Strieffler-Haus der Künste e.V. / Strieffler Haus
000_blank
"Rendezvous am Nierentisch"
Das "Fünfziger-Jahre-Gefühl" im Strieffler Haus Landau
18.09.16 bis 30.10.16
Strieffler-Haus
Hase, 1953, Entwurf Walter Bosse, Majolika Karlsruhe

Vernissage am 18.09.16 um 11.00 Uhr (Aus Sicherheitsgründen ist nur ein beschränkter Zugang zum Haus möglich, wir bitten um Ihr Verständnis.)
Begrüßung: Christel Ludovici
Grußwort: Dr. Maximilian Ingenthron
Einführung: Dr. Karin Leydecker

Wenn Rudi Schuricke seine Capri-Fischer hinausschickt und die rote Sonne im Meer versinkt, ist es wieder so weit: Die goldenen Fünfziger lächeln und alle lächeln mit! Wer's nicht glaubt, darf jetzt beim "Rendezvous am Nierentisch" im Landauer Strieffler Haus der Künste die Probe aufs Exempel machen. Alles ist da: Das sexy Knistern der Petticoats, das wilde Rot auf den Lippen der "Sünderin" und natürlich die ganze Wirtschaftswunderwelt mit Gummibaum, Tütenlampe und Brezelständerkultur. Es spiegelt das Lebensgefühl im Nachkriegsdeutschland, das der Verheißung  "Wohlstand für alle" glaubte und ganz einfach vergessen wollte: Die braune NS-Vergangenheit, die Schuld und die Trauer. Glück schien käuflich und alle kauften mit. In diesem Klima schillernder Ambivalenz zwischen Spießigkeit und Aufbruchstimmung, zwischen rührender Naivität und undomestizierter Fantasie wuchs eine bunte Warenwelt in einer ungeahnten Stil- und Formenvielfalt.

Die Ausstellung "Rendezvous am Nierentisch" verführt mit einem grandiosen Panorama zwischen Kunst, Kitsch und Alltagsdesign zu einem kulturgeschichtlichen Spaziergang durch eine kurze Epoche, die wir heute verklärend als die "goldenen Fünfziger" bezeichnen. Mode war nun wieder ein großes Thema und die Versandhauskataloge lockten mit "Cocktailensembles" spinnwebzarter Eleganz: Die Taille eingeschnürt zur Sanduhr und die Hüften in Cello-Optik weich gerundet. "Tulpenlinie" hieß das damals und die wurde per Korsett gepresst: "Triumph drückt den Speck in den Strumpf!"
Die brave Hausfrau der Fünfziger hielt auf "geschmackvolle Wohnkultur" im heißersehnten trauten Heim. Aber über Geschmack ließ sich streiten: Die Avantgarde der "guten Form" postulierte Schlichtheit und Materialstrenge, aber Otto Normalverbraucher wählte lieber Cocktailsesselchen mit schiefen Beinen, schräg gemusterte Tapeten und pastellige Blumenständer mit Messingkante.

Wie die Ausstellung zeigt, suchten auch die Bildenden Künste in den Fünfzigern neue Wege zwischen Figuration und Abstraktion. Man sieht auch, dass es damals zwischen Bildender Kunst und dem Design der Gebrauchsobjekte einen fruchtbaren Austausch gab. Die Werbeindustrie boomte und weckte in den Köpfen der Deutschen den brennenden Wunsch nach Luxus. Der Wohlstand wuchs mit Perlonhemd und Waschmaschine und bald ging es nicht mehr nur darum sich "endlich wieder richtig satt zu essen": Man wollte endlich wieder reisen. Am liebsten nach "Bella Italia" mit Sommer, Sonne und ganz viel amore. Capri avancierte zur Sehnsuchtsmetapher Nummer eins, und jeder der konnte, machte sich mit seiner Vespa oder dem Goggomobil auf den Weg. Man kaufte ricordi bis zum Abwinken - zum Beispiel kitschige Muschelkästchen, Eselkarren aus Porzellan oder bastumwundene Chianti-Flaschen - und verschickte viele bunte Ansichtskarten, die dann zu Hause im Glasfenster des Küchenschrankes steckten. Rocco Granatas heiseres "Marina"-Geraune und ein giftgrüner Aschenbecher aus Murano-Glas -fertig war das kleine Glück am Nierentisch. Das große Glück gab's im Kino: Der Heimatfilm schenkte die Illusion von Sicherheit und Geborgenheit und manchmal auch die Lust auf ein fernes Abenteuer: "Komm ein bisschen mit nach Italien, komm ein bisschen mit ans blaue Meer, und wir tun, als ob das Leben eine schöne Reise wär." Das Strieffler Haus der Künste in Landau schenkt nun noch einmal dieses echte "50er-Jahre-Gefühl".
Dr. Karin Leydecker

Öffnungszeiten:
Fr., Sa. und So. von 14.00 bis 18.00 Uhr




[zurück]
Strieffler-Haus
Hase, 1953, Entwurf Walter Bosse, Majolika Karlsruhe