"Mein Dasein ist von einem seltsamen Leben durchdrungen, oft ist's bewegt wie bei Shakespeare. Und da der Dienst eine erschreckend große Menge von Zeit in Anspruch nimmt, ist das Leben auf wenige Stunden konzentriert und hat dadurch einen ganz gewaltig starken Duft." Cornelia 1917
In der Ausstellung (verantwortlich Dr. Hubert Portz, Bildrechte für Felixmüller VG Bildkunst) werden alle zu dieser Zeit (April 2014) verfügbaren Arbeiten von Cornelia Gurlitt gezeigt. Diese werden in einem Ausstellungskatalog auch erstmals in die ser Gesamtheit abgebildet und der Öffentlichkeit zu gänglich gemacht.
Die Zeit des Ersten Weltkrieges ist geprägt vom Desaster zwischenmenschlicher Beziehungen. Der Unruhe und Hektik des Krieges steht oft ein still gestellter Mensch gegenüber. Ein Mensch in der Zelle wie der Soldat im Irrenhaus bei Felixmüller oder die leidende Frau im Raum und/oder inmitten der Natur wie bei Cornelia Gurlitt. Tatenlos, schweigend und nach innen horchend.
Es sind sehr persönliche Bilder, Fenster zur Seele. Sie lassen uns in privates gelebtes und ver weigertes Leben blicken. "Und der im Herzen noch so treu wie je an seine Bilder denkt und doch sehr demütig und sehr stumm unter so vielen von nah gesehenen Leiden geworden ist. Du musst das nicht mit einem behäbigen 'mater dolorosa' abtun", entgegnet sie den Vorhaltungen ihres Bruders Wilibald. "Meine Tage sind ausgefüllt mit Dienst im Operationssaal: viel stumpfsinnige Händearbeit, viel Grausiges und dazwischen einige Minuten, in denen man glücklich den Nutzen der Tätigkeit fühlt. Die Nacht gehört mir und ich fülle sie aus mit lesen und zeichnen, so viel als mir die Müdigkeit Zeit lässt."
Nach dem Krieg sucht sie eine Heimat in Berlin und lässt im Februar 1919 ihren Vater wissen: "Was wir malten, dachten, fühlten (vor dem Kriege), war Anarchismus, an den wir innig und fromm glaubten - nun wir ihn in politischem Gewande sehen, ist er auch uns verhasst, aber wer könnte so schamlos sein, einfach lächelnd alles zu leugnen, was er vordem hochhielt. Der Weg ist weit und lang und so verlegt von unendlich vielem anderen, [...]. Und das Schlimmste, in uns parkt etwas, das immer schreit: Das alles geht mich gar nichts an, ich will mein Leben und meine Gedanken, die subjektiven und zarten, und nicht solche die von Geschehnissen belastet sind. [...]." Sie kann ihre Geschichte nicht hinter sich lassen und in kindliche Unschuld zurückkehren. Sie wählt den Freitod.
Es ist eine Zeit in der viele Künstlerinnen und Künstler ihre Hoffnung auf die Muttersein und Mütterlichkeit setzen. Die Mutter ist die Gebärerin den Neuen Menschen. "Überall bist du - Mutter! Mutter - eine Mutter ist etwas Ewiges!" In "Schöpferische Konfession" von Conrad Felixmüller lesen wir: "Sie, die Fruchtbarkeit und die Landschaft - meine See = Woge und Schiff. Mutter und Kind meines Lebens, der Vergangenheit und der Zukunft. Meine unsterbliche Form; gefunden im Unstät unzähliger Reflexionen des Geistes, der über zusammenkrachenden Traditionen schwebt. "Seine unsterbliche Form" findet er nach der unsterblichen Enttäuschung mit Lotte in Londa. Lotte Wahle realisiert gegen alle Widerstände "den Schrei nach dem Kinde". "Das Weib muss sich auf eigene Füße stellen, von jedem Manne, einschließlich Vater, Bruder ganz unabhängig machen."Was ich bewundere, ist die Kraft, mit der sie einmal Getanes verteidigt", heißt es bei Hildebrand. Sie geht ihren Weg mit allen Konsequenzen.
