Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
Christian Uhl: "Der gemalte Mensch"
03.08.08 bis 24.08.08
Christian Uhl
Christian Uhl: "Henni"

"Ich male Porträts, ich mache keine Fotoporträts. Ich male mit Hilfe der Fotos, aus der Erinnerung an das Gespräch, an die Person. Mit Ruhe, aus der Distanz. Ein lebendes Gegenüber störte. Ein Porträt-Foto reicht mir nicht. Fotos sind wenig auratisch und selten einmalig. Das Foto ist authentisch aufgrund seines momentanen Bezuges zur Realität. Ein Moment, der des Fotografiertwerdens, ist entscheidend. Das Gemälde erhält seine Bedeutung im Schaffensprozess, es entsteht. Transformation einer Beziehung in Malerei, Wandlung in Hand-Arbeit. Ein Gemälde ist unmittelbarer, mit Pinsel und Farbe arbeite ich ab, tagelang. Es hat Oberfläche. Die Öl-Lasuren legen sich wie eine Haut über den Bildträger. Die Fläche wird tief und lebendig. Das Foto entsteht im Gespräch und ist kaum bearbeitbar. Es ist abstrakter, distanzierter, unsinnlicher. Die Lebendigkeit des Fotos rührt vom Motiv her, im Gemälde von der Malerei. Das Malen ist ein Versuch, mich dem Menschen anzunähern. Auf der Suche nach dem Menschlichen des Menschen geht es mir um das uns Verbindende. In der Darstellung der einzelnen Person scheinen immer auch die anderen durch. Die Porträts sind Repräsentation unserer Menschlichkeit. Der gemalte Mensch. Zum Leben erweckt. Ich will dabei ein kleines bisschen von der Ewigkeit spüren."

Christian Uhl

Ausstellungsort (gegenüber des Kunstvereins):
Alter Stadtsaal
Rathaushof, 1. OG
Maximilianstraße 12 (Rückgebäude)
67346 Speyer

Einführung zum Ausstellungskatalog von Burkhard Margies

Atelierbesuch bei Christian Uhl

Auf einem verwunschen wirkenden ehemaligen Fabrikgelände liegt das Atelier, ein steinerner Torso weist mir den Weg. Auf mein Klopfen öffnet Christian, begrüßt mich mit kraftvollem Händedruck und bittet mich hinein. Der Raum ist angefüllt mit Porträts, überall menschliche Gesichter. Christian sagt, er umgibt sich mit den Bildern der Menschen, damit er sich geborgen fühlt, auch aufgehoben unter ihnen. Gleichzeitig setzt er sich mit ihnen auseinander.

"Der Mensch interessiert mich am meisten", sagt er, seine Beziehung zur Welt entsteht nicht über das Erleben der Natur, sondern über den Kontakt zu den Menschen. Er ist überzeugt, dass jeder Mensch die Welt in sich trägt. Daher muss es in jedem Individuum etwas geben, das uns alle verbindet. Sein Werk dokumentiert seine Suche nach diesem Etwas, er nennt es "Geist", "Lebendigkeit", manchmal "Beweger". Christians künstlerische Beschäftigung mit den Menschen begann mit dem Körper und spitzte sich langsam auf das Gesicht zu. Seit drei Jahren entstehen Porträts. Christian schildert mir seinen Schaffensprozess als wiederholten Wechsel aus Nähe und Distanz zum Gegenüber. Am Anfang steht das Aufsuchen des anderen, das Überwinden der Schwelle. Dann folgt ein intensives Gespräch, während dessen Christian seine Kamera aufbaut und kurz das Licht einrichtet. Viele Fotos entstehen, "je mehr die Leute von sich geben, desto besser wird das Bild".

Nach dieser Begegnung lässt er einige Zeit vergehen. Ein zeitlicher Abstand entsteht, als ob er einen Schritt zurück träte, um einen umfassenderen Eindruck von seinem Gegenüber zu erhalten. Dann beginnt der Malprozess, der ein bis zwei Wochen dauert. Christian orientiert sich an der Fotografie, doch lässt er seine Hand von der Erinnerung leiten, die Schwingungen der Begegnung klingen in ihm nach. Seine Malweise ist nicht expressiv, aber auch nicht rational geleitet, sondern geistiger, Christian will durchlässig sein für seinen Eindruck von dem Menschen: "Im Prozess des Entstehens fließt das Bild aus mir heraus".
Am Ende ist das Bild mehr als die Abbildung der Person geworden, es enthält den Künstler selbst und alle anderen Porträtierten scheinen gleichsam durch es durch. Eine Gemeinschaft ist entstanden, die Gemeinschaft der Bilder mit dem Künstler und den Menschen, alle sind miteinander verbunden. Zwei wesentliche Elemente gesellschaftlicher Modernisierung bekommen in Christians Werk umgekehrte Vorzeichen: die fortschreitende Individualisierung der Menschen und die technische Reproduzierbarkeit von Kunst. Letztere, symbolisiert durch die Fotografie, wird zum Ausgangspunkt der Schaffung eines Originals, indem menschlicher Geist und künstlerische Tat hinzugefügt wird. In den Porträts, gleichsam Ikonen der Individualität, entdeckt Christian das Allgemeine und alle Verbindende.



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Christian Uhl: "Henni"