Bild und Bilder

(Dieser Text ist angeregt worden durch ein Interview für SWR4 im August 2006)

Ein Gespräch über Kunst im Radio ist an sich schon außergewöhnlich. Es erinnert mich ein wenig an eine Führung durch eine Ausstellung bei totaler Dunkelheit. Jeder von uns geht dann von seiner eigenen Vorstellung aus, wenn von Farben und Formen die Rede ist. Deshalb will ich über die Bedeutung von Bildern für mich reden. Und davon, dass der Künstler nicht zum verschrobenen Fachidioten und Lieferanten von Dekoration für Schalterhallen verkommen darf.

Meinen Beruf als Bildender Künstler habe ich immer auch als eine Berufung verstanden und immer als ein Privileg. Das bedeutet für mich zuerst, zu wissen was ich will. Und das dann auch zu tun, in der von mir bestimmten Form. Aus dem zu schöpfen, was in mir selbst verborgen ist? Das klingt zuerst anmaßend.

Damit ist es aber nicht genug. Die künstlerische Arbeit braucht noch eine weitere Bedingung damit die Kunst eine Chance bekommt: Ein Leben in einer freien Gesellschaft, für die die Visionen ihrer Mitglieder von Relevanz sind. Dort sollen sie auch den Ort finden, an dem sie realisiert werden können. Dann werden sie für die Öffentlichkeit meistens als Kunstwerke sichtbar und angenommen. Die Meisterwerke unter den Kunstwerken können dann zu Vorbildern werden. Das ist keine spezifische moderne Erkenntnis. Mit ihren Bildern haben schon die Maler der Vorzeit in der Höhle von Lascaux das Überleben ihre Gemeinschaft zu sichern versucht.

Mit der Realisierung jeder Vision wächst aber auch die Möglichkeit ihres Scheiterns durch eine Vielfalt der Einflüsse von innen und außen. Das sehe ich heute als wichtiges Regulativ der Visionen an. Warum soll jede Vision ein Künstlerleben lang halten? Haben Bilder und die Vorbilder ein Verfallsdatum? Wie lange haltbar sind Sie? Die Visionen auf ihre Gültigkeit und vor allem Lebensfähigkeit zu überprüfen und dann auch zu revidieren ist die schöpferischste Aufgabe überhaupt - viel wichtiger vielleicht noch als ihre eigentliche Schaffung.

An der Städelschule in Frankfurt am Main habe ich von 1969 bis 1974 Malerei, Grafik, Bildhauerei und Architektur studiert. Danach in den Bereichen gearbeitet. Als Künstler und Hochschullehrer in Frankfurt und in Offenbach. Von meiner Arbeit als Bildender Künstler habe ich auch bald nach meinem Studium leben können. Der Durchbruch kam mit der Teilnahme am Bildhauerwettbewerb für die Gestaltung des Platzes vor der Alten Oper. Danach konnte ich eine Reihe Ausstellungen in namhaften Museen realisieren.

Mit dem Wechsel meines Wohnortes von Frankfurt an den Rhein 1992 haben sich auch meine Ansprüche an die künstlerische Arbeit gewandelt. Die Natur und der Umgang mit ihr nahmen für mich an Bedeutung zu. 1993 machte ich einen Entwurf für einen Garten für das "Festival des Jardins" in Blois an der Loire. Die Erfahrungen darin konnte ich, zusammen mit Barbara Fuchs, dann einfließen lassen in ein eigenes Natur-Kunst-Projekt am Rhein. Unter dem Titel "Garden of Artist" steht es immer noch auf der UNESCO-Internetseite.

Daraus entstand in den Jahren 1996 bis 2001 das Projekt "Rheingarten". Angeregt hat uns dazu die sichtbare Verwahrlosung des Rheintals durch Weinbergsbrachen am Rhein. Unsere Vision für das Rheintal bestand darin, verlassene brachliegende Weinberge zu einem System von Gärten auszubauen. Und diese Gärten beiderseits des Flusses mit Blickachsen zu verbinden. Das innovative Pilotprojekt hat eine große Resonanz in den Medien europaweit gefunden.
Der "Rheingarten" wurde von der EU in den Jahren 1996 bis 2000 als beispielhaftes Pilotprojekt gefördert. Die spanische Universität Salamanca hat dem Projekt 2001 eine eigene Ausstellung gewidmet. Trotzdem hat sich von 2001 bis 2002 in Rheinland-Pfalz niemand gefunden, der zu Übernahme der Pflegekosten in der Höhe von 5000 EUR im Jahr bereit wäre. "Rheingarten" war damals wahrscheinlich 10 Jahre zu früh realisiert. Heute werden für die anstehenden Gartenschauen in Koblenz und Bingen Projekte gesucht und die Ideen von "Rheingarten" dafür gerne ausgeschlachtet.

