situation ihrer Zeit. Als Purrmann und Mathilde Vollmoeller sich kennen lernten, hatte sie sich in Paris durch die Teilnahme an Ausstellungen im Salon d'Automne und im Salon des Indépendants einen Namen gemacht. Auch gehörte sie dem Vorstand einer Vereinigung an, die sich um die Verständigung zwischen deutschen und französischen Künstlern bemühen sollte. Über 30 Jahre führten beide eine glückliche Ehe, die auf zwei Voraussetzungen beruhte: In einem Brief vom August 1911 an Purrmann schreibt sie: "Es ist mir klar geworden, dass ich doch nicht geeignet bin, ohne Familie zu leben, ohne mein bisheriges Leben tadeln zu wollen, das gewiss nötig war und mir nützlich gewesen ist... Lieber Purrmann, Sie sind frei, jeden Augenblick, jetzt und immer." Sie verzichtet bewusst, um der Familie willen, auf eine eigene künstlerische Tätigkeit. Und sie lässt Purrmann alle Freiheit, die er als Mensch und Künstler braucht. Nach ihrer Hochzeit "nahm sie sich zurück". Sie stellte sich ganz in den Dienst ihrer Familie - innerhalb von 4 Jahren kamen drei Kinder zur Welt - und ihres Mannes. Freunde jedoch beobachteten, wie sie im Hintergrund wirkte. Es wird auch berichtet, dass sie, wenn beide zusammen waren, täglich mit ihrem Mann seine Arbeiten diskutierte. Diese Gespräche waren wohl sehr intensiv, denn anschließend soll sie immer völlig verschwitzt gewesen sein.

Purrmann wusste, was er ihr verdankte. So schreibt er an seinen Neffen und späteren Schwiegersohn (Ehemann der jüngsten Tochter Regina) Hans Vollmoeller, 5 Monate nach dem Tode Mathildes am 08.12.1943, "... ich musste hungern, musste betteln um jeden Pfennig, musste Zeit verlieren, konnte nicht arbeiten, konnte mich nicht anziehen, nicht richtig essen, lebte zur Verzweiflung dahin und dann kam Mathilde, die hatte Verständnis für mich, dann ging für mich ein Leben erst an, und es scheint, dass es mit ihrem Tode auch für mich wieder zu Ende ist. Jetzt bin ich wieder im gleichen Zustande..."

Purrmann von der Malerei besessen

Schon früh entdeckte er, dass er "gut malen" konnte. Das war seine zweite Stärke, aus der er Kraft gewann und die ihm zum Beruf wurde. Aus dem Kreis der Nachfahren seiner Jugendfreunde wird berichtet, dass er bereits während der Schulzeit mit Freunden Bilder tauschte, die er von Speyerer Motiven angefertigt hatte. Tatsächlich sind auch mehrere postkartenartige Bilder bekannt, die allerdings in ihrer Gestaltung nichts mit seiner späteren Kunst zu tun haben. Das Gleiche gilt übrigens auch für seine "kunstgewerblichen" Arbeiten, z.B. einer Ehrenscheibe des Speyerer Schützenvereins, die er offensichtlich im elterlichen Betrieb auf Bestellung fertigte.
Entscheidender für den jungen Purrmann war es, dass er offensichtlich viel über Licht und Farbe nachdachte, besser: entsprechenden Träumen nachhing. Das führte wiederum dazu, dass er als "schwascher Schüler" (er hatte einmal "schwasch" statt "schwach" an die Tafel geschrieben) bei seinen Lehrern galt. Wie es bei hochbegabten Kindern immer wieder vorkommt, fesselte ihn das Schreiben und Rechnen weniger als seine Träumereien. Der Umgang mit Licht und Farbe wurde schließlich zur großen Passion, die ihn bis an sein Lebensende nicht losließ.

