Annet Kuska: "Chimaera - wer aus mir trinkt, wird ein Tier"
Zeichnung, Grafik
16.02.25 bis 16.03.25
Vernissage am 16.02.25 um 11.00 Uhr
Einführung: Jochen Gindele im Dialog mit Annet Kuska
Musik: Anton und Thomas Ruppert, Trompete
In ihren Bildern - meist sind es Grafiken oder Druckgrafiken - verbindet Annet Kuska häufig menschliches und tierisches, oft sind es Vögel. Die daraus entstehenden Wesen haben manchmal etwas von Mischwesen. Chimärenhaft bewegen sie sich über die Bildfläche, in einer Art bizarrer oder fabelhafter Prozession. In anderen Bildern erscheint das Tier eher als Begleiter, oder sogar als 'alter ego', als tierischer Stellvertreter, der dargestellten Person. Die Portraits von Tier und Mensch liegen übereinander, sie überschneiden sich, gehören somit zusammen und bleiben doch auch getrennt wahrnehmbar.
"Wer sind die? Was geht hier vor?" fragt sich der eine oder die andere. Die Bildserien und Portraits wirken wie Ausschnitte aus märchenhaften Erzählungen, und die Frage nach einer Geschichte, die zu den dargestellten Figuren passt, drängt sich auf. Tatsächlich gibt es keinen Text als Grundlage für Kuskas Arbeiten, doch der narrative Impuls ist beabsichtigt, da er letztendlich die Frage an die Betrachter zurückgibt: wer bist du, und was geht hier vor?
"Damit ist das große Thema dieser Bilder benannt", spannt Kuska den Bogen: "Die Frage nach der Identität einer Person; nach dem Prozess des Sehens und des Gesehenwerdens; nach einer Erzählung über Menschen - die dargestellten und die betrachtenden. Die Frage, was Identität ausmacht, sowie der Wunsch nach Veränderung und Verwandlung ist etwas zutiefst menschliches." Durch die ganze menschliche Kulturgeschichte hindurch lassen sich solche Vorstellungen und Hoffnungen immer wieder auch durch die Verbindung von Menschlichem mit Tierischem fassen – beispielsweise im antiken Ägypten durch die Darstellung von Göttern mit tierischen Köpfen oder der menschlichen Seele als Vogel; in schamanischen Zusammenhängen ist eine Vermischung gang und gäbe wie auch die Vorstellung von sogenannten ‘spirit animals’ als Pendant zu unserer Persönlichkeit.
Manchmal fungiert das Tier bei einer vermischenden Darstellung als Projektionsfläche für die Erfahrung von Fremdheit, wie das bei spätmittelalterlichen Darstellungen von Menschen mit Hundsköpfen der Fall ist. Bei Kuska haben die Tiere eine eher positive Funktion: sie verkörpern die Seele, das Wesen, manchmal auch den freien, ungehinderten Geist, die Unbändigkeit und Freude der Menschen, denen sie zugeordnet sind. Die Tiere sind den klassischen Konventionen des Sehens und Gesehenwerdens in der Portraitkunst enthoben, so sind sie freier, was zu einer Spannung führt mit dem menschlichen Teil oder der menschlichen Person, mit der sie in Verbindung stehen. Die Verunsicherung unserer Sehkonventionen, die insbesondere bei den Frauenportraits provoziert wird, macht diese Spannung erlebbar und fordert die Betrachter heraus, sich über ihr Betrachten und ihrer damit verbundenen Erwartungshaltungen bewusst zu werden.
In ihren druckgraphischen Serien finden diese Gedanken ihren Ausdruck in fast karnevalesken, humorvollen Szenen, die ein wenig an Märchen erinnern, in denen die Grenzen zwischen tierischer und menschlicher Form ebenfalls nicht streng fixiert sind. An diesen Aspekt knüpft der Titel der Ausstellung durch das leicht abgewandelte Zitat aus dem Grimm’schen Märchen "Brüderchen und Schwesterchen" an. Im Märchen lebt das Tier Dinge aus, die dem Menschen verwehrt sind. Gleichzeitig ist es bedroht und daher besonders schutzbedürftig. Diese Ambivalenz von Kraft bzw. Entfaltung einerseits, und der Zerbrechlichkeit und Fragilität einer solchen Entfaltung andererseits zieht sich durch das gesamte Werk von Annet Kuska. Es eröffnet spannungsvolle Räume für fantasierendes Fragen und Träumen, aber auch für innere Reflexion und kritisches Betrachten.
Vita & Ausstellungen:
Annet Kuska wurde 1972 in Freiburg geboren. Sie wuchs im Hochschwarzwald und in Emmendingen am Kaiserstuhl auf. Nach ihrem Abitur studierte Kuska zunächst Theologie an den Universitäten in Freiburg, Heidelberg und Berlin (Humboldt). 1997 zog sie nach England. Von 1998 bis 2003 studierte sie Freie Kunst an der Kunsthochschule Arts Institute at Bournemouth (heute Arts University at Bournemouth). Von 2003 bis 2009 arbeitete sie als Dozentin für Druckgraphik, Zeichnen und Critical & Historical Studies am Arts Institute at Bournemouth. Darüber hinaus war sie freischaffend tätig.
Seit 2009 lebt Annet Kuska wieder in Deutschland und ist als Kunstpädagogin am Gymnasium des Alfred Grosser Schulzentrums in Bad Bergzabern tätig. Graphik und Druckgraphik stehen im Zentrum ihres künstlerischen Schaffens, ergänzt durch Malerei und Objekt. 2005 gewann Kuska ein Studiostipendium der Stadt Southampton/England. Im selben Jahr entstand die plastisch-druckgraphische Arbeit "all things vernacular" als Beitrag zum "art vaults project" - einem Projekt für Kunst im Öffentlichen Raum der Stadt Southampton.
2014 initiierte Annet Kuska einen internationalen Druckgraphik-Portfolio-Tausch mit Künstlerinnen und Künstlern aus England, Frankreich und Deutschland. Vorrangiges Ziel dieses Projektes war die Begegnung und der Austausch aller Teilnehmenden. Das resultierende Portfolio wurde zum Ausgangspunkt einer Werkschau aller Beteiligten, die 2015 in kurzer Abfolge in Deutschland und Frankreich gezeigt wurde.
2015 machte Annet Kuska die Ausbildung zur Falknerin. Annet Kuska lebt im Pfälzer Wald und arbeitet neben ihrer Schultätigkeit weiterhin künstlerisch in ihrer eigenen Druckwerkstatt.
Öffnungszeiten:
Di. bis So. von 15.00 und 18.00 Uhr