Die Landschaftsprojekte machten mir, viel stärker als die einsame Arbeit im Maleratelier, den sozialen Aspekt meiner Arbeit bewusst. Es geht vor allem darum Menschen für die Projekte zu gewinnen, sie zu beteiligen, mit ihnen Meinungen auszutauschen und wenn nötig auch mit ihnen zu streiten. Vielleicht weil ich nicht in Deutschland geboren bin, spielt für mich die Europäische Idee eine so wichtige Rolle. Irgendwo habe ich gelesen, dass wir Juden die natürlichen Europäer seien.

Bereits im Jahre 1998 habe ich den ersten Europatag in Oberwesel veranstaltet. Die Grundidee der Veranstaltungsreihe war, unser festgefügtes Bild von Europa zu relativieren. Wir alle sollen uns bewusst werden, dass wir und unsere unmittelbare Umgebung JETZT Europa sind. Unsere Gegenwart und die Geschichte Europas zugleich auch unsere Geschichte und Europas Gegenwart ist. Und keine ferne, abstrakte Brüsseler Bürokratie. Die Veranstaltungsformen meiner Europatage reichen von Konzerten über Podiumsgespräche bis zu Präsentationen von Büchern.

Mitte des Jahres 2003 musste ich operiert werden. Es war ein wichtiger Einschnitt in meinem Leben, denn seitdem ist meine Mobilität stark eingeschränkt. Um die daraus folgenden Nachteile auszugleichen gründete ich im April 2004 das "Forum für Kunst und Kultur VICTORAT". Die Schwerpunkte der Arbeit bleiben Kunst - Natur - Soziales. Eine besondere Bedeutung nimmt weiter meine Verbindung zum Judentum und zu Israel ein. Die Arbeit mit der Kunst hat mich erfahren lassen, dass wir alle nur das sehen, was wir wissen.

Wir Juden sind eine kleine Minderheit in der Gesellschaft. Auch ein Grund dafür, dass das jüdische Leben außerhalb der großen Städte heute kaum noch existiert. Aber wem ist noch bewusst, dass das christliche Rheinland eine jüdische Basis hat? Und die Kirchen mit Bildern von Patriarchen und Propheten geschmückt sind, die Juden waren? Wer soll darüber sprechen wenn nicht wir?

Anfang des Jahres 2006 hat meine Frau Barbara Fuchs angeregt, in Oberwesel ein Denkmal der Oberweseler Bürger für ihre jüdischen Nachbarn zu errichten. Mit Namen aller, die in der Stadt gelebt haben und in der Zeit von 1933 bis 1945 vertrieben und ermordet worden sind. Gemeinsam haben wir uns dafür eingesetzt. Durch ein breites Engagement der Bürger getragen, wurde das Denkmal 2006 realisiert und am Internationalen Tag der Jüdischen Kultur am 03.09.06 eingeweiht. Der Mittelpunkt der Veranstaltung war der Besuch des Rabbiners Dr. Alfred Gottschalk aus New York. Der 1930 in Oberwesel Geborene, hat noch 1939 als Kind Deutschland verlassen können. Er ist zusammen mit weiteren Personen, mit seiner Familie und Freunden aus den USA an den Rhein gekommen.
Das Denkmal ist ein wichtiges Zeichen, das auf die Vergangenheit hindeutet. Um unsere Arbeit für Verständigung zwischen Juden und Christen in der Gegenwart weiter sichtbar zu führen, haben wir den Rabbi Hillel e.V. in Oberwesel gegründet. Und auch am 28.01.07 die erste Veranstaltung zum Thema "Jüdisches Leben Heute" mit dem bekanntem Kölner Publizisten Günther Ginzel durchgeführt.

Am 07.10.06 wurde meine Plastik "Tierraguaire" in Huerta bei Salamanca in Spanien der Öffentlichkeit übergeben. Sie thematisiert die spanischen Worte für die Elemente: Erde, Wasser und Luft, die dort zu einem Kunstwort zusammengesetzt sind. "Tierraguaire" steht nicht in einem Museum oder in einer Privatsammlung. Sondern in Freiem, auf der Kreuzung von zwei Landstraßen. Dort hilft Sie die Geschwindigkeit aus dem Autoverkehr zu nehmen und seine für Menschen oft gefährlichen Folgen zu mildern.

Und zum Schluss? Es ist noch kein Schluss. Das hier geschriebene gilt für meine Arbeit bis jetzt. Über meine Vorhaben in der Zukunft will ich nicht reden. Machen will ich noch Einiges.

(Februar 2007)