"Es ist absolut sicher, dass ich über sie schreiben werde. Ihr Leben ist eines der strengsten und folgerichtigsten, unbedingt wesentlich", schreibt Hildebrand Gurlitt 1922. In seinem Nachlass, den er seinem Sohn Cornelius vermachte, darf so manches Werk von Cornelia ermutet werden. Schließlich lebte sie, wie er 1950 in seinen Dokumenten an die amerikanischen Militärbehörden (Central Collecting Point) festhält, vor dem Ersten Weltkrieg als angesehene Malerin in Paris.
Biographie Cornelia Gurlitt 1890-1919
25.06.1890
Cornelia erblickt das Licht der Welt
1909
Abitur. Ihr Vater spricht sich für eine Ausbildung als Volksschullehrerin aus.
1910
Erste Malschulbesuche u. a. bei Nadler in Gröden später in Hittfeld.
1913/14
Paris. Freundschaft mit Anton Kolig. Sie steht bis zu ihrem Tod 1919 mit Kolig in engem Kontakt.
1913
Ausstellung Arbeiten früherer Schülerinnen von Hans Nadler in der Galerie Richter in Dresden. 15 Ölbilder, Landschaften und Stillleben, ein Bildnis K.K. und H. G. (Hildebrand Gurlitt).
1914
Ausstellung mit Ilse Hurtig in der Kunsthütte in Chemnitz. Ihr Freund Rolf Donandt fällt am 01.08.1914 in Marne. Innige Freundschaft mit Hanns Niedecken-Gebhard, einem Freund ihres Bruders Wilibald. Herzliches Verhältnis zu dem jüngeren Bruder Hildebrand. Die Beziehung zu Wilibald hingegen ist belastet.
1914-1918
Cornelia ist als Lazarettschwester im Kriegslazarett Wilna-Antokol tätig. Sie ist vom Ostjudentum beeindruckt und "interessiert sich ungeheuer" für deren Religion. Sie pflegt Kontakte zur jüdischen Bevölkerung.
1916
Trifft in Wilna Paul Fechter in der Presseabteilung Ober Ost. Es entwickelt sich eine enge Freundschaft. In der Familie Gurlitt wird kolportiert, dass Paul Fechter Cornelia schwängerte.
1917
Cornelia trifft im Frühjahr mit Conrad Felixmüller zusammen. Er hält sie als 'Schwester Cornelia Gurlitt', 1917, Bleistift auf Papier fest. Cornelia ist eng befreundet mit dessen Freundin Lotte Wahle. Im Dezember 1917 erblickt Lottes Sohn Justus Matthias - Vater ist Conrad Felixmüller - das Licht der Welt. Cornelias jüngerer Bruder Hildebrand steht mit Felixmüller in Kontakt und besucht diesen im Dezember 1917 kurz vor der Geburt von Justus im Militärlazarett Arnsdorf. Hildebrand ist Pate von Justus.
Ausstellung in Wilna. "Ich habe hier ausgestellt und bin dadurch sozusagen geistig legitimiert, [...] Es wird viel um mich gestritten."
1918
Cornelia kehrt nach Dresden zurück und zieht bald nach Berlin.
1919
Im August, kurz nach Bezug einer eigenen Wohnung mit Atelier in Berlin, wählt Cornelia den Freitod. Bruder Hildebrand Gurlitt wird Nachlassverwalter
04.05.14, 11.05.14, 18.05.14, 25.05.14 | 11.00 Uhr Führungen Max. 15 Personen nach Voranmeldung bei Hubert Portz Tel: 0 63 47 / 98 28 750 email: hubert-portz@t-online.de
Öffnungszeiten: Fr., Sa. von 15.00 bis 18.00 Uhr So. von 13.00 bis 18.00 Uhr und Do., 01.05.14, Do., 29.05.14 und Mo. 09.06.14 von 13.00 bis 18.00 Uhr