Stadt Landau in der Pfalz / Stadtbibliothek Landau
Lutz Stehl und Johanna Jo Höhn: "Bilder ohne Gedanken kommen nicht in den Himmel"
Malerei
22.09.06 bis 14.10.06
Johanna Jo Höhn
Johanna Jo Höhn: "Christine Lavant"

In bewusster Abkehr von der Beliebigkeit der Präsentationsorte von (meist formalistisch genossener) Kunst haben Johanna Jo Höhn und Lutz Stehl für ihre Ausstellung den Titel "Bilder ohne Gedanken kommen nicht in den Himmel" gewählt: eine nicht unironische Reminiszenz der Ausstellung des amerikanischen Künstlers Ed Rusha im Jahr 1985 in der "Miami Dade Public Library" unter dem Titel "Words without thoughts never to heaven go".

Die Laudatio hält Dr. Michael Rumpf, für die musikalische Umrahmung sorgen Manfred Gehann (Horn), Roland Spieth (Trompete) und Helmut Wetter (Saxophon), Mitglieder des Karlsruher E-Vent-Quintetts und des Ensembles Raummusik für Saxophone. Veranstalter ist der Freunde der Stadtbibliothek e.V.


Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 27.09.06

Sehen und Denken

"Bilder ohne Gedanken kommen nicht in den Himmel", so heißt die derzeit in der Landauer Stadtbibliothek arrangierte Ausstellung mit Arbeiten von Johanna Jo Höhn und Lutz Stehl. Einmal wird in diesem Zitat, das sich auf eine legendäre Schau von Ed Rusha ("Words without thoughts never to heaven go", 1985) bezieht, der Anspruch der beiden Künstler an sich selbst sichtbar. Andererseits lässt sich daraus auch eine dringliche Aufforderung an den Betrachter lesen: Vorsicht, ohne deine Gedanken kommen diese Bilder gleichfalls nicht aus.

Dennoch: Es geht nicht etwa hermetisch zu, sondern konzeptuell, wobei die Bibliothek als Ort des Wissens nicht zufällig als "kommunikativer" Partner ausgewählt wurde. Man will das Publikum keinesfalls ausschließen, so schwer die Nüsse zu knacken sind, die hier in Form von Collagen (Höhn) und Malerei (Stehl) an den Wänden lauern. Lieber gibt man ihm Hilfestellung beim Schauen: anhand ausführlicher poetischer Titel (Stehl) und sichtbar gemachter Appelle ans kulturhistorische Gedächtnis (Höhn).

Natürlich ist auch die Hilfestellung anspruchsvoll, verlangt vom Betrachter einen Sinn für Ironie oder die eigenverantwortliche Entfaltung von Geschichten. Letztlich aber kann er alles "verstehen", was ihm hier angeboten wird: Stehl schiebt seinen eigentlich "titellosen", kalligrafisch-seriell angehauchten Bildern eine ausführliche Erklärung unter, die zwar selber verrätselt ist, aber zum genauen Hingucken verpflichtet. Vielleicht entdeckt man ja den einen verschobenen, auf dem Rücken liegenden Buchstaben, wenn man zugleich die Aussage liest, dass es sich bei der Arbeit um "Keine Parabel über die Lächerlichkeit des selbstgewissen Daherschreitens" handelt. Aber worum sonst? Das ist die Frage.

Positiver - im Sinne von weniger vieldeutig - klingt da schon der Text über vier an Schnüren an der Wand hängende, rostrote Kissen: "Vier Lernmittel des permanenten Kopfstands auf dem Boden der Taten und Tatsachen". Eine hochprozentige Mischung aus Dada, Selbstironie und der vermeintlichen Leichtigkeit gestalterischen Seins zeigt sich jedenfalls in Stehls Mischtechniken. Und ohne die klugen, funkelnden "Beiworte" würde ihre kalligrafische Beiläufigkeit, ihre verweigerte perspektivische Tiefe womöglich ins Leere laufen. Also: nicht ohne Preisliste loslaufen, sondern sich in korrespondierenden Blicken üben. Wort und Bild bedingen einander.

Wohingegen man bei Fragen zu den Collagen von Höhn - falls man sich nicht auf seinen literaturwissenschaftlichen Fundus verlassen kann - auch in den Lexika der Stadtbibliothek nachschlagen könnte. Wer waren Christine Lavant, Walter Mehring, Ossip Mandelstam, Samuel Beckett, Wladimir Majakowski, Else Lasker-Schüler, deren Fotos die Künstlerin übermalt oder überklebt und nicht selten wie hinter einer Milchglasscheibe melancholisch trüb deponiert hat? Außer dass sie dichteten und schrieben, zeigten sie alle ein hohes Maß an Gefährdung, wurden unterdrückt, mundtot gemacht und gefoltert, entweder vom Staat oder ihrer eigenen Psyche. So könnte man auf die Idee kommen, dass Kunst auch ohne Leiden nicht in den Himmel kommt. Und dass Gedanken nur schiere Transportmittel sind, die die Beschwerlichkeiten vertiefen.

So wenig wie die Ausstellung unterforderte übrigens auch Michael Rumpfs kluge Vernissage-Rede das Publikum. Der Schriftsteller sprach über die von Georg Franck entwickelte Ökonomie der Aufmerksamkeit und zog daraus manche Schlüsse über das Wesen des heutigen Kunstbetriebs. Während Mitglieder des Karlsruher E-Vent-Quintetts, die Eröffnung endgültig zum Gesamtkunstwerk machten.




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