Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
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"So here we are"
Absolventen des Goldsmiths College London
29.09.11 bis 30.09.11
So here we are
Sandra Erbacher: "Install 5, The Impossibility of reason"

Vernissage am 25.09.11 um 11.00 Uhr
Begrüßung: Franz Dudenhöffer, Vorsitzender des Kunstvereins Speyer
Einführung: Christopher A. Kerstjens M.A., Kunsthistoriker
Die Künstler sind anwesend.

Mit Blue Curry, Sandra Erbacher, Trevor Kiernander, Jon Moscow und Inês Rebelo.

So Here We Are präsentiert fünf junge Künstler aus Deutschland, England, Kanada, Portugal und den Bahamas, deren Wege sich am renommierten Londoner Goldsmiths College gekreuzt haben und die heute im Kunstverein Speyer Einblick in den aktuellen Stand neuer Kunst aus London geben.

Auch wenn sich die hier vertretenen Künstler selbst nur bedingt als Nachfahren der Young British Artists sehen, die Goldsmiths in den 1990er Jahren bekannt gemacht haben - tatsächlich sind die individuellen gesellschaftspolitischen Positionen der hier vertretenen Künstler viel zu differenziert und eigenständig um Vergleiche zu zulassen - sind dennoch alle in Speyer vertretenen Künstler sehr deutlich dem Anspruch des Colleges verpflichtet, künstlerisches Handeln als Gegenwartskritik zu verstehen. Aufmerksam die Gegenwart zu beobachten, gesellschaftliche Prozesse zu reflektieren, kontextualisieren und unermüdlich Machtstrukturen und Hierarchien zu hinterfragen. Dies findet inhaltlich und formell Ausdruck in den hier gezeigten Werken: Gesellschaftliche Strömungen, Spannungen, Gegensätze und Kollisionen werden in künstlerische Formen übertragen. Dabei verschwimmen die üblichen Grenzziehungen zwischen Malerei, Zeichnung und Skulptur.

Fordernd, testend und subversiv präsentiert jeder der anwesenden Künstler einen anderen Zugang zu Räumlichkeit. Entsprechend zeugt die Ausstellung So here we are sehr bewusst und bestimmt von der Konstruiertheit, der Brüchigkeit, Wandelbarkeit und der Offenheit sozialer Räume. Es werden Geschichten von Orten und Idealen, Entwurzelung und Phantasmagorien erzählt, von Macht, Abweichungen, Klischees und Zwängen, von Sackgassen aber auch von möglichen anderen, neuen Perspektiven.

In der Umsetzung zugleich ernst und humorvoll lädt So here we are den Betrachter dazu ein, lebendige junge Kunst aus London und die Künstler dahinter kennenzulernen.


Die Künstler

Der auf den Bahamas geborene Blue Curry wirft in seinen Arbeiten ein Schlaglicht auf die verzerrte Wahrnehmung und Aneignung des Exotischen. Ein künstlerischer Seitenhieb auf die nahezu mythische und klischeebelandene Wahrnehmung fremder und ferner Länder (und ihrer Bewohner) im Westen. Dazu überzieht er in seiner künstlerischen Praxis alltägliche postindustrielle Phänomene mit einem überbordenden, phantastischen Exotismus. Durch diese Gegenüberstellung wird das Exotische als Fetisch erkennbar, das unbewusst in unserer Wahrnehmung verankert liegt: Exotik als Produkt westlicher Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibung. Für seine minimalistischen Installationen und Objekte bedient sich Blue Curry eigensinniger Materialkombinationen, die fast schon widerspenstig zwischen ethnographischen Fundstücken, Souvenirs und zeitgenössischen Kunstformen changieren und dieses Thema auf ebenso ironische wie präzise Weise darstellen.

