Vernissage am 25.03.11 um 20.00 Uhr Eröffnung: Barbara Kleinschmidt, Vorstand Kunstverein Grußwort: Hans-Dieter Schlimmer, Oberbürgermeister und Kulturdezernent der Stadt Landau Einführung: Dr. Reinhard Spieler, Direktor des Wilhelm-Hack-Museums Ludwigshafen Musik: DUOKAISA, Isabel Eichenlaub, Karl Atteln
Künstler-Fotografen: Anémone de Blicquy (Strasbourg/Frankreich), Martin Blume (Landau, Paris), Thomas Brenner (Kaiserslautern), Martina Kerl (München), Jochen Kitzbihler (Freiburg i. Br.), Timo Klos (Bad Hersfeld, Berlin, Offenbach a.M.), Ingar Kraus (Berlin, Zechin), Martin Liebscher (Berlin, Frankfurt/M.), Boris Mikhailov (Berlin, Kharkiv/Ukraine), Holger Niehaus (Berlin), Martin Rieger (Landau, Berlin), William Ropp (Nancy/Frankreich)
Heinz Setzer zur Ausstellung:
"Der Zweite Blick". Zeitgenössische Fotografie.
Generell gilt für die Bildende Kunst der Gegenwart, dass sie sich der dynamischen Entwicklungsgeschwindigkeit der Medienwelt nicht entziehen kann, was mit dem in den letzten beiden Jahrzehnten beobachteten "pictural" oder "iconic turn" zeitlich zusammen fiel. Es ist gerade durch die neuen Medien unübersehbar geworden, dass die globalisierte "one world" sich vor allem durch die Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien auszeichnet, an vorderster Stelle betrifft dies die Welt der Bilder. Nie war die Verführungsgewalt der fotografischen Bilder so groß wie heute, nie war auch gleichzeitig das Misstrauen gegenüber der dokumentarischen Belegkraft von Bildern größer, wo jeder beliebige Bildinhalt, ganz gleich, wie phantastisch er auch sei, digital herstellbar erscheint. Die massenhafte Verbreitung der fotografischen Dokumentation von realer Wirklichkeit, von Visionen und Inszenierungen in jeder Erscheinungsform hat einen kaum mehr überschaubaren Aufschwung genommen. Dass sogar aktuell Handyfotografien und -filme über soziale Netzwerke wie Twitter oder facebook revolutionäre Massenbewegungen länderübergreifend anzuregen und zu lenken verstehen, belegt die kaum zu begrenzende Wirkungskraft der visuellen Bilder.
Der historische Beginn der Fotografie: Faszination und Verachtung
Seit J. N. Nièpce im Jahr 1827 das erste fotografische Bild erzeugte und ein Jahrzehnt später durch die Daguerrotypien der Siegeszug der neuen fotografischen Technik begann, hat sich unser "Weltbild" verwandelt. Vor allem war es die Fotografie, die es ermöglichte, sämtliche Erscheinungsformen unseres Welterlebens abbildgenau und kostengünstig zu verbreiten, ein Bedürfnis, das ganz natürlich durch den Erkenntniszuwachs des Bürgertums und der Industriegesellschaft gesteigert wurde. Die Künstler haben die Entwicklungsdynamik der Fotografie sehr früh als Angriff auf die traditionelle Gattung der Malerei erfahren und brachten dem neuen Medium häufig Mitrauen, ja Verachtung entgegen. War doch die Fotografie im 19. Jahrhundert angetreten, den "Bilderhunger" des Bürgertums zu stillen, was vor allem bei Portrait- und das Landschaftsfotografien sichtbar wurde, die das traditionell gemalte Bild ins zweite Glied verdrängten und dabei nicht nur Existenzängste bei den Malern auslösten, sondern auch der "Dekadenz" der Massengesellschaft Vorschub zu leisten schien.
Bekannt wurde so das Verdikt des französischen symbolistischen Schriftstellers Charles Baudelaire (1869): "In diesen kläglichen Tagen ist eine Industrie hervorgetreten, die nicht wenig dazu beitrug, die platte Dummheit in ihrem Glauben zu bestärken, dass die Kunst nichts anderes ist und sein kann, als die getreue Wiedergabe der Natur. … Ein rächerischer Gott hat die Stimme dieser Menge erhört. Daguerre ward sein Messias."
In der Bildenden Kunst erfolgte die Antwort auf diesen scheinbaren Zeit-Ungeist einer neuen preiswert verfügbaren Bildtechnik vor allem durch die künstlerische Moderne und Avantgarde nach der Jahrhundertwende, welche die Kunstwerke von der Tradition der mimetischen Abbildung befreiten, die ihre "eigene Wirklichkeit" erschufen und dem Werk eine "autonome Aura" verliehen.
