Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
Martin Eckrich: "Die Sänfte"
Installation im Kunst-Raum des Kellergeschosses des Kulturhofs Flachsgasse
03.03.07 bis 18.03.07
Martin Eckrich
Martin Eckrich

Die Sänfte

Der Körper als Stoßdämpfer, die Zeit zurückgedreht. Der Mensch als das intelligenteste Bewegungssystem, das er sich selbst zunutze macht, indem er sich von Menschen tragen lässt. Ein hoher Kopf muss er wohl sein.

Die Sänfte verschleiert den Getragenen. Sie ist zusammengebastelt aus einem Tisch und einem Korbsessel, aus Ästen und alten Schirmen. Zum Tragen dienen grobe, dünne Stämme, die nach vorne hin dünner und bearbeiteter werden. Von der Umhüllung mit Vorhängen geht eine Bahn aus Vorhang zwischen den dünner werdenden Stangen, selbst schmäler werdend, Richtung der Auflösung zu. Dünne Schilfhalme und transparente bunte Uhrengläser, die mit Tesafilm befestigt sind, bilden die vorderste Spitze der Sänfte. An den Tragestangen sind Uhrwerke mit dem Zifferblatt nach unten montiert. Ihre Rundung deutet die zeitliche Bewegung an. Uhrspiralen und andere Metallspiralen halten die Konstruktion unter Spannung.

In der verschleierten Kabine sitzt eine menschenähnliche Figur aus Schlingpflanzen - ein hoher Kopf einer Göttin oder Gebieterin. In unserer Zeit vorstellbar. Die Entdeckung der Langsamkeit. Das Entdecken der kleinen Wegabschnitte mit ihrer Schönheit, da sich diese Strecken mehren. Ein Experiment zum Trotz der Technikliebe unserer Zeit und eines zum Reisen mit dem freien Geist.

Die Tragestangen bilden einen Weg. Schienenartig werden sie, je weiter sie sich vom Sitz entfernen, immer dünner und schwächer, aber auch natürlicher und schöner. Der Schleier breitet sich zu einem Teppich aus, auf dem die Gedanken laufen können. Hinter dem Sitz ist viel Vorhang und Schleier angerafft oder gespeichert, um die Bewegung nach vorne anzudeuten.


Transport

Ein Körper wird transportiert. Vom Mutterleib getragen - vom Wagen geschützt - vom Kunststoff umhüllt. Energie ist im Körper gewachsen aus dem Mutterleib heraus. Der Mensch ist Konzentration und Wille, Stärke und Lust, Intelligenz und unvernünftige Vernunft. Er transportiert sich mit Energie, die stärker ist als er. Mit vielen Menschen, mit Pferden, Esel, Öl, Gas, Holzkohle, Plutonium, Wind und Sonne. Er ist auf der Reise durch seine Zeit mit der Vergangenheit, die er aufbraucht, ohne mit der Zukunft zu handeln. Der Mensch bewegt sich in Hüllen aus Kunst. Er kündet und richtet, er formt und leidet, führt und entscheidet, unterdrückt und missachtet meist unbewusst die Lebensräume anderer Lebensarten durch seinen Egoismus. Er möchte "gut" durch die Zeit gleiten, ohne große Mühe. Er träumt dabei, die Zeit bestimmen zu können - sie vor- oder zurückzudrehen oder sie stillstehen zu lassen.

Ja, sogar sich auszudenken die Zeit rückwärts laufen zu lassen. In einer Sänfte lässt sich "ein höheres Wesen" tragen. Die Menschheit zu Last der Tiere, der Pflanzen, des Klimas.
Die menschliche Entwicklung stellt ein Problem der gesamten Erde dar. Ein Schritt zurück wäre eine Einbuße im Komfort. Er träge sich selbst, und wenn er sozial gleichgestellt wäre, würde er sich abwechseln bei dieser Tätigkeit. Er trägt symbolisch ein Abbild seiner selbst in einem bescheideneren Tempo. Ohne den Rausch der Schnelligkeit bleibt sein Streben auf der Stelle. Er ist der Wille, sich Bedenkzeit zu geben, anzuhalten und zurück wie auch vor zu schauen.


Die Himmelfahrt

Materialien und Materie sind weiße Stoffe, Formfindungen des Geistes, Fotos, erklärende Zeichnungen, Texte bzw. Schriftzeichen, Hemden und Nesselstoff. Sie sind zu Bahren aus Holzlatten zusammengefügt und lassen sich zentrierend im Raum aufbauen oder -bahren. Der Körper aus Fleisch und Blut ist nicht im Hemd und in dem Nessel, jedoch im Abbild in der Fotografie.


Das lichte Nichts der Seele

Die Körper werden hell, die Stoffe sind weiß. Das Papier ist weiß. Der Geist besetzt die Verhüllungen des Körpers. Er zeigt sich klar und verwirrt zugleich. Die Gemeinschaft und das Miteinander wurden im Prozess der Gruppenfotografie real. Auch die Anstrebung, in der Familie geborgen zu sein und dies im jetzigen Dasein mehrfach erleben zu können.

Symbole verschiedener Religionen stehen im oberen Mittelpunkt, auch Paradies-Verheißungen oder abnorme Wirrungen. Alle Applikationen orientieren sich am Körper und dessen Fläche. Von der Kraft der Güte ist diese Hülle entrückbar. Die Gefühle können sich verschieben. Geist und Körper werden zusammen empfangen und schweben dem himmlischen Licht entgegen. Die Erfahrung, den Boden zu berühren und gleichzeitig über ihm zu schweben, ist der Grund, warum die Bilder und Zeichen eine Verwandlung in der Höhe zeigen. Sie sind für eine Raumgestaltung erdacht, in deren Zentrum vier Bilder höher schweben als vier, die schon auch etwas hoch hängen, und vier, die kreuzförmig, leicht schräg, mit einer Seite am Boden stehen und mit der anderen im Raum hängen oder anlehnen.


Martin Eckrich über seine Arbeiten


Mit der Erbengemeinschaft Felix Gordon entstanden Fotos, die, unter meinen Anweisungen, die Gemeinschaft auf vielfältige Art darstellen. Es wurden wenige Gegenstände mit einbezogen: Eine runde Signalscheibe, weiße Streifen Papier. Die Akteure hatten die weißen Hemden an und der helle Nesselstoff bildete den Hintergrund. Ich habe zu jedem der zwölf Bilder eine Planzeichnung gemacht, die ebenfalls auf die Bahren appliziert wurde, um den Ursprung sichtbar zu lassen. Die Sinne und das Denken wurden entfesselt und das Strömen der Erkenntnisse unzählbar reich.

Die Idee zur Himmelfahrt war, Bahren für den Körper mit Hüllen für Körper zu gestalten. Aus der Ebene des seelischen Zustandes heraus streben sie eine Verherrlichung der Neuwerdung an. Religiöse Leitbilder sind Beigaben. Die weißen Hemden sind Tauf- und Totenkleid zugleich. Technische Zeichnungen und Errungenschaften werden mit Ursprünglichkeit verbunden. Kreisläufe und menschliche Probleme können so erkannt werden. Es gibt zu jeder Bahre ein Thema: Krieg, Feuer, Wasser, Erde, Wind, Familie, Essen, Kampf, Frieden, Liebe, Gericht und Operation.



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Martin Eckrich
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