Die Malerei fiel ihm keineswegs leicht. Er habe "immer Händel mit seinen Bildern", soll er oft gesagt haben. Er fühlte sich nicht als Meister, der seinen Stil gefunden hat. Im Gegenteil, sein Leben lang war er erfüllt von einer tiefen Ehrfurcht und Bescheidenheit gegenüber den großen Leistungen der Kunst. In einem Brief an Ernst Straßner, einem Bewunderer Purrmanns, schreibt er am 30.12.1955
"Sie schreiben mir in einer solch liebenswürdigen und mich ehrenden Form, dass ich beschämt in Verlegenheit komme. Aber ich komme ins normale Gleichgewicht der Tatsachen zurück, da ich gerade ein Buch von Gotthard Jedlicka 'Die Matisse-Kapelle in Vence' lese, in dem er eine Unterhaltung mit Matisse wiedergibt, die er mit Matisse über meine Person geführt hat. Matisse sagt, ich sei viel zu bescheiden, ein Maler dürfte es nicht sein, das schade seinem Talent, und als Jedlicka sagte, ich sei es auch heute noch, wo man mir Anerkennung nicht versagte, so rief er aus 'Wie schade, wie schade!'. Aber wie soll ich es machen, wenn ich weiß, wie schwer die Malerei ist und was andere schon Großes geleistet haben, zu denen man sich durch Verstehen Zugang geschaffen hat. Selbst nur mit großen Mühen etwas zustande bringt und sich auf sein eigenes Fühlen und Empfinden stellen muss, das von Haus aus nur an ein geringes Talent gestellt ist, arbeitet und arbeitet, von Ehrungen wenig zu halten glaubt und oft unter Entmutigungen und an Depressionen zu leiden hat..."

Vielfach wird berichtet, wie unruhig er wurde, wenn er aus irgendeinem Grunde nicht zum Malen kam. Man gewinnt sogar den Eindruck, dass Krankheiten für ihn schwer zu ertragen waren, weil sie ihn am Malen hinderten. Kasimir Edschmid erzählt in seinen "Portraits und Denksteinen" wie Purrmann während seiner letzten Lebensjahre, im Rollstuhl sitzend, noch immer unermüdlich an seinen Bildern arbeitete. "Die rechte Hand konnte er bei einer Begrüßung nicht sonderlich bewegen, man griff sie vom rechten Oberschenkel, auf dem sie lag, und drückte sie. Sowie er aber den Pinsel anfasste, hob sich der Arm und die Hand in einer erstaunlichen Suggestivität". Und von seinem letzten Besuch in Montagnola erfahren wir: "Da lag nun der größte deutsche Maler der Gegenwart und verzehrte sich noch in diesem Malaise vor Sehnsucht nach seinen Leinwänden. Ich beugte mich über ihn, der sich nicht rühren konnte, und küsste ihn auf beide Wangen (...). Am nächsten Tag rief ich aus Ascona an. Der Pfleger antwortete in seinem merkwürdigen Italienisch: 'O Madonnina! Il professore è nel studio, fare pitura!' Er malte wieder."
Purrmanns letzte verständlichen Worte waren: "Portami i colori!", "Bringt mir die Farben!". Der Kreis war geschlossen: Der kleine Schuljunge, der von Licht und Farbe träumte, ein produktives Malerleben; ein alter, sterbender Mann, der noch immer seine Farben nicht loslassen kann.

Purrmann - ein unpolitischer Mensch?

Purrmann sprach immer von seinen "harmlosen Bildern". Damit wollte er betonen, wie sehr er sich in seiner Kunstauffassung etwa von Beckmann oder Dix unterschied. Und wer wollte schon ein politisches Motiv in seinen Stilleben oder in seinen Landschaften suchen? Und doch galt er den Rechten als suspekt. Die Nazis verboten seine Kunst, weil sie ein "Produkt des französischen Geistes" sei, also nicht "deutsch", er selbst sei ein "Französling", in Folge wäre seine Kunst als "entartet" anzusehen. Für die heutigen Kunstfreunde ist das kaum verständlich.

Es stimmt nicht, dass Purrmann blind gegenüber den Problemen seiner Zeit war. Im Gegenteil! Hinter seiner Abstinenz wird eine tiefsitzende kritische Distanz, oft erst auf den zweiten Blick, sichtbar.
Sein Münchener Lehrer, der bekannte und angesehene Künstler Franz von Stuck, liebte die pathetische Inszenierung. Eines Tages hatte er seinen Studenten folgendes Thema gestellt: "Dürstende tränken!". Man kann sich leicht eine dramatische Szene dazu ausdenken. Was aber macht Purrmann? Er skizziert ein junges Mädchen, das eine Blume gießt. Hier könnte man denken, er wolle seinen Lehrer mit einem skurrilen Einfall ärgern. Für Purrmann bedeutete es aber mehr: Er lehnte grundsätzlich alles Pathetische, alles Dramatische oder gar Heroische ab. Damit stand er diametral zum Zeitgeist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der gerade in Aktionismus und Heroismus seine zentralen Ideen erkannt hatte und in den Katastrophen des 1. und 2. Weltkrieges seinen Ausdruck fand.
Bereits 1905 war er dem Spott der Rechten ausgesetzt, als über seine "Polnische Kunstreiterin" der Vers kursierte: "Die Eva geht leicht perdu, weil sie gemalt ist mit Fromage de Brie!".

