Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
Roland Berst (1937-1984): "Mother Earth"
Retrospektive
24.08.08 bis 21.09.08
Plakat zur Ausstellung (Detail)
Plakat zur Ausstellung (Detail)

Aus Anlaß des 25. Todestages im Jahr 2009 zeigt der Kunstverein eine Retrospektive des Werks des allzu früh im Alter von 46 Jahren plötzlich verstorbenen Künstlers. Roland Berst war vorwiegend in Speyer tätig und hatte hier im Jahr 1970 im "Studio 68" seine erste Ausstellung.

Roland Berst

1937
- geb. in Kaiserslautern

ab 1958
- Studium der Pädagogik, dann Lehrer an der Siedlungsschule und Realschule Speyer

1965
- erste Collagen

1975
- Examen als Kunsterzieher, zuletzt tätig am Schulzentrum Böbig

1975
- Purrmann-Preis der Stadt Speyer

1984
- am 17.04. verstorben

1985
- Gedächtnisausstellung im Kunstverein Speyer (mit Werkverzeichnis)


Einführung von Volker Hönig


Um den mit 46 Jahren allzu früh verstorbenen Speyerer Künstler Roland Berst war es in den letzten Jahren, was die Ausstellung seines Werkes anbetrifft, ein wenig still geworden. Umso mehr ist hier die vom Kunstverein Speyer, unter der Leitung von Franz Dudenhöffer und von Roland Bersts ältestem Sohn Thilo Berst kuratierte Ausstellung "Roland Berst - Mother Earth" zu begrüßen, da sie uns einen Künstler erneut lebendig werden lässt, der mit der Stadt Speyer eng verbunden war.

Erlauben Sie mir vorab ein paar persönliche Bemerkungen, meine freundschaftlichen Beziehungen zu Roland Berst betreffend. Wir lernten uns 1975 in Heidelberg auf dem sogenannten Heidelberger Stückemarkt, der rund um die Heiliggeistkirche stattfand, kennen. Hier war auch ein kleiner Kunstmarkt eingerichtet, bei dem u.a. Roland Berst aus Speyer einen Stand hatte. Durch die herzliche, impulsive Art des Künstlers, auf Menschen zuzugehen, kam rasch eine freundschaftliche Atmosphäre zustande, überdies war ich sogleich von seinen ausgestellten Kunstwerken fasziniert. Die aufkommende Freundschaft wurde auf dem im Herbst des gleichen Jahres 1975 stattfindenden 1. Altstadtfest in Speyer vertieft, dessen private, ursprüngliche und in keiner Weise kommerzialisierte Atmosphäre noch heute von allen, die dabei gewesen waren, gerühmt wird.

Auch hier fand seinerzeit ein kleiner Kunstmarkt statt und der Einladung von Roland Berst, ihn einmal nach überstandenem Altstadtfest in seinem Atelier in der Speyerer Altstadt, im "Hasepuhl", Hasenpfuhlstraße 42 c, zu besuchen, wurde natürlich Folge geleistet. Unvergessen bleiben die in seinem Atelier veranstalteten Atelierfeste mit dem Flair Pariser Bohème.

In das gleiche Jahr 1975 war bereits die Verleihung des Purrmann-Preises gefallen. Ich denke, dass dieser Preis für ihn eine besonders wichtige Verbindung zur Stadt Speyer darstellte, war er doch der erste Speyerer Künstler, dem diese Ehre des erst 1966 vom Rat der Stadt Speyerer eingerichteten Preises zuteil geworden war. Zum Zeitpunkt der Preisverleihung war Roland Berst bereits bei dem wohl wichtigsten Sujet seines künstlerischen Werdegangs angekommen, den Relief- und Materialbildern. Diese Bemerkung gibt mir Anlass kurz seinen beruflichen und künstlerischen Werdegang zu skizzieren.

