Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
Klaus Staudt
Objekte, Zeichnungen, Plastiken
05.06.05 bis 03.07.05
Ausstellungsplakat
Ausstellungsplakat "Mars 2002" (Ausschnitt), 150 x 54 x 49 cm (Foto: Norbert Miguletz, Frankfurt)

Klaus Staudt nimmt im Bereich der geometrischen Abstraktion eine höchst eigenständige und unverwechselbare Position ein. Das in mehr als vier Jahrzehnten entstandene Oeuvre beeindruckt durch seine Kontinuität, Stringenz und Innovationskraft. Klaus Staudt fühlte sich von Anfang an dem Konstruktivismus verpflichtet. Seine Kompositionsweise unterliegt einem geometrisch-systematischen Denken, das die klare, einfache Bildform der konstruktivistischen Abstraktion durch das Moment der Bewegung sowie der visuellen Mehrdeutigkeit aber erweitert.

Die Richtlinien, die für Klaus Staudt bis heute Gültigkeit haben, lauten: Serilität, Schatten, Raum und Bewegung. Die Arbeiten bauen sich stets aus einfachen geometrischen Grundformen wie zum Beispiel dem Quadrat beziehungsweise dem Würfel auf. Durch die von Klaus Staudt entwickelten Stilmittel entstehen transparente Bildräume, die einerseits eine klare, rationale Bildaussage zulassen, andererseits aber in ihrer visuellen Aneignung vielschichtig zu deuten sind.


Einführung von Prof. Dr. Herbert Dellwing

Klaus Staudt, 1932 in Otterndorf an der Niederelbe geboren, studiert zunächst Medizin, ab 1959 Malerei bei Ernst Geitlinger an der Kunstakademie in München. 1963 ist er dessen Meisterschüler, danach Assistent bei Geitlinger und Georg Meistermenn. Staudt ist schon früh in die internationalen Bestrebungen der systematisch-strukturellen Kunst eingebunden, 1963 wird er Mitglied der 1960 in Paris gegründeten "Nouvelle Tendence" und stellt bereits 1964 in der französischen Metropole aus. 1974 bis 1994 lehrt er als Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Klaus Staudt, längst als einer der Hauptvertreter der konstruktiv-systematischen Kunst anerkannt, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Staudt gehört zu den Künstlern, die mit dem Beginn des elektronischen Zeitalters und parallel zur Entdeckung und Entwicklung des Computers in den 1960er Jahren die serielle Kunst erarbeitet und mit ihr eine neue Bildwirklichkeit entdeckt haben. Er ist an der Ausarbeitung eines neuen Sehens beteiligt, das im Gegensatz zum vorausgehenden Informel auf einem systematischen Denken basiert und mit dem auf einfache geometrische Formen reduzierten Vokabular der konkreten Kunst das Bild als Wahrnehmungs- und Denkmodell neu definiert. Dies geschieht auch mit der damals neuen Bewertung der Farbe. Die weitgehende Beschränkung auf die Farbe Weiß, die Staudt als das verbindende Medium seiner Bildreliefs bezeichnet, wird gegenüber der lauten Buntfarbigkeit des Informel als Neuanfang verstanden: "Weiß ist die Botschaft der Helligkeit, des Immateriellen. Weiß ist Schweigen, ist Stille. Seine Neutralität reagiert auf Einflüsse, beansprucht keine Macht und ist so Vermittler zwischen den ästhetischen Aussagen ... Weiß ist die unbeschriebene, allen Wirkungen offene, ungerichtete und in keinen Dienst gestellte Farbe" (Staudt).