1933 gehörte er zu den ersten Künstlern, die öffentlich attackiert wurden. Es gereicht einer Reihe von Pfälzer Malern nicht zur Ehre, dass sie die Vernichtung von Purrmanns Triptychon, das heute im Stadtratssitzungssaal in Speyer zu sehen ist, verlangten. Dies konnte nur dadurch verhindert werden, dass das Bild durch eine große Hakenkreuzfahne verdeckt wurde. Purrmanns Bilder wurden in den Museen abgehängt, nach 1938 in einem Depot in Berlin gelagert und zum Teil gegen Devisen im Kunsthandel verkauft. Ein Teil fiel 1945 der Roten Armee als "Beutekunst" in die Hände.
Purrmann selbst gelang es, Dank der Unterstützung von Freunden, nach Italien auszuweichen. Von 1935 bis 1943 leitete er die Villa Romana in Florenz, bis er schließlich in die Schweiz fliehen musste.

Es hat nicht an Versuchen der Nazis gefehlt, ihn für ihre Zwecke einzuspannen. So berichtet er in einem Brief von 1934 an seinen Freund Daniel Wohlgemuth, dass ihm bei einer Gesellschaft hochrangiger Persönlichkeiten aus dem Bereich der Kulturpolitik eine neue Kunstzeitschrift vorgestellt wurde, die neben der Reproduktion eines seiner Frauenbildnisse auch Bilder von Munch, Nolde, sowie Abbildungen u.a. von Werken Kolbes und Lehmbrucks, abgebildet hatte. Er sah darin ein Zeichen, dass sich auch im Nationalsozialismus auf Dauer Qualität durchsetzen würde. Zu diesem Zeitpunkt durchschaute Purrmann nicht, dass es sich dabei um ein hinterhältiges Manöver der Nazis handelte. In Rahmen ihrer Ausschaltungs- und Gleichschaltungspolitik wurden auch alle Kunstzeitschriften ausgeschaltet und durch ein vom Propaganda-Ministerium gesteuertes Organ ersetzt. Damit der Widerstand dagegen aber nicht zu laut wurde, enthielten die ersten Nummern auch Beiträge über Künstler, die als entartet galten. Entsprechendes galt auch für die Autoren der einzelnen Beiträge.
Im Jahr 1938 wurde in Kaiserslautern und in Landau jeweils eine kleine Auswahl seiner Bilder der Öffentlichkeit präsentiert. Das war die "Begleitmusik" zu dem Versuch, ihn zu einer Rückkehr nach Deutschland, möglichst in die Pfalz, zu bewegen. Er lehnte ab, weil er seine Unabhängigkeit nicht aufgeben wollte. Vielleicht war er gewarnt durch seinen Schwager, dem Dichter Karl Vollmoeller, der im gleichen Jahr von Göbbels den Auftrag erhalten hatte, Marlene Dietrich aus den USA wieder nach Deutschland "zurück zu holen". (Karl Vollmoeller blieb bei dieser Gelegenheit in den USA). Aktionen dieser Art sind als Teil des Plans "Heim ins Reich!" zu sehen. Vor Kriegsbeginn sollten sich möglichst viele Prominente wieder "in die Reihen der Volksgenossen eingliedern!"
Purrmann aber blieb sich selber treu. Sein Beruf war die Kunst. Sein Ziel war es, "kräftige Farben in volle Harmonie" zu bringen und diese dem Chaos seiner Zeit entgegenzustellen. Dass seine Kunst doch politisch verstanden wurde, kann man mit Bert Brecht erklären: "Wir leben in einer Zeit, in der ein Gespräch über Bäume Hochverrat ist."

Purrmann - ein Praeceptor Germaniae?