Roland Berst wurde am 05.07.1937 in Kaiserslautern geboren und studierte nach dem Abitur Pädagogik. Zu Beginn der 1960er Jahre legte er die beiden erforderlichen Prüfungen für das Lehramt ab. In Kapsweyer, einem Dörfchen nahe der elsässischen Grenze, fand er seine erste Anstellung und kam dort zur Malerei. Nach ersten Versuchen, vor allem in der Landschaftsdarstellung, beschäftigte er sich seit 1965 mit Collagen. Hier nahm er sich keine Geringeren als den Surrealisten Max Ernst und den Giganten Pablo Picasso zum Vorbild. Schließlich führte ihn sein Entwicklungsgang zu den Relief- und Materialbildern, die zwischen dem zweidimensionalen Tafelbild und dem dreidimensionalen, körperhaften Objekt stehen. Roland Berst hat in Selbstzeugnissen auch immer wieder den experimentellen Charakter seines künstlerischen Schaffens betont und so nimmt es nicht wunder, dass er die Rezeptur für die Kunststoffmasse seiner Reliefbilder selbst erfunden hat.

Diese Material- und Reliefbilder trugen alsbald seine unverwechselbare Handschrift. Anfänglich erzeugte er Negative in seinen Reliefbildern durch Abdrücken verschiedener Formen und Strukturen in die noch weiche Kunststoffmasse. Später gelangte er durch neue Techniken dann auch zu Positiv-Abdrücken von Modellen. Diese konnten "objects trouvées", also gefundene Dinge sein, Metallstücke, Bienenwaben oder parkettartige Metallgitterstrukturen. Es wurde aus Kautschukmasse ein Negativ-Abguss gefertigt, der dann, eingedrückt in die Plastikmasse, das Positiv ergab, man vergleiche dazu etwa das ausgestellte Reliefbild "Hambach, Liebesgasse" von 1979 (Wvz Nr. 314). So gelang der Vorstoß ins Dreidimensionale, das Ausbrechen der Form aus der Fläche. Die erhärteten Rohbilder wurden sodann bearbeitet, geschliffen, gefeilt, gefräst und poliert und schließlich farblich strukturiert. Seine Farbpalette war erdgebunden - Assoziation "Mother Earth" - braun, ocker, sandfarben, zuweilen rot, so dass sich die Berstschen Arbeiten am Ende in dem, durch die Eckpunkte Farbe - Form - Experiment abgesteckten Feld bewegten. In seinem Malertagebuch, welches er mir einmal zeigte, schreibt er: "Ein roter Feiertag, wenn ich vor einer Fläche bin und sie verändern kann! Ich bin verliebt in die Farbe, in das Material, in das Experiment!" Voilà, das ist es, was ich mit den Eckpunkten für das Berstsche Schaffen meinte.

Wie der Kunsthistoriker Clemens Jöckle in der Einleitung zu seinem hervorragend und detailgenau recherchierten Werkverzeichnis der Berstschen Arbeiten vermerkt, welches 1985 anlässlich der Gedächtnisausstellung Roland Berst im Blauen Haus des Kunstvereins Speyer erschienen ist, nennt der Künstler als Vorbilder zu Beginn dieser Phase der Relief- und Materialbilder gleich vier Malernamen: "Paul Klee - Jean Dubuffet - Antoni Tapiès - Willi Baumeister", verewigt in einem, der heute ausgestellten Reliefbilder (Wvz Nr. 333).

Aber auch das Oeuvre von Werner Schreib, der 44-jährig bei einem tragischen Verkehrsunfall 1969 ums Leben kam, hat Roland Berst stark beeinflusst, vor allem, was den Formenkanon anbelangt: die Kreisfigur als Sinnbild des Vollkommenen, das Rechteck als mathematisches Objekt sowie Gitter- und Parkettstrukturen, wie man sie vor allem aus der Mathematik kennt. Unvergessen bleibt für mich in diesem Zusammenhang, wie wir beide, mit Erlaubnis des leitenden Ingenieurs einer großen, metallverarbeitenden Firma in Speyer, den Schrottcontainer nach Metallteilen mit gestanzten und gelochten Mustern und geometrischen Formen durchsuchten und natürlich auch fündig wurden. Roland Berst konnte sich bei einzelnen der gefundenen Objekte so begeistern, dass er nur Vorträge über deren innere Schönheit hielt, über Teile also, die eigentlich technisch nutzlos und für das Recycling vorgesehen waren. Dem Sujet Relief- und Materialbilder sollte er bis zum Schluss seines so plötzlich zu Ende gegangenen Lebens treu bleiben.

