Carmen Stahlschmidt: "Wechselzeit"
Zeichnungen, Skulpturen
29.01.08 bis 26.02.08
Carmen Stahlschmidt: "Taubenschwänzchen", 2007, Bleistift, Buntstift, Aquarell auf Papier, 150 x 90 cm
Die Ausstellungsreihe der Galerie in der TU Kaiserslautern wird im Neuen Jahr fortgesetzt mit Werken der in Oppenheim lebenden Künstlerin Carmen Stahlschmidt. Nach ihrem Kunststudium an der Universität Mainz wurde sie schon kurz danach mit dem Eisenturmpreis der Stadt ausgezeichnet. Es folgten längere Aufenthalte in Frankreich, wobei sie sich mit dem menschlichen Körper (Radierungen und Zeichnungen) intensiv beschäftigte.
Schwerpunkt war und ist das Zeichnen. Seit 2002 arbeitet sie auch mit Stein. Bronzen und Keramiken entstehen pararallel zur Zeichnung. Der Zeichengrund ist in der Regel Papier, aber auch Polyester. Dabei spielt die schwarze Linie die wohl die größte Rolle - einmal kraftvoll, dann wieder zart und versponnen. Dagegen setzt sie häufig einen Farbton, der ihren Werken eine verstärkte Spannung verleiht. Die Thematik in ihren Arbeiten hat immer mit dem Menschlichen, Tierischen und Pflanzlichen zu tun, wobei es keine klare Trennung gibt. Bei der Plastik ist ebenfalls die menschlich-tierische Gestalt von Bedeutung. Die Figuren sind meist in einer beschwingten Bewegung und haben eine heitere Leichtigkeit.
Carmen Stahlschmidt kann auf zahlreiche öffentliche Präsentationen, u.a. in Frankreich, Österreich, Berlin, München, Dresden und Mainz zurückblicken.
"Wechselzeit" - ein Titel, der auf treffende Weise Motiv, Gestaltung und innere Haltung von Carmen Stahlschmidt umgreift. Denn alles, was sich mit dem Prädikat "Wechsel" verbinden lässt - Wechseljahre, Wechselkurse, Jahreswechsel etc. signalisiert einerseits Bewegung, möglichen Fortschritt oder ständige Prozesshaftigkeit - andererseits verweist es ebenso auf ein Zurücklassen, auf Trennung, Schmerz und Verlust. Diese Spannweite persönlichen Erlebens und künstlerischen Umsetzens markiert Carmen Stahlschmidt nur selten durch ein schroffes Entweder-Oder wie es beispielsweise die harten "Rot auf Schwarz"- Kontraste dokumentieren. Denn gleich im Anschluss symbolisieren orange-gelbe Farb-Wellen-Kompositionen eher Lebenslust und verhaltene Freude.
Oft mag der Titel - wie auch der erste Blick des Betrachters - täuschen: So kündigen "Forelle blau", "Forelle rot" z.B. keine weitere überflüssige Kochsendung an, sondern spiegeln indirekt ironisch-ästhetisch den schwindenden Zauber eines vergehenden Genusses... Diese Künstlerin balanciert mit ihren Zeichnungen auf ständig wechselnden Ebenen, gewinnt eine Leichtigkeit des Striches, der einmal in diffuser, weiter Ferne aufzugehen scheint, um sich dann wieder in den verschiedensten Schwerpunkten zu zentrieren. Dichte, unkonventionell gesetzte Schraffuren garantieren Tiefe wie Plastizität. Suggerieren eine vitale Bewegung, die anzuschwellen scheint, ohne dass ein Ende abzusehen wäre. Eine faszinierende Ästhetik der Linie, fast eine grafische "Lebenslinie". Was Wunder, dass Carmen Stahlschmidt diese Motive auch auf die duftig-transparenten Fahnen platziert hat. Unterstützen, steigern sie doch in ihrem möglichen Schweben den Eindruck des eigenständigen Sich-Entwickelns, des Wachsens schlechthin.
Sie ahnen es schon: gewiss fungierte bei diesem künstlerischen Prozess anfangs eine bestimmte Frucht - sei es ein Granatapfel, eine Orange oder anderes mehr - als auslösendes Moment. Doch bleibt sie nicht als realistische Vorgabe bildbestimmend, sondern wird lediglich zu einer Art von Initialzünder. Da glaubt man einer ständigen Metamorphose beizuwohnen, die längst nicht mehr einschränkenden botanischen Regeln folgt. Im Gegenteil: diese Exponate - bisweilen mit teilexpressivem, farbigem Flächenschwung akzentuiert - dokumentieren etwas ganz anderes. Es sind faszinierende Ergebnisse eines freien Gestaltens, das sich bis heute nie an zeitgeistigen Trends orientiert hat. Das sich nicht in einem banalen Vorzeigen und Aufzeigen erschöpft, vielmehr - ob bewusst oder unbewusst - eine Sphäre des Geheimnisvollen, Mehrdeutigen provoziert.
Sie können das regelrecht bei dem Reigen der Nachtfalter nachvollziehen. Korrekt betitelt lesen Sie da: "Mondspinner", "Taubenschwänzchen", oder "Brauner Bär". Doch nur selten werden Sie da allerdings auf den ersten Blick einen bestimmten Schmetterling entdecken - eher schon Aspekte seines möglichen Wesens, das Flirren und Flattern, die Aufblitzende Schönheit, aber auch das latent Unheimliche. Hier - noch deutlicher als bei den "Fruchtfleisch"-Exponaten - offenbart sich eine schier unglaubliche Lust am Fabulieren, ein Verschränken der unterschiedlichsten Wirklichkeitsebenen. Bisweilen gepaart mit einer melancholischen Ironie, die stets unterschiedliche Interpretationen und Assoziationen offen lässt... so manches Werk zu einem "Bild-Rätsel" verwandelt.
Schließlich präsentiert Ihnen diese Künstlerin eine Vielzahl von Bronzen und Keramiken, die auf eigene Weise schon einen evolutionär künstlerischen Prozess durchlaufen haben. Nicht gerade grazil, nicht gerade als Werbung für "Du darfst" geeignet, aber umso unbeschwerter und fröhlicher posieren sie mit menschlichen Körpern, erscheinen als "Huhn", "Gockel", "Große Henne" oder als verwandlungsbereiter "Froschkönig". Es sind Mischwesen der besonderen Art, gestaltgewordene Fantasien, die beispielsweise sogar noch den Elwedritsch-Kult sinnvoll ergänzen. Warum braucht dieses Fabelwesen gelbe Füße? Ganz klar: damit es nachts nicht überfahren wird. Um Missverständnissen vorzubeugen: Carmen Stahlschmidt versteht es vielfältig ironische Aperçus, ungeahnte Vorstellungen und überraschende Interpretationen in ihrem Werk zu vereinen.
Doch vergessen Sie nicht: Dahinter steht direkt-indirekt zumeist auch eine Weise der Daseins-Analyse, ein Erhellen menschlicher Lebensformen, die ihre Spannung aus vielen unlösbaren Gegensätzen beziehen. Sie glauben es nicht? Zuhause, vor dem eigenen Exponat werden Sie mir sicherlich Recht geben...