Blue Curry (BA, MFA), 1974 in Nassau, Bahamas. Studium der Kunst an der University of Westminster und dem Goldsmiths College. Einzel- und Gruppenausstellungen u. a. "Stranger than Paradise", Nassauischer Kunstverein, Deutschland (2011); 'City States', 6th Liverpool Biennial (2010) sowie "The Global Caribbean", Art Basel, Miami Beach (2009). Träger des Londoner Kunstpreises "Deptford X Award 2011". Blue Curry lebt und arbeit in London.

Sandra Erbachers Arbeiten sind Entdeckungsreisen in Zwischenräume. Sie streift durch die Peripherien und Leerstellen gesellschaftlicher Strukturen und erweckt diese zum Leben. Von diesen ungewohnten Positionen und mit ungewohnten Materialien - Erbacher kombiniert Fundstücke mit Baumaterialien, Klebeband und feinsinniger Zeichenarbeit - erkundet die Künstlerin gesellschaftliche Mechanismen und Hierarchien. Dabei werden Normen ebenso präzise entlarvt wie spielerisch gebrochen und neue Beziehungsmuster geschaffen. Die Künstlerin schafft ein komplexes räumliches Zusammenspiel aus Themen, Positionen und Materialien, das weit in den Ausstellungsraum hineinreicht. Die fließende Gegenüberstellung von unterschiedlichen Materialien und Formen in den Zeichnungen, Collagen und Installationen erlauben eine physische Bewegung in die thematisierten Zwischenräumen und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema.

Sandra Erbacher (BA, MA, BFA), geboren 1978 in Gernsbach, Deutschland. Studium der Kommunikations- und Kulturwissenschaften, Goldsmiths College; Malerei und Zeichnung am Camberwell College of Arts. Einzel- und Gruppenausstellungen u. a. "When family fails", Umbrella Gallery, Leeds (2010); "LECTURE HALL. FREE SCHOOL", Five Years, London (2010); 2011 u. a. im Rahmen von "The Contemporary London: Editions", The London Print Studio sowie Artsmart London. Erbacher ist Stipendiatin der University of Wisconsin und lebt zurzeit in den Vereinigten Staaten.

Der in London ansässige Kanadier Trevor Kiernander widmet sich in seinen Arbeiten dem Topos "Heimat". Kiernander erarbeitet Heimat im Kontext von Entfremdung und Entwurzelung. Er fängt dabei den spannungsgeladenen Moment ein, in dem gewohnte Beziehungen und Kontexte zerbrechen und die metaphorischen, formellen oder auch physischen Resonanzen erkennbar werden. Dermaßen deplaziert und entblößt, werden die unbewussten Vorrichtungen sichtbar, die dem Heimatbegriff Schutz und Sicherheit verleihen. In seiner künstlerischen Praxis verbindet Kiernander dazu Elemente der Kunstgeschichte mit scheinbar belanglosen, zufälligen Bildern und visuellen Eindrücken aus seiner alltäglichen Umwelt. Das Zusammenwirken dieser entgegengesetzten Bestandteile aus Kunstkanon und Alltäglichem schafft komplexe, subjektive Räume, die über das Zusammenspiel zwischen Leinwand und Objekten in den Ausstellungsraum fließen.

Trevor Kiernander (MFA), geboren 1975 in Mississauga, Kanada. Studium der Kunst und Malerei in Montreal und London. Einzelausstellungen "Relative Detachments" (2007) und 2To Build A Home" (2010), Art Mûr, Montreal sowie "Trade Skins" (2010), Bearspace, London. Gruppenausstellungen u. a., "How to Manage When Everything's a Priority", Grace and Clark Fyfe Gallery, Glasgow, Schottland (2009), "Notes From the Underground", James Taylor Gallery, London (2009) und "The Devil's Necktie", The Woodmill, London (2010). Aktuell sind seine Arbeiten ebenfalls im Rahmen der Art Moscow in der Ausstellung "Translate/Transcribe" zu sehen.

