Stadt Landau in der Pfalz / Städtische Galerie Villa Streccius
"abtauchen - auftauchen"
Arbeiten von 19 KünstlerInnen zum Thema U-Boot
24.03.07 bis 29.04.07
Jens N Wagner
Jens N. Wagner: "Realität - Fiktion", Installation, Fotografie

Vor kurzem erhielt der Film "Das Boot" zu seinem 25-jährigen Jubiläum eine "Goldene Kamera". Damit zeichnete die Jury eine der erfolgreichsten und eindrucksvollsten Produktionen der deutschen Filmgeschichte aus. Das Faszinosum einer eingeschlossenen unterseeischen Welt und der Dramatik des U-Boot-Krieges wirken bis heute fort. Dennoch taucht das Thema U-Boot in der aktuellen Kunst nicht auf, sieht man von der an klassische Traditionen knüpfenden Marinemalerei einmal ab.

Matthias Brück hat als Kurator das U-Boot in den Fokus eines Ausstellungsprojektes gerückt, zu dem er folgende KünstlerInnen eingeladen hat: Asmus Petersen, Bernd Decker, K.F. Wingert, Natascha Brändli, Felix Redlingshöfer, Olaf Rahardt, Veronika Olma, Dirk Klose, Sieglinde und Manfred Enders, Thomas Brenner, Anne-Marie Sprenger, Christian Frick, Marc Reibel, Mutsumi Okada, Jens N. Wagner, Fritz Eicher, Dietrich Gondosch und Mareile F. Martin.

Frei von irgendwelchen Vorgaben haben die KünstlerInnen das Thema mit unterschiedlichen Techniken auf eigene Weise interpretiert. In einem spannenden Prozess wurde das Thema schließlich zum Selbstläufer, der eine überraschende Vielschichtigkeit gewonnen hat.

Veranstalter des Ausstellungsprojektes ist die städtische Kulturabteilung, gefördert wird es von der Fix-Stiftung. Der Katalog zur Ausstellung ist zum Preis von 5 EUR in der Villa Streccius erhältlich.


Einführungsrede von Dr. Matthias Brück


U-Boote in der Queich? Wohl kaum, wenn man die geringe Wassertiefe bedenkt. U-Boote in der Villa Streccius? Damit hätte wohl auch niemand gerechnet - und doch sind sie jetzt hier vor Anker gegangen, nach mehr als zweijähriger Werft-Kreativität.

Am Anfang stand mein Spleen - ich gebe es ganz unbescheiden zu - KünstlerInnen für dieses Thema anzuheuern, das - abgesehen von der traditionellen Marinemalerei - wohl noch kaum in der so genannten zeitgenössischen Kunst angegangen worden ist. Aus dem Spleen wurde die Idee. Aus der Idee die konkrete Praxis, die sich - abgesehen von Recherchen in marinehistorischen Werken - bei jedem "Crew-Mitglied" frei entwickeln konnte.

Und so geschah es, dass sich dieser angestoßene Prozess geradewegs zu einem "Selbstläufer" entwickelte, der weit über die historischen und technischen Vorgaben hinaus eine überraschende Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit gewonnen hat.

An dieser Stelle muss ich kurz vom Kurs abweichen, muss mich bedanken - und ich tue es gerne und besonders herzlich! Bei unserem Bürgermeister Hans-Dieter Schlimmer, der bereits im Anfangsstadium unseres Projektes vertrauensvoll sein OK zu dieser Präsentation gegeben hat. Erst recht bedankt sich die gesamte Crew bei unserer Kulturamtsleiterin Sabine Haas, die gelegentliche Zick-Zack-Kurse in unserer Navigation gelassen und einfallsreich zu korrigieren wusste. Ebenso verdient die Fix-Stiftung unseren aufrichtigen Dank: Sie hat großzügig unseren Katalog "abtauchen - auftauchen" unterstützt, der uns bei unseren nächsten Unternehmungen sicherlich beste Dienste leisten wird.

Sind wir doch vom Deutschen Marinebund - er hat die Schirmherrschaft dieser Ausstellung übernommen - in Kiel/Laboe zu einer Präsentation im Marine-Ehrenmal zum 16.08.07 eingeladen worden, bevor wir sie im November in der Städtischen Galerie Neu-Isenburg präsentieren. Und das ist kein Seemannsgarn!