Staudt begreift sich in seiner künstlerischen Tätigkeit als visueller Forscher, dem es um die Entdeckung, Entschlüsslung und Veränderung bildnerischer Phänomene geht. Er arbeitet mit Zeichen und Zeichenkomplexen, mit Rastern, Reihen und Symmetrien, mit Technik und Kalkül. Sein Bekenntnis zur Zeitgenossenschaft zeigt sich auch in der Verwendung aktueller Materialien, vor allem von Plexiglas in unterschiedlichen Transparenzgraden, das Einsicht gewährt, den Bildbau offen legt und der Kommunikation dient und damit Klarheit und Nachvollziehbarkeit als Kompositionsprinzipien garantiert, andererseits aber auch das Malerische evoziert. Es geht Staudt nicht um die Darstellung eines außerhalb des Bildraumes liegenden Inhalts; an die Stelle der Naturwirklichkeit tritt die Bildwirklichkeit, die Raum, Zeit, Licht und Bewegung als autonome Bildinhalte thematisiert.

Staudt beschäftigt sich von Beginn an vorrangig mit dem Relief, dem Zwischenbereich, wo sich Malerisches und Raumplastisches begegnen. Seine Bildobjekte sind dreidimensionale Strukturfelder, deren Elemente nach einsichtigen Gesetzmäßigkeiten geordnet sind. Bereits in den frühen Arbeiten erscheinen die für ihn charakteristischen milchigen Scheiben, die den dahinterliegenden plastisch strukturierten Bildraum "in eine subjektiv gefühlte Ungewissheit tauchen" (Hans-Peter Riese). In der Wahrnehmung verschmelzen die hintereinander liegenden reliefierten Ebenen zum Bild, hinter dem das System zurücktritt. Der ästhetische Dialog mit dem Betrachter, der in emotionale Erlebnisbereiche jenseits der Konstruktion führt, ist dem Künstler von großer Wichtigkeit. Die ästhetische Qualität dominiert über die Logik der Syntax. "Das bloß Präzise wandelt sich zum Sensiblen, das Konstuktive zum Schöpferischen, das Wissen zur Poesie" (Lothar Romain). Staudt überschreitet also die engen Grenzen der systematisch konstruktiven Kunst und entgeht dadurch der Verhärtung und dem künstlerischen Stillstand. Die über Jahrzehnte zu beobachtenden Veränderungen in Aufbau und Wirkung werden nicht von außen, sondern in konsequenten Schritten aus dem Werkzusammenhang entwickelt. Nachdem es Staudt schon in den 1960er Jahren gelingt, durch die transparenten Plexiglasscheiben als Bildträger das Relief von der Bindung an die Wand zu lösen und in den 1980er Jahren die kompakten Elemente als raumgreifende Formen öffnet, erscheint der um 1990 vollzogene Schritt zum vollplastischen Rundumgebilde als logische Konsequenz im Schaffen von Klaus Staudt.

Der von Staudt vorgeschlagene Ausstellungstitel "In Bewegung" verweist auf die Dynamik, die jedes einzelne Werk mit dem Lichtwechsel und der Standortveränderung des Betrachters erfährt, verweist auf den bewegten Raum. Zum andern macht er auf die Konzeption und Kontinuität von Staudts künstlerischen Untersuchungen aufmerksam: "Kunst ist Genesis, nie Produkt" (Staudt). Schließlich weist der Ausstellungstitel darauf hin, dass Staudts Arbeiten der letzten Jahre, die hier gezeigt werden, in besonderer Weise von Bewegung und Dynamik geprägt sind.

Die in der hiesigen Ausstellung gezeigten rezenten Arbeiten von Klaus Staudt können und wollen ihre künstlerischen Wurzeln in den 1960er Jahren nicht verleugnen, erschließen nun aber neue Dimensionen. Seine sensiblen Arbeiten entziehen sich dem schnellen Zugriff. Sie sind von einer verfeinerten Chromatik und einem zarten Vibrato bestimmt und appellieren an ein entwickeltes kontemplatives Bewusstsein. "War die Rationalität eine der Wurzeln dieser Kunst, so verbindet sich diesem Geist der Zahl zunehmend die Welt der Psyche" (Gottfried Boehm).




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Ausstellungsplakat
Ausstellungsplakat "Mars 2002" (Ausschnitt), 150 x 54 x 49 cm (Foto: Norbert Miguletz, Frankfurt)