Jon Moscow versucht mit seiner Arbeit die Hindernisse und Fallen, die Sprache und Semiotik an sich in den Weg des Unerwartenden legt, zu umschiffen. Durch multiple Strategien schafft er Lücken, offene Zonen und Risse der Logik, wo Konventionen kaum von Nutzen sind. Seine Arbeit verbindet Sackgassen, fließende Brücken und Kehrtwenden - eine Sackgasse mag die Logik auf ihrem Weg aufhalten, während Brücken die Ufer disparater Welten verbinden, so dass bereits feststehende Codes ineinander fließen und miteinander verschmelzen und gerade wenn der Gedanke entsteht, wieder auf festem Boden zu stehen, wird er von einer scharfen Kehrtwende aus dem Gleichgewicht geworfen. Seine Arbeit durchzieht eine Form der Alchemie, die versucht Nomen dahin zubringen, zu enthüllen, dass sie nicht existieren und alle nur eine bloße Erscheinung in einer Reihe von Verben sind.

Jon Moscow (MFA) geboren in Cleethorpes, Großbritannien. Studium der Wirtschaftswissenschaften, danach der Kunst u.a. an der Berliner UdK, der Kunstakademie Düsseldorf sowie dem Goldsmiths College. Einzelausstellungen u.a. bei LoBe, Berlin (2010-2011); "Superheavy Half Life", Ringstube, Mainz (2011); "Von Beuys Inspiriert", Schmela Haus, Museum K20, Düsseldorf (2011); "Born Disappointed", Raum Oberkassel, Düsseldorf (2011). Gruppenausstellungen u. a. "The Wolfson Syndrome", London (2011); "SAMVAAD", Foundation for Indian Contemporary Art, New Delhi, India (2011); "Untitled", MOT International, London (2010). 2009 Residenzstipendium der Stadt Düsseldorf in Chongqing, China. 2011 Nominierung für den Bergischen Kunstpreis des Solinger Baden Museums. Jon Moscow lebt und arbeitet in Düsseldorf und London.

Inês Rebelos künstlerische Praxis verbindet wissenschaftliche Repräsentation mit subjektiver Alltagserfahrung. Ihre Arbeiten umkreisen wissenschaftliche Verfahren und das Vorhaben die Welt - in schier endloser Anstrengung - durch empirische Studien zu verstehen. Dazu verwendet sie Bilder und Texte wissenschaftlicher Publikationen, die sie in ihrer künstlerischen Praxis als Kartographie von Sternen, Planetennebeln und Galaxien wiederaufleben lässt. Diese re-kontextualizierten und re-präsentierten Fakten, mit Sprühfarbe auf Aluminium aufgetragen, tragen oft einen humorvollen Unterton, wenn sie uns mit der Absurdität und der ultimativen Vergeblichkeit konfrontieren, die Unendlichkeit zu kartographieren. Fast schon nebensächlich konfrontiert uns Rebelo dabei mit dem Wesen der Kartographie als Ordnungsprinzip. Rebelos Arbeiten laden den Betrachter ein, zwischen fernen und einzigartigen kosmischen Ereignissen zu navigieren und bisher vernachlässigte, banale Dinge im Weltraum neu zu entdecken, deren Hierarchien zu studieren und eine Wieder-Verzauberung des Bekannten einzuleiten.

Inês Rebelo
(MFA) 1981 in Lissabon, Portugal geboren. Kunststudium am Goldsmiths College. Einzelausstellungen in London (The Bun House, 2011; The Old Police Station, 2010) und Lissabon (Galeria Monumental, 2011; Paulo Amaro Contemporary Art, 2009). Gruppenausstellungen u. a. am Museo de Arte Contenporaneo Union Fenosa, A Coruña sowie Seventeen Gallery and Gasworks, London, "Between Worlds" Folkestone Trienniale (2011). Stipendiatin der Calouste Gulbenkian Stiftung. Ehrenhafte Erwähnung im Fidelidade Mundial Preis 2009. Rebelo lebt und arbeitet in London.




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