Fürchten Sie sich nicht: Ich werde Ihnen die fünf Künstlerinnen - ja, auch Frauen wissen mit U-Booten umzugehen - wie die Künstler nicht eingehend interpretierend vorstellen. Vielmehr stelle ich mir vor, dass sie alle in einem fiktiven Lexikon gegenwärtiger Marinemalerei unter folgenden Kapitel-Überschriften zu finden wären:

Christian Frick: "U-Boot-Pädagogik auf dem Ruhekissen"
Sieglinde Enders: "Menschlichkeit im Inferno"
K.F. Wingert l Natascha Brändli l Felix Redlingshöfer: "Hommage an Willy Bauer" oder "Der friedliche Brandtaucher"
Asmus Petersen: "Das abstrakt-anonyme Sterben"
Mareile Martin: "Tauchfahrt in den Hades"
Manfred Enders: "Hinter jedem Boot steckt eine schöne Frau"
Dirk Klose: "Das große Politiker-Versenken, pardon Versinken"
Bernd Decker: "Semper idem" oder "Einer verliert immer"
Anne-Marie Sprenger: "Auftauchen als Akt der Befreiung"
Fritz Eicher: "SOS: Konzepte voraus"
Jens Wagner: "Der Friedhof der 'eisernen Särge'"
Veronika Olma: "Tauchen im beschränkten Format"
Mutsumi Okada: "Die sanfte Ästhetik des Verschleierns"
Thomas Brenner: "Der surreale Blick durchs Sehrohr"
Olaf Rahardt: "Die faszinierende Zeitlosigkeit der Marine-Malerei"
Marc Reibel: "Nautilus, die Auferstehung eines Mythos"
Dietrich Gondosch: "Per U-Boot ins Land des Lächelns"

Wenn Sie später Ihr "geneigtes Sehrohr" ausfahren, dann entdecken Sie wohl eine selten kaleidoskopische Sicht auf das Sujet U-Boot. Ängste und Wünsche, Ironie bis Sarkasmus, technisch Unerwartetes, surrealistische Verschränkungen wie existentielle Aneignungen fügen sich zu einem künstlerischen Koordinaten-System. Jeder Punkt in diesem System - das heißt jede Künstlerin, jeder Künstler - hat sich durch einen schier endlosen Komplex von Möglichkeiten, Interpretationen und eigenen Vorstellungen gearbeitet.

Wie Sie in den einzelnen Kapiteln sehen werden, gibt es kaum einen Aspekt dieses herausfordernden Themas, der nicht wenigstens tangiert worden ist und fantasievoll, unabhängig umgesetzt wurde! Nicht immer war es einfach, aber diese Crew hat es geschafft, weshalb ich mich auch bei jedem Einzelnen herzlich bedanken möchte! So gehen wir - wie bereits angedeutet - auch weiterhin auf große Fahrt: nach Laboe, nach Neu-Isenburg und, wenn alles klappt, ist unser vorerst letzter Hafen Kiel.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes, interessiertes "abtauchen - auftauchen". Und vergessen Sie nicht: Natürlich sind die Exponate verkäuflich. Schließlich muss ja von irgendetwas "die Heuer" bezahlt werden!


Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 26.03.07

"Sehenswerte Schau für Liebhaber maritimer Kunst"

"abtauchen - auftauchen" heißt die von Matthias Brück kuratierte Schau in der Landauer Villa Streccius, in der sich alles um das U-Boot dreht. In der unter der Schirmherrschaft des deutschen Marinebundes stehenden Ausstellung haben sich 17 KünstlerInnen erstaunlich konkret und mit den unterschiedlichsten Mitteln auf das Thema eingelassen, nicht nur witzig-verspielt wie das schon seit Jahren in Landau betriebene futuristisch-altertümliche "Unterwassertretfahrzeug"-Projekt, sondern auch rein malerisch oder konzeptionell.

Die historischen Aspekte, die unweigerlich auftauchen, wenn vom U-Boot die Rede ist, werden gleichfalls behandelt, der Erste und der Zweite Weltkrieg also. Und selbst mit Karikaturen oder Assemblagen, die ins heimische Wohnzimmer führen, Foto-Inszenierungen oder fotografierten Selbstversuchen lässt sich metaphorisch eine Auseinandersetzung mit dem ja immer noch nicht obsolet gewordenen U-Boot führen. Für maritim gesonnene Kunstliebhaber ist diese Ausstellung ein Muss. Auch wenn man klaustrophobische Anwandlungen dabei nicht ganz ausschließen kann.


