Kunstverein Neustadt an der Weinstraße / Villa Böhm
Sandro Chia: "Transavanguardia"
07.05.04 bis 31.05.04

Gerade frisch restauriert und neu eingeweiht, bietet die prachtvolle Villa Böhm in Neustadt an der Weinstraße ein für die Kunst der "Transavanguardia" spannendes Ambiente. Die Ausstellung mit Werken von Sandro Chia, dem mit Francesco Clemente, Enzo Cucchi, Mimmo Paladino und Nicola de Maria wichtigsten Vertreters der italienischen Künstlergruppe, die sich neben den "jungen Wilden" aus Deutschland in den 80er Jahren von der Konzeptkunst mit poetischen oder mythischen Tönen und kraftvollen Farben distanzierten, präsentiert neben bekannten Kunstwerken auch einige Werke, die für die Ausstellung eigens gemalt wurden. Dazu gibt es ein Glas erstklassigen Rotweines vom Castello Romitorio aus Montalcino, dem Weingut, auf dem der Künstler gerne wohnt - neben Rom und New York.

Sandro Chia gehört zu den wohl am meisten beachteten Künstlern der zeitgenössischen Kunst, nicht nur in Italien. Seine Bilder hängen in vielen großen Museen der Welt. Viele kritisierten ihn und seine Malerkollegen, als er sich von der amerikanisch dominierten schwarz-weißen Konzeptkunst der 70er Jahre mit seiner "kraftvollen, farbstrotzenden Malerei" (Wulf Herzogenrath, anlässlich einer Ausstellung in der Nationalgalerie in Berlin) abwendete und, wie die "jungen Wilden" aus Deutschland eine neue Hinwendung zur Malerei, zur Mythologie und Vergangenheit thematisierten. Chia kommentiert das heute so: "Konzept und Minimal war alles so rein, da mussten wir etwas Verbotenes, Unreines, Vitales tun" - oder auch, möchte man hinzufügen, etwas Poetisches, Lyrisches, Mythologisches.

So zeigt sich eine poetische Weltsicht, manchmal leicht erschreckend, im 1980 entstandenen Gemälde "Schön ist's für einen Feuerwerker, mit den eigenen Raketen in die Luft zu gehen" und anderen Gemälden aus den für ihn stürmischen 80er Jahren, die für die Personen fast schon eine Hoppersche Verlorenheit zeigen, aber "gepaart mit einem Willen zur Selbstbehauptung" (Wulfenrath). Das Selbstbewusstsein in ihre Malerei nehmen Chia und seine Kollegen aus der Malerei selbst. Dabei entdeckt Chia fast zwangsläufig Traditionslinien in der italienischen Renaissance, z.B. bei Domenico Beccafumi, "einen Sieneser Maler des 16. Jahrhunderts, der seinen Manierismus mit einer kraftvollen Portion Realismus anreicherte" (Wulfenrath), indem er für seine neuen Kompositionen in der ihm eigenen Art der Verwendung der Farben, Themen anspricht, die Hinweise geben auf seine eigenen Probleme und Lebenselemente - vielleicht Verlorenheit und dennoch Vertrauen in die eigene künstlerische Ausdrucksfähigkeit und Bedeutung, seit Gislebertus (Kathedrale von Autun) oder Michelangelos David bis zum Beuys'schen Künstlerbegriff.

Achille Bonito Oliva, der berühmte italienische Kunstkritiker zieht zur Ausstellung "Transavanguardia", dessen Begriff er prägte, eine Linie von den oben genannten Künstlern über Chagall zu Picasso, Cezanne, de Chirico, vom futuristischen dal Carrä zur Pittura metafisica und zu Picabia, um zu dem Sandro Chia ganz eigenen "Manierismus" zu gelangen, den Oliva als dezidiert "postkonzeptuell" (2002) bezeichnet. Sandro Chia vereint viele künstlerische Sprachen in seiner Kunst, vom Fauvismus bis zum Symbolismus. Dies kritisch als Eklektizismus zu bezeichnen oder als "nomadismo" im Falle von Sandro Chia, mag damals als Diskurs bedeutender gewesen sein als heute: Alle Künstler der "Transavanguardia italiana" können für sich behaupten, nicht konzeptionell stehen zu bleiben: Chia, Clemente, Cucchi, de Maria und Paladino gebrauchen unterschiedliche Formensprachen, kombinieren Themen längst vergangener Kulturen und zeitgenössische Tendenzen, vielleicht auch und gerade weil sie aus Italien kommen, einem Land das so reich an großer Kultur ist ...

Eine ideale Gelegenheit also, sich in Neustadt an der Weinstraße in der Villa Böhm, mit der Kunst Sandro Chias, als einem großen Namen der "Transavanguardia"-Gruppe anlässlich des Kultursommers Rheinland-Pfalz 2004 unter dem Motto Italien auseinander zu setzen - und dies bei einem guten Glas Wein vom Castello Romitorio bei Montalcino. Der Künstler wird während der offiziellen Eröffnung der Ausstellung durch den Oberbürgermeister von Neustadt an der Weinstraße, Hans Georg Löffler, am 6. Mai um 19.00 Uhr, persönlich anwesend sein.



[zurück]