Stadt Landau in der Pfalz / Stadtbibliothek Landau
Marc Reibel: "Am Anfang war die Traumwelt"
Malerei, Plastik
10.02.06 bis 03.03.06
Marc Reibel
Marc Reibel: "Chamäleon"

"Am Anfang war die Traumwelt", übertitelt Marc Reibel seine Ausstellung. Er hat sich der Arbeit mit der Mooreiche verschrieben. Sie ist für ihn das Holz der Hölzer, wie der Diamant unter den Steinen. Die Mooreiche ist ein mehrere hunderte von Jahren abgelagertes Holz, welches zufällig bei Kiesbaggerarbeiten in bis zu 20 Metern Tiefe gefunden wird. Die künstlerische Bearbeitung des Holzes in der Komposition mit Metall wirkt besonders edel. In der Malerei geht er spielerisch mit den Mitteln der Abstraktion, des Konstruktivismus und des Surrealismus um.


Einführung von Dr. Matthias Brück

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal die ungewöhnliche Frage gestellt: Was ist der Unterschied zwischen dem lieben Gott und den Historikern? Die mögliche Antwort: Gott kann die Vergangenheit nicht ändern. Nun, was Historiker mit oft zweifelhaftem Erfolg praktizieren, das können Künstler schon lange besser, vor allem, wenn sie nicht vorgeben, die einstige Wirklichkeit zu kennen, sondern aus ihr heraus eine andere Wirklichkeit zu erträumen. Und gerade das beherrscht Marc Reibel meisterlich! Denn allein schon sein bevorzugtes Material, die Mooreiche, die bis zu 5000 Jahre in der Erde verborgen sein mochte, wird ihm geradewegs zum Medium des träumerischen Erforschens. Oft liefert ihm die Natur diese geheimnisvollen Stücke in einer so überraschenden Weise, dass er sie nur noch neu zu entdecken braucht. Das heißt, er erfühlt regelrecht, das Potential an Formmöglichkeiten, das in dem ehrwürdigen Holz verborgen sein mag. Gerade das "Chamäleon" dokumentiert diese Ansichts-Vielfalt aufs Schönste. Je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet, ändert es seinen Ausdruck, verwandelt sich analog zu seinem tierischen Vorbild. Nur die zwei eingesetzten Metallkugeln als Augen machen es für den Moment eindeutig zu einem gnomartigen Gesicht.

Analog zur traditionellen Evolution, die dieser Künstler stets fasziniert beobachtet, hat er sich eine ganz eigene Art des Hervorbringens, des "Evolvierens" angeeignet. Bis in die Steinzeit zurück entdeckt er Kultwesen wie den Hirsch, den Urfisch, den er einer Wurzel entbirgt oder den "Minotaurus", den er lediglich mit einem Gehörn aus geschmolzenen Eisen wieder zu erwecken scheint. Mooreiche und Metall-Müll, wie es Marc Reibel bescheiden nennt, gehen immer wieder aufs Neue eine fruchtbare Synthese ein – auf der Suche nach Unentdecktem. Sie sind zugleich ständiger Bestandteil seines Experimentierens und bestätigen die These Marc Reibels, dass ein Künstler immer auch zugleich Erfinder sein muss beziehungsweise nicht zeigen sollte, wie die Dinge sind, vielmehr wie sie sein könnten. Vielleicht ist er ja da seelenverwandt mit dem "Alchemisten", einer Mischtechnik aus Pigment, Leinöl und Wachskreide, einem leidenschaftlichen Forscher, der im turbulenten Mixen oft nicht sagen kann, was eigentlich bei seinen Experimenten einmal herauskommen wird. Explosionsgefahr!!!

Spaß beiseite… In seiner Malerei versteht es dieser Künstler ebenso seinen originellen Stil für die verschiedensten Inhalte einzusetzen. War es eben noch eine Art Luftaufnahme aus der Steinzeit, eine Erinnerung an frühe evolutionäre Stadien, dann erscheinen die "Spanischen Geister", eine nachgefühlte Höhlenmalerei - quasi als Hommage an das Kaktus-Männchen als Kultfigur. Zwischendurch trifft man aber auch auf skurrile, visionäre Kompositionen mit leicht surrealem Einschlag: "Hirsch im Nuklear-Sturm" heißt es da, während in einem Exponat fast dokumentarisch die Städte - im Spiel zwischen Leben und Tod - den Untergang der Natur besiegelt haben. Es ist schon faszinierend, wie Marc Reibel seinen fragilen Figuren und Naturstücken - aufs Sparsamste reduziert - wunderliche, träumerische, bisweilen auch apokalyptische Aussagen entlockt - indirekt und fast immer mit heiterer Gelassenheit.

Vergleichbar wiederum mit seinen Mooreichen-Skulpturen, denen dieser Künstler fast "schlafwandlerisch" das ihnen Innewohnende - wie unterschiedliche Paarsituationen - entbirgt und sie pfiffig mit drehbaren Köpfen versieht, als wollte er im Nachhinein ihren Bewegungshorizont erweitern. Sie stehen unter anderem für Möglichkeit wie Notwendigkeit von Kommunikation in unserer oft gesprächslosen Gegenwart. Bei der "Nautilus" nun handelt es sich mit Sicherheit um einen Solitär. Einmal nimmt sie die von Jules Verne geschilderte Form transformierend mit den verschiedensten Edelstahlteilen auf und schafft damit ein plastisches Phantasiewerk, das nicht nur einen "verhinderten Mariner" wie mich begeistern sollte. Zum anderen erinnert sie an Kapitän Nemos Traum von einer besseren Welt, der - wenn auch gescheitert - unvergessen bleibt in der Geschichte idealistischen Denkens.





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Marc Reibel: "Chamäleon"