Besprechung, Die Rheinpfalz vom 27.03.07

"Seeschlacht in der Villa Streccius"

Das Unterseeboot in der Kunst: eine Ausstellung in Landau mit Arbeiten von 17 KünstlerInnen

Um die Faszination von Unterseebooten kreist die neue Ausstellung in der Villa Streccius in Landau. Matthias Brück, der die Idee dazu hatte und die unter der Schirmherrschaft des Deutschen Marinebundes stehende Schau kuratierte, hat sie ganz fachmännisch "abtauchen - auftauchen" genannt.

Und in der Tat: Eintauchen in ein fremdes Element, in einen unseren Augen eigentlich verborgenen, eng begrenzten, heutzutage technologisch unglaublich hochgerüsteten Kosmos können auch die Betrachter. Haben sich doch 17 KünstlerInnen ziemlich heftig anstecken lassen von der seit Kindheit gehegten Bewunderung, die Matthias Brück für diese seltsame Spezies des Wassergefährts hegte. Wobei die Assoziationen ganz unterschiedlich verliefen, wie man sehen kann. An Lothar Buchheims Roman und Film "Das Boot" hat jedenfalls keiner explizit angeknüpft, dafür aber an den U-Boot-Kampf des Ersten Weltkriegs, dem Manfred Enders eine Digital-Foto-Serie widmete, dabei den Spuren des legendären Kommandeurs Weddingen nachgehend, der in wilhelminischen Zeiten ein Volksheld war und zu einem solchen - fast schon marketingmäßig - gemacht wurde.

Und auch der Zweite Weltkrieg ist natürlich präsent: in Jens N. Wagners vielschichtiger Installation "Realität - Fiktion", durch deren unter Wasser gesetzte Bullaugen man ozeanische Szenen, das heißt, lumineszierte Fotografien - versetzt mit Spielpuppen und konkreten Gegenständen - betrachten kann, sowie darunter, gleichsam in einer eigenen Etage, die genauen Daten der jeweiligen U-Boote und die näheren Umstände ihrer Havarie. Das ist alles schön verpackt, so scheint es, nicht unbedingt für die Tränendrüse bestimmt. Und doch umkreist man den magischen Zirkel mit einer gewissen Scheu, weil er auch die Todesdaten, die Todesorte so konkret benennt und all das Bunte, "Exotische", was sich aus der Thematik ergibt, in sieben stille schwarze Kästen verpackt hat.

Auch Asmus Petersen geht ja so "understatement-mäßig" vor auf seinen Acryl-Bildern, auf denen er den Verlauf einiger Seeschlachten nautisch-akribisch nachvollzieht. Irgendwie muss sich also die Dramatik des "abtauchen - auftauchen" immer auch im Kopf des Betrachters abspielen und mit dessen Fantasie gefüttert werden. Ob kriegerisch oder nicht. Sonst schweigen die Bilder.

Es lässt sich jedenfalls durchaus ein emotionales Gefälle feststellen, sprich ein unterschiedlicher Grad von Gefühl, mit dem sich die Künstler in die Wogen des Themas gestürzt haben. Manch einer will gerade durch zuchtvolle Schönheit den Unterschied zwischen der Fiktion und der Realität, sprich auch die graue Hässlichkeit eines U-Boots und die verspielte Außenhaut, mit der man sie umhüllen kann, deutlich machen: wie Fritz Eicher mit seinen ornamentalen Zeichnungen. Oder wie Mutsumi Okada, deren quadratische Ölbilder mit äußerst reduzierten Mitteln die Elemente geradezu auseinander dividieren - Luft, Wasser, Tag, Nacht - in welchem so ein U-Boot und die Menschen darin, ohne es sinnlich spüren zu können, existieren müssen.

Und natürlich gibt es Künstler, die das Meer und das raumgreifende Schiff darinnen als Appell an ihr Ur-Bedürfnis, die Malerei, betrachten: wie Sieglinde Enders oder auch Anne-Marie Sprenger. Letztere hat Orgien in malerisch gebrochenem Grau abgeliefert: vom Inneren wie vom Äußeren des U-Boots. Während der Marinemaler Olaf Rahardt die Sache eher cool und neusachlich angeht: bei ihm ist ein U-Boot ein U-Boot. Nicht zuletzt also ein technisches Wunderwerk mit hochromantischer Potenz, auf dem einige schick verkleidete Jungs ihre Muskeln spielen lassen.