Die beiden Daten, Geburt am 05.07.1937 in Kaiserslautern und Tod am 17.04.1984 bei einem Reha-Aufenthalt auf der Insel Borkum, bilden die zeitlichen Klammern eines 46-jährigen Künstlerlebens, dessen Werke vielfältige Anerkennung gefunden haben. Müßig natürlich, sich auszumalen, wo Roland Berst mit seinem Werk heute stehen würde. Immerhin sei ein großer Erfolg hier erwähnt. Im Geleitwort zu dem bereits erwähnten, von Clemens Jöckle erstellten Werkverzeichnis schreibt der ehemalige Kultusminister des Landes Rheinland-Pfalz, Georg Gölter, dass im neuen Gebäude des Kultusministeriums in Mainz die 10. Etage, die sein Büro und die Büros der Staatssekretäre beherbergt, mit acht quadratischen Arbeiten von Roland Berst ausgestattet wurde.

Es ist selbstverständlich nicht möglich, in dieser Rede alle Ankäufe der öffentlichen oder privaten Hand aufzulisten, um die Streubreite der geografischen Verteilung des Berstschen Oeuvres in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus zu verdeutlichen, man landete unweigerlich im Jöckleschen Werkverzeichnis. Vielmehr will ich mich hier auf seine Verbindungen zu Speyer beschränken. Vor seinem, aus gesundheitlichen Gründen erzwungenen Wechsel von der Speyerer an die Neustädter Realschule hatte Roland Berst nicht nur seine Wirkungsstätte als Kunsterzieher in Speyer, sondern auch sein Atelier in der Speyerer Altstadt. Er arbeitete dort oft bis in die Nächte, vor allem bei Jazzmusik. Einer seiner Lieblingsmusiker war Eric Burdon, eine Institution des Blues-Rock der 1960er Jahre, selbstapostrophiert als "Weißer Neger mit der schwärzesten Stimme Englands" und bekannt geworden mit dem Stück "The House of the Rising Sun" und dann eben auch mit dem Blues "Mother Earth", jener "Mutter Erde", die von Roland Berst bereits endgültig Besitz ergriffen, dieser Ausstellung den Namen gegeben hat und als Reliefbild gleichen Titels hier in der Ausstellung hängt, sowie von Thilo Berst als Plakatmotiv gewählt wurde.

Vom Atelier nun zur Stadt Speyer. Nach der Verleihung des Purrmann-Preises 1975 erfolgten 1977 zwei Ankäufe in die Städtische Kunstsammlung, die 1976 entstandene "Domdokumentation" (Wvz Nr. 217) und das 1974 entstandene Reliefbild "Dancing Girl" (Wvz Nr. 161).

In Speyer begleitete eine Reihe wichtiger Ausstellungen sein künstlerisches Schaffen. 1970 stellte Roland Berst, sozusagen als Auftakt, erstmals seine Arbeiten in der nicht mehr existierenden Galerie 68 in der Johannesstraße 29 aus, die von dem Galeristen Hans Schlot ins Leben gerufen wurde. Diese Ausstellung fand große Beachtung und wurde von dem Kunstkritiker Manfred Zach in der "Rheinpfalz" kritisch gewürdigt. Dann folgte eine Reihe von Ausstellungen im Speyerer Kunstverein, zuerst die Ausstellung Nr. 54 für die Purrmann-Preisträger 1975, Lutz Wolf und Roland Berst, die vier Jahre nach der Preisverleihung 1979 im Blauen Haus ausgerichtet wurde.
1985, fast ein Jahr nach seinem Tode, fand eine weitere Ausstellung (Nr. 107) mit dem lapidaren Titel "Purrmannpreisträger" statt. Die bis dahin ausgezeichneten Künstler, 16 an der Zahl, von Michael Croissant als erstem Preisträger, über Roland Berst als neuntem in der Reihenfolge - zugleich erster Speyerer Preisträger - bis zu Felicitas Mentel, waren darin vertreten. In etwa entsprach diese Ausstellung einem Überblick über 20 Jahre Purrmann-Preis.