"Der Zweite Blick" in der Fotografie
Die Fotografie, durch deren fast grenzenlose dokumentarische Leistungsfähigkeit wir in die hintersten Ecken unserer Erde "sehen" können, hat uns die Welt zum Dorf werden lassen. Kommunikationsprozesse waren und sind auch Abbildungsprozesse - unsere Globalisierung ist vor allem auch eine allseitige Verfügbarkeit von Bildern. Ähnlich wie in der Bildenden Kunst begann die Fotografie als Kunstform sich von der Massenfotografie zu distanzieren und zu differenzieren. Die Fotografie näherte sich der autonomen Kunstform mit eigener Wirklichkeit, sogar scheinbar dokumentarische Bilder können autonome Kunstwerke werden. Die Grenzen des Darstellbaren rückten dabei immer weiter auseinander. Zwar hatte die Fotografie jahrzehntelang um ihre Anerkennung als eigenständige Kunstform zu kämpfen, in USA weniger als in Europa, dennoch ist die künstlerische Fotografie in den letzten Jahrzehnten zu einem unbestrittenen Sammelgebiet geworden, in dem bei Auktionen höchste Preise erzielt werden und Museen sich um die Inkunabeln der Fotokunst schlagen.
Die Fotografie erschließt ihre künstlerischen Qualitäten nicht unbedingt auf den ersten Blick - hier ist eine besondere Bewusstheit, ästhetische Intensität und Sensibilität der Wahrnehmung geboten. Dies ist die Einfallsstelle des "Zweiten Blicks".
Künstlerische Fotografie ist weit davon entfernt die reale Welt nur abzubilden, zu verdoppeln. Der "Zweite Blick" weist auf die Gestaltungsprinzipien und -verfahren, welche unsere Wahrnehmung verunsichern, irritieren und intensivieren können und auf jeden Fall den Prozess der Wahrnehmung als Bewusstseinsprozess etablieren. Dabei sollen folgende Wahrnehmungsbereiche in der Ausstellung besondere Berücksichtigung finden: Vom Eindruck zum Sehprozess, vom Fokus zur Relation, von Erwartung zur Enttäuschung, von der Täuschung zum neuen Raum, vom Erkennen zum Vexierspiel. Die menschliche Fantasie vermag imaginierte Bilder zu entwerfen, die sogar unserem inneren Auge nur schemenhaft offenbar werden, aber in der Fotografie als scheinbar reale Bilder zur Darstellung gebracht werden können. (Vgl. Paolo Bianchi: Ästhetik der Fotografie. In: Kunstforum international, 2008, Nr. 192, S.122).
Und der Kunsthistoriker Claude W. Sui bestimmte die besonderen Qualitäten des Mediums Fotografie in folgender Weise:"Fotografie ist der Versuch, ein Stück Realität dem Strom der Erscheinung zu entreißen, (…). Fotografie wird ein Instrument wider das Vergessen, sie konserviert vergangene Ereignisse. Sie kann aber auch Ereignisse simulieren und neu inszenieren, die so nie stattgefunden haben. Das fotografische Bild wird zu einer Metapher für den zugleich lebendigen und eingefrorenen Augenblick, der in paradoxer Weise den Tod vorwegnimmt und sich zugleich gegen ihn wendet." (Vgl.: Weltstars der Fotografie. Die Preisträger der Hasselbad-Foundation. Hrsg. von Alfred Wieczorek u. Claude W. Sui, Heidelberg 2008, S.10 f.) Fotografien können so zu Korrespondenzen von Innen- und Außenwelt werden, visuelle und subversive Kräfte von An- und Abstoßung freisetzen und symbolische Bedeutung gewinnen.
Der Kunstverein Landau hatte 2001 seine erste reine Fotografieausstellung durchgeführt, u.a. mit dem bekannten Fotografen Prof. Robert Häusser, - nun, zehn Jahre später, werden zwölf z. T. weltweit renommierte Fotografen teilnehmen. Ein eine inspirierende und irritierende Erfahrung sinnlicher Wahrnehmung sollte in der Ausstellung garantiert sein.
Katalog
Ein mindestens 128 Seiten starker Farbkatalog mit einer Einleitung von Barbara Kleinschmidt und Heinz Setzer, einem kunsthistorischen Essay zur Ausstellung von Dr. Reinhard Spieler sowie Fotografien und Biografien der Künstler wird die Ausstellung dokumentieren. Der Essay wird zweisprachig (dt. / frz.) veröffentlicht.