Der Kunsthistoriker Karl Scheffler gratuliert Purrmann zu seinem 70. Geburtstag mit folgenden Worten: "Sie sind einer der recht wenigen Maler, die ohne Selbsttäuschung um sich schauend in der Hölle der Zeit sich selbst nicht verloren haben; Sie haben sich vielmehr selbst gefunden. Das war sowohl eine sittliche wie eine künstlerische Tat. Sie haben vermocht, einer fragwürdigen Spätzeit, eine vom Persönlichen ins Allgemeine wachsende Sehform und eine gesetzlich anmutende Schönheit abzugewinnen. Das ist ein Sieg. Sie haben ihn hingenommen ohne strahlende Erfolgsgebärden, ohne ein einziges lautes Wort. Hätten nur zehn deutsche Maler dasselbe geleistet, so würden wir noch eine deutsche Kunst haben, anstelle eines Chaos undisziplinierter Bestrebungen. Sie sind kein Wunderkind gewesen, haben nie durch Geschicklichkeit verblüffen wollen, und doch sind Sie von selbst an die Spitze gerückt, jeden belehrend, der guten Willens ist, ohne lehrhaft zu wirken, allen ein Vorbild, wie weit man gelangen kann, wenn man unbeirrt Schritt vor Schritt setzt, beweisend, dass Talent und Charakter, Tun und Denken, Handwerk und Phantasie eines sein können und sein sollten. Ein Praeceptor Germaniae! Wir hatten blendendere Talente, keines aber hat mit seinen Pfunden besser gewuchert, keines hat Ihre Konsequenz, Ihre gesunde Selbstbeschränkung, Ihre wahrhaftkonstituierende Einsicht in das Wesen der Kunst..."

Ist die Bezeichnung "Lehrer Deutschlands" nicht eine arge Übertreibung? Purrmann hat eine solche Bezeichnung von sich gewiesen. Und doch: Es fehlt eine gründliche Untersuchung, die seine Bedeutung für den geistigen und kulturellen Wiederaufbau Deutschlands nach 1945 näher beleuchten würde. So viel aber kann als gesichert gelten: Purrmann war einer der wenigen deutschen Künstler, die durch die unheilvoll Vergangenheit nicht belastet waren; das war ein Vorteil bei allen Neu- oder Wiedergründungen von Akademien oder Künstlervereinigungen. Seinem erfolgreichen Engagement für die Wiedergewinnung der Villa Romana in Florenz und auch der Villa Massimo in Rom kam seine Freundschaft mit dem ersten Bundespräsidenten Theodor Heuß entgegen. Bemerkenswert ist seine Mitarbeit in der Jury des Deutschen Künstlerbundes. Dabei überrascht, dass die großen Namen der Vorkriegszeit wie Heckel und Hofer nur mehr eine untergeordnete Rolle spielten. Purrmann dagegen wurde meist einstimmig oder wenigstens mit großer Stimmenmehrheit gewählt. Kasimir Edschmid erzählt eine charakteristische Episode: "Purrmann hat viele Generationen Maler überlebt. Die Abstrakten hatten eine raffinierte Liebe für ihn. Sie hatten gelegentlich bei der Jury Heckel, Gerhard Marcks, Schmidt-Rottluff und Pechstein abgelehnt, und Purrmann war es, der sich daraufhin erhob und ihnen sagte, man habe Respekt vor jeder meisterlichen Leistung zu zeigen, ob sie gerade passe oder nicht. Die Tachisten (hier gemeint: die Vertreter der abstrakten Malerei) umarmten ihn und sagten: 'Du bist unser Großvater!'. Purrmann erwiderte: 'Ich habe solche Enkel bestimmt nicht erwartet!'"
Das Vertrauen der jungen Maler, die sich vor allem an der amerikanischen Kunst orientierten, ist nicht leicht zu verstehen, denn Purrmanns Auffassung von der Malerei orientierte sich nach wie vor an der Natur. Und es fiel ihm sehr schwer, den Weg der Abstrakten zu akzeptieren. Aber sein untrüglicher Sinn für Qualität bewährte sich auch gegenüber einer Kunstrichtung, die der seinen entgegengesetzt war. Deswegen wurden seine Urteile von allen Seiten, gerade auch von den Jungen, Modernen, angenommen.
In den oft harten Auseinandersetzungen schätzten die streitenden Parteien eine menschliche Eigenschaft Purrmanns besonders: Er trug seine Argumente leidenschaftlich vor, trotzdem ließ er erkennen, dass er grundsätzlich davon ausging, dass seine Gegner Recht haben könnten. Seine Toleranz und sein Humor gewannen ihm - neben seiner fachlichen Kompetenz - Anerkennung und Zuneigung.

Rechtzeitig zum 125. Geburtstag ist ein umfangreiches Werkverzeichnis (Christian Lenz, Felix Billeter: "Hans Purrmann - Die Gemälde I II. Werkverzeichnis", Hirmer Verlag München 2004.) erschienen, das seine Ölgemälde erfasst. Es bleibt zu hoffen, dass diese Präsentation des umfangreichen, farbigen, glanzvollen Werkes ein Anstoß dafür wird, dass Purrmanns Werke wieder vermehrt in den Museen gezeigt werden. Das Purrmann-Haus in Speyer fühlt sich dieser Aufgabe in besonderem Maße verpflichtet.



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