In das gleiche Jahr 1985 fiel eine dritte Ausstellung, (Nr. 112) des Kunstvereins, eine Gedächtnisausstellung für den ein Jahr zuvor verstorbenen Roland Berst. Eben zu dieser Ausstellung erschien die wohl wichtigste Dokumentation zu seinem Oeuvre, das bereits mehrfach erwähnte, vom Kunsthistoriker Clemens Jöckle erstellte Werkverzeichnis. Darin sind fast 500, genauer 491 Werke verzeichnet. Dieser Katalog ist aber mehr als nur ein Nachschlagewerk für das Berstsche Schaffen, da er neben wichtigen Quellenangaben auch einen ausführlichen Begleittext sowie farbige Abbildungen enthält. Schließlich kam 1996 die Jubiläumsausstellung "30 Jahre Purrmann-Preis" im Historischen Ratssaal der Stadt Speyer. Soviel zu den Ausstellungen in Speyer für und mit Roland Berst.

Dann, im Jahr 2004 zum 20. Todestag des Künstlers wurde eine Straße, unweit vom Platz der Französischen Garnison, nach ihm benannt. Die Roland-Berst-Straße befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Normand-Kasernen, begrenzt von Paul-Egell-Straße, Ruland-Straße, Diakonissen-Straße und Seekatzstraße. In der Roland-Berst-Straße befindet sich die Speyerer Jugendförderung, aber auch Ateliers Speyerer Künstler sind dort angesiedelt. So ist die Namensgebung stimmig für eine "Speyerer Kunstzeile" - für Kunstmeile wäre die Straße ein bisschen zu kurz. Einer von Roland Bersts engsten Freunden, der mittlerweile leider auch schon verstorbene fränkische Mundartdichter Gerd Bräutigam, hat das Ereignis der Namensgebung in einem sehr schönen Rheinpfalz-Artikel vom 20.04.04 adäquat gewürdigt.

Die heutige Retrospektive der Arbeiten von Roland Berst gestattet es, nicht nur bekannte, früher schon ausgestellte, sondern auch noch nie gezeigte Werke zu betrachten. Es gibt Bilder mit historischem Bezug, etwa das 1977 entstandene und schon mehrfach ausgestellte "Römische Rüstungsschnitt" (Wvz Nr. 262), wenn man so will, mit besonderem Bezug zu den römischen Wurzeln von Speyer. Historische Bezüge tauchen auch in anderen Relief- und Materialbildern auf, etwa das gleich mehrfach aufgegriffene Thema der "Ermordung des Königs Philipp von Schwaben" (Wvz 273, Wvz 276, Wvz 393 als Metallcollage, Wvz 330 und 331) ebenfalls als Materialdruck in dieser Ausstellung vertreten und das zur gerade laufenden Themenausstellung "Königsmorde" im Historischen Museum Speyer ideal korrespondiert. Zur Erinnerung: Im Juni 1208, also vor 800 Jahren, wurde König Philipp von Schwaben von seinem Kontrahenten Pfalzgraf Otto VIII von Bayern nach einem Gastmahl die Kehle durchgeschnitten.

Lassen Sie mich meine Ausführungen zum Werk von Roland Berst - nach diesem nicht unblutigen historischen Rückblick - mit einem Zitat aus einer Rede von Clemens Jöckle anlässlich einer Gedenkausstellung in Neustadt-Herrenhof am 17.03.1991 beschließen: "Die Bilder Roland Bersts werden so zu den Spuren die den Künstler vor dem Vergessenwerden bewahren. Da er zu jung starb, um die Geltung zu erhalten, die er der unbestrittenen Qualität seines Oeuvres nach verdient hätte, wird es in unsere Hände gelegt, dafür zu sorgen, dass Roland Bersts Beitrag zur europäischen Malerei gewürdigt wird. Er gehört der Kunstgeschichte".

Die heutige Ausstellung "Roland Berst - Mother Earth", die ich mit meinen Ausführungen eröffnen durfte, ist ein wichtiger Baustein im Sinne des Zitats.



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Plakat zur Ausstellung (Detail)
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