Kunstverein Speyer / Kulturhof Flachsgasse
"60 Jahre Pfälzische Sezession"
Jubiläumsausstellung
17.04.05 bis 22.05.05
Thomas Brenner
Thomas Brenner: "Brot und Spiele", Inszenierte Fotografie

Besprechung von Marcus Clauer, Die Rheinpfalz vom 16.04.05
Melancholie und Abweichung

Die Ausstellung "60 Jahre Pfälzische Sezession" im Speyerer Kulturhof

Im Katalog schreibt Eberhard Linke über Kunst, bei der "Mauerfugen grün angestrichen" werden, Backförmchchen in den Sand gedrückt und Lufballons exakt zum Quadratraster geordnet". Bloßer Anspruch sei hier von geschickten Kunstvermittlern und einem Netzwerk von Institutionen als Leistung ausgegeben, heißt es grimmig. Seinen Widerspruchsgeist muss man Künstler Linke lassen, schließlich ist der ehemalige Professor für plastische Grundlagen und räumliches Zeichnen an der FH Mainz Mitglied der Pfälzer Sezession. Der Zusammenschluss von 26 Künstlern trägt seinen Abweichungswillen schon im Namen. Im Speyerer Kulturhof Flachsgasse hält er seine Jubiläumsausstellung "60 Jahre Pfälzische Sezession" denn auch ohne Sandkastenspiele und Backförmchen ab. Allerdings sucht man auch bei der Sezession die Anbindung und willkommene Konkurrenz. So hat man Gäste eingeladen: Als Star Alfred Hrdlicka aus Wien zum Beispiel, Uwe Pfeifer aus Halle oder den inszenierenden Fotografen Thomas Brenner aus Kaiserslautern.

Brenner, in Westfalen geboren, aber schon als Abiturient eingemeindeter Pfälzer, bringt in seiner Serie "Brot und Spiele" geschichtetes Baguette am Wegesrand zum Leuchten. Auf einer anderen seiner genau choreographierten Bildwelten laufen nackte Frauen mondsüchtig über einen Kaufhausparkplatz. Je nach Seh- und Geistesschärfe sind die auf Wirkung kalkulierten Fotos geheimnisvoll, schön, oder Anlass gelehrter Entzifferungen, für die man sich aber leicht den Missmut des Kritiker-Kritikers Eberhard Linke zuziehen könnte. Brenner jedenfalls gehört zu den Hinguckern der Sezessions-Selbstinszenierung, die ansonsten eher maßvoll überrascht.

Auffällig allerdings, dass man der frisch gekürten Emy-Roeder-Preisträgerin Angela Glajcar in der ihr zugewiesenen Nische kaum Entfaltungsmöglichkeiten einräumt. Ihr in den Raum schwingender 3-D-Bildkosmos aus gerissenem Papier lässt etwas eingezwängt die Flügel hängen.

Auch Dieter Brembs kommt in Speyer mit seiner 18 Meter breiten Ellipse, der der gebürtige Würzburger einen Pelz aus Kreidewirbeln gemalt hat, an Grenzen. Sein Werk ist mangels einer größeren Wandfläche - was allerdings apart aussieht - nur etwa zur Hälfte ausgerollt. Eher ein Malheur ist, dass eine Arbeit von Stefan Forler aus gebogenem Stahl und einer Glasplatte bei Putzarbeiten beschädigt worden ist. Man hat die Bodenplastik auf einen Podest platzieren müssen, wegen Anstoßgefahr. Für zarte Seelen mag diese auch vor Werner Korbs ins Agitprophafte spielenden Multimediaarbeit über "Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten" bestehen. Auf eine knitternde US-Fahne sind in Kreuzform angeordnete Schnappschüsse der Quälereien zu sehen, die US-Soldaten im Irak an Kriegsgefangenen begangen haben.

Der bald 67-jährige Pfalzpreisträger Korb, der zu den Klassikern der hiesigen Kunstszene und auch der Sezession gehört, hat sich seine nervöse Wut bewahrt. Der in Zweibrücken geborene und in Neustadt lebende Maximilian Hutlett (72) legt beharrlich und quälend langsam wie immer metaphysische Landschaften aus Bronzeblöcken frei. Peter Haeses kraftmeiernde Weiber berserkern wie eh und je über die Blätter. Christiane Maethers traumselig treibende Einsame sprengt auf ihre auratische Art das Querformat, das statt mitten an die Wand sehr schön auch an den Deckenknick gepasst hätte.

Über Ausstellungen wie diesen liegt eine Melancholie. Otfried H. Culmanns phantastischer Realismus, wie er die Spielmarken einer eigenen Rätselhaftigkeit immer neu ausgibt, fast schon erscheint es einem bodenständig. Nur die Figuren haben sich im Laufe der Jahrzehnte immer mehr in den Vordergrund gedrängt. Eberhard Linkes Terracotta-Figuren, sein "Ikarus", der "Legionär", das verschlungene Tanzpaar, sie sind von einer nahe gehenden Brüchigkeit und einem Aufspaltungsdrang angegriffen, immer noch. Ein stets frisches Aufbäumen überwirbelt die Sperrholzplatte von Rudolf Scharpf, Jahrgang 1919. Die Jungen sind auch schon um die 40. An der Wand die plastischen Blow-ups zwischen Geologie und Fantasie aufgefundener Objekte von Alexandra Deutsch.

Es wird Zeit, dass jemand Alfonso Manella (Jahrgang 1965) entdeckt, seine von Schraffuren überzogenen Großstadtexpressionen (Kaltnadel / Winkelschleifer / Monotypie) haben anspringende Energie. Oder den Speyerer Thomas Duttenhoefer als feinnervigen Porträtisten mit dem Zeichenstift inthronisiert. Der Bildhauer zeigt in Speyer seinen fast schon naturalistischen Bronzekopf, für den ihm Marcel Reich-Ranicki Modell gesessen hat. Entlarvender sind allerdings die Zeichnungen. Sichtbar aus der Hand eines Bildhauers sind sie Skizzen einer Missmutigkeit geworden, die den exaltierten Reich-Ranicki beim Ruhigsitzen überkommen haben muss. Ein bisschen mehr Aufbruchstimmung hätte man sich zugegebenermaßen auch für die Sezessionsschau ersehnt. Es müssen ja nicht gleich grüne Mauerfugen sein.


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Werner Korb
Werner Korb: "Krähe"



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