Begleitprogramm
03.04.11 | 15.00 Uhr "Heranführungen" zur Ausstellung durch die Fotokünstler Martin Blume und Martin Rieger
12.04.11 | 20.00 Uhr "Die Metamorphosen des Ovid" Lesung: Jürgen Reitz, Schauspieler (Saarbrücken), Moderation: Martin Rieger
17.04.11 | 15.00 Uhr "Heranführungen" zur Ausstellung durch die Fotokünstler Martin Blume und Martin Rieger
01.05.11 | ab 15.00 Uhr Finissage mit "round table" und Führung durch die Ausstellung Mit den Künstlern, der Kunsthistorikerin Dr. Barbara Clemens und dem Kunstvereinsvorsitzenden Heinz Setzer
Förderer: - BASF The Chemical Company [www.basf.de/kultur] - Sparkasse Südliche Weinstraße in Landau - "Die Fachverwalter" Mannheim
Künstler-Fotografen
Anémone de Blicquy
- geb. 1973 in Uccle (Belgien)
1994/1999 - Art dramatique - conservatoire du centre de la ville de Paris
2007/2008 - MASTER Arts visuels orientation Recherche - Université Marc Bloch - Strasbourg
2000/2002 - compagnies théâtrales (Festival d'Avignon et Théâtres parisiens)
2010/2011 - Union Alsacienne de Yoga - 4 jährige Ausbildung zur Yogalehrerin
Martin Blume
- geb. am 23.11.1956 in Herrsching am Ammersee - lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Landau in der Pfalz und Paris
seit 2005 - Initiierung und Durchführung der "Classic Photography"
seit 2008 - Künstlerische Beratung und Coaching
2008 - 2009 - Projekt und Buch, „Der Dom zu Mainz - Bilder einer Kathedrale"
2009 - Kulturpreis der Stadt Annweiler am Trifels
Thomas Brenner
- geb. am 26.09.61 in Wiedenbrück/ Westfalen
1983 - Assistenz bei Fotodesigner K.H. Weinmann
1984 - Studium an der GHS Essen, Kommunikationsdesign
1986 - Assistenz bei Gerhard Vormwald, Paris
1995 - Diplomabschluss bei Prof. Inge Osswald und Prof. Volker Küster
- Lehrauftrag an der FH Trier für Fotographie - freiberufliche und künstlerische Tätigkeit - Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Stahlbildhauer K.M. Hartmann, Projekt "Tod des Marat" - Projekt "ligne maginot" (Beginn 1997), seit 1998 mit Installationskünstler Bernd Decker - Organisation von eigenständigen Ausstellungsprojekten mit Künstlern verschiedener Kunstsparten
Martina Kerl
- geb. 1963 in Duisburg - Kindheit in Kairo - Studium der Kunstgeschichte und Philosophie in München und New York - Diplom für Grafik Design und Fotografie bei Wolfgang Baum an der U5 in München - Gründung von artpool, Agentur für visuelle Kommunikation München - Aufbaustudium Philosophie und Ästhetik bei Peter Sloterdyik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe
seit 1988 - Agenturleiterin der Agentur artpool
seit 1998 - tätig für dtv - daneben freie Arbeiten als Fotografin im Bereich Portrait und Reportage
Jochen Kitzbihler
- geb.1966 in Ludwigshafen/Rhein - lebt und arbeitet in Freiburg im Breisgau sowie in Breitnau im Hochschwarzwald
1985 - 1987 - Ausbildung zum Steinbildhauer
1989 - 1995 - Studium bei Prof. Hiromi Akiyama an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe
1995 - Abschluss mit Diplom sowie Meisterschüler - seither zahlreiche Preise in Wettbewerben mit darauf folgenden Realisierungen
Timo Klos
- geb. 1983 in Bad Hersfeld - lebt und arbeitet in Bad Hersfeld, Berlin and Offenbach am Main
seit 2004 - Studien an der Universität für Kunst und Design, Offenbach am Main
2008 - Assistenz bei dem Fotografen Werner Huthmacher in Berlin
2008-2009 - Auslands-Semester (Erasmus-Stipendium) bei der Kuvataideakatemia (Finnish Academy of Fine Arts) in Helsinki
2011 - Diplom bei Prof. Martin Liebscher
Ingar Krauss
- geb. 1965 in Ost-Berlin - lebt in Berlin und Zechin (Oderbruch) - nach Schulabschluss, handwerklicher Lehre und Armeedienst verschiedene Tätigkeiten: u.a. Bühnenhandwerker am Theater, Betreuer in der Psychiatrie - seit Mitte der neunziger Jahre Fotograf
seit 2001 - Ausstellungen und Stipendien im In- und Ausland
Martin Liebscher
- geb.1964 geboren, wohnt und arbeitet in Berlin und Frankfurt
1990-1995 - Städelschule, Staatliche Hochschule für bild. Künste, Frankfurt bei Martin Kippenberger und Thomas Bayrle
1993 - Slade School of Fine Arts, London
1993-1995 - Stipendium Studienstiftung des dt. Volkes
1996 - Frankfurter Künstlