Stadt Landau in der Pfalz / Stadtbibliothek Landau
Natascha Brändli: "Der Mensch ist eine kleine Welt"
Eröffnungsausstellung der 20. Büchereitage
12.09.04 bis 02.10.04
Natascha Brändli
Natascha Brändli: "5" (2002), Installation 4-teilig (Vorderansicht), Alpacca-Draht gelötet, Seidenpapier, Knochenleim, Gummipüppchen, ca. 100 x 100 x 150 cm, Foto: Felix Redlingshöfer

"Der Mensch ist eine kleine Welt", so der Titel der Ausstellung von Natascha Brändli. Pulcinella-Persona. Das Thema dieser Arbeit ist die "Maske", die Spiegelungen in ihr. Das Aufsetzen einer Maske etwa zum Rollenspiel, rituell betrachtet, am Theater, zur Zeit des Karnevals, das Aufbauen einer Fassadenschicht "auf der Bühne des Lebens", Projektionen auf sie und die Spiegelungen in ihr. Natascha Brändli verbildlicht diese Ebenen bis hin zum eigentlichen, ihr innewohnenden Wesen mit einem Schmunzeln in ihren ausgestellten Papierobjekten.


Einführung von Dr. Matthias Brück

Ein Raum, die Stadtbibliothek wird zur Bühne. Und - wenn auch nicht auf den ersten Blick erkenntlich, könnte die Ausstellung von Natascha Brändli vielleicht einen allzu lange verschütteten Anachronismus "Das Theater als moralische Anstalt" wieder beleben. Warum nur? Sind wir doch alle ach so moralisch, vor allem dort, wo es keine Rolle spielt. Wir wollen mehr sein, als wir es meistens verdienen, also verbergen wir das, was stören könnte: das beginnt mit den Gesichtsfalten und endet im schlimmsten Fall mit der so genannten Mitmenschlichkeit. Das Rollenspiel also, das Spiel mit den Masken hat im Theater wie im richtigen Leben eine endlose Tradition, die so schnell auch niemand beenden wird.

Ich weiß nun nicht, in welcher Maske Sie heute auftreten: vielleicht als besorgter Familienvater, als cooler Künstler, als Frau von Welt, als cleverer Politiker oder als seriöser Geschäftsmann. Und mancher von uns dürfte sogar mit einer "Mehrfach-Maskerade" glänzen - man ist ja flexibel. Doch um uns den Arbeiten, der Bühnen-Installation dieser Künstlerin ehrlich nähern zu können, sollten wir schlicht alle Masken ablegen - nirgendwo ist Karneval, weder in Rio noch in Mainz. Spaß bei Seite, doch das eben kurz Skizzierte bildet den Hintergrund, das gewissermaßen indirekt-anwesende Bühnenbild für die bildnerische Aufführung von Natascha Brändli.

Möglicherweise wundern Sie sich, dass diese Künstlerin sich ausgesprochen dezenter, sparsamer, ja reduzierter Mittel bedient. Dass sie nicht Schaumstoff oder Styropor, sondern gelöteten Draht, Seidenpapier und Knochenleim zum Gestalten verwendet. Nun, mit diesen Materialien hat sie dreizehn Jahre lang gearbeitet - fern allen Dekorierens. Mit ihnen kann sie genau ihre Inhalte präzisieren, beziehungsweise öffnen - ohne Glanz und Glamour. Das mit "5" betitelte Exponat erinnert beispielsweise leise an die Pentagramm-Darstellungen Leonardos. Gestaffelt, teiltransparent, fast sogartig leiten vier der papierenen Konstruktionen den Blick auf ein kleines Gummi-Püppchen - ein Menschlein in nackt-geschlechtsloser Existenz - ohne Rollenverhalten… Es wirkt regelrecht "entblättert", von allen Schichten und Lebensformen befreit. Vielleicht symbolisiert es einen einstigen Ursprung, vielleicht aber auch den umgekehrten Weg - vom Beginn ins so genannte überkomplexe Dasein.

Fern aller bierernsten Grübelei versteht es Natascha Brändli, mit einer fast philosophisch-heiteren Gelassenheit so genannte "ewige Fragen" zu tangieren. Anders gewendet: sie stellt diese Fragen neu, entkleidet sie jeglichen dogmatischen Vorverständnisses und formuliert sie wie einen Appell, sich dem Wesen des Menschen anzunähern. Natascha Brändli hat sich auf diese Ausstellung minutiös auch mit ausgewählter, zum Teil nur noch antiquarisch erhältlicher Literatur vorbereitet, wie Sie dort sehen können. Was Wunder, dass ihr da - zwischen Maskerade, Rollenspiel, Täuschen und Verbergen, auch das Phänomen des Clowns begegnet ist. Einen kleinen vom Klischee der Clown-Interpretation losgelösten Text, den die Künstlerin ausgewählt hat, möchte ich zitieren:

"Der Clown im Menschen, unser anderes Ich, monstrum in animo, sucht die Befreiung durch das Spiel kunstreicher Tölpel und geschminkter Narren. Der Clown im Menschen grüßt seine Affen in der Zeitarena wie seine Erlöser. Denn der Clown im Menschen führt - seit uns die Vernunft mit ihrer Unvollkommenheit beherrscht - ein Sklavendasein. Wir hatten ihn im Keller, fürchten seinen Ausbruch. Wir ignorieren ihn nach Möglichkeit. Denn schon ihn zu erkennen, könnte bedeuten, dass wir uns selbst in Bälde nicht mehr kennen würden, - wie man sich nicht mehr kennt in seiner Wut, in seinem Schmerz, in seiner Liebe, seinem Rausch…"

Natascha Brändli hat keine Angst vor dem Clown. Sie befreit ihn auf eigene Weise, verleiht ihm und Ihnen zugleich - ganz ohne "Red Bull" - symbolisch die notwendigen Flügel, sich von der Irdischen Schwere zu lösen. Eine Ausstellung der "offenen Horizonte", in der sich Ästhetik und Inhaltlichkeit zu einer Philosophie des Suchens und Schwebens verbinden!




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Natascha Brändli
Natascha Brändli: "5" (2002), Installation 4-teilig (Vorderansicht), Alpacca-Draht gelötet, Seidenpapier, Knochenleim, Gummipüppchen, ca. 100 x 100 x 150 cm, Foto: Felix Redlingshöfer
Natascha Brändli
Natascha Brändli: "Narr in hellblau" (2005), Tusche auf Papier