Manche mögen nur spielen: wie Christian Frick, der in seinen Installationen die Seeschlacht verkitscht und verschmockt ins deutsche Wohnzimmer holt. Anderen läuft der Zeichenstift wie von selbst beim Wort U-Boot, wie Dietrich Gondosch, der daraus zutiefst karikaturistisch gebrochene Seinszustände destilliert. Und auch Dirk Klose übernimmt Brücks Reizwörter als Metapher und malt untergehende und auftauchende Politiker.

Man kann also wirklich nicht sagen, dass sie es sich leicht gemacht hätten, die KünstlerInnen, die der Kurator zu sich ins "Show-Boat" holte. Wobei die berühmte Transfer-Leistung der Betrachter, sprich das um die Ecke Denken, natürlich auch hier erwünscht ist: Bei Thomas Brenners inszenierten Fotografien z.B., die allesamt in einem trockengelegten, blaugekachelten Schwimmbad "passieren". Bei Bernd Decker, der auf seinen Fotoprints mit der kalkulierten Unschärfe spielt. Und selbst beim wunderbar skurrilen "Unterwassertretfahrzeug"-Projekt der Truppe Wingert | Brändli | Redlingshöfer geht es ja höchst rätselhaft zu. Fragt man sich doch dauernd: Wann endlich steigt jemand in diesen grauleuchtenden Unterwasser-Anzug? Und wann endlich wird dieses grauleuchtende, so schrecklich heulende Töne von sich gebende Pedalen-Gefährt zu Wasser gelassen? Man wird doch nicht etwa die Streccius fluten?



Links:
Decker Bernd (Rubrik KÃœNSTLER)  |  Olma Veronika (Rubrik KÃœNSTLER)  |  Sprenger Anne-Marie (Rubrik KÃœNSTLER)  |  Brändli Natascha (Rubrik KÃœNSTLER)  |  Brenner Thomas (Rubrik KÃœNSTLER)
Wingert Brändli Redlingshöfer
K.F. Wingert l Natascha Brändli l Felix Redlingshöfer: "Unterwassertretfahrzeug (2. Bauabschnitt)", Szenografie, tauchfähiges Objekt, Aluminium, 350 cm
Christian Frick
Christian Frick: Entwurf für Gemälde "tiefste Tiefen"
Bernd Decker
Bernd Decker: "Boot-Spiele", Gips, Rasenkreide
Dirk Klose
Dirk Klose: "Abtauchen (Merkel)" / "Luft schnappen (Stoiber)"
Anne-Marie Sprenger
Anne-Marie Sprenger: "U-Boot 2", Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 80 cm
Thomas Brenner
Thomas Brenner: "Phobos 1.1", Fotografie
Mareile F. Martin
Mareile F. Martin: "Acheron", Fotografie
Veronika Olma
Veronika Olma: "Aquarium (kaputt)", Eitempera auf Baumwolle
Manfred Enders
Manfred Enders: "Bergung", Digitaldruck auf Leinwand, 60 x 80 cm
Olaf Rahardt
Olaf Rahardt: "Angler", Ölgemälde
Sieglinde Enders
Sieglinde Enders: "Abschied in Triest", Acryl auf Leinwand, 80 x100 cm und 80 x 40 cm



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Christian Frick
Christian Frick: Entwurf für Gemälde "tiefste Tiefen"
Bernd Decker
Bernd Decker: "Boot-Spiele", Gips, Rasenkreide
Dirk Klose
Dirk Klose: "Abtauchen (Merkel)" / "Luft schnappen (Stoiber)"
Anne-Marie Sprenger
Anne-Marie Sprenger: "U-Boot 2", Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 80 cm
Thomas Brenner
Thomas Brenner: "Phobos 1.1", Fotografie
Mareile F. Martin
Mareile F. Martin: "Acheron", Fotografie
Veronika Olma
Veronika Olma: "Aquarium (kaputt)", Eitempera auf Baumwolle
Manfred Enders
Manfred Enders: "Bergung", Digitaldruck auf Leinwand, 60 x 80 cm
Olaf Rahardt
Olaf Rahardt: "Angler", Ölgemälde
Sieglinde Enders
Sieglinde Enders: "Abschied in Triest", Acryl auf Leinwand, 80 x100 cm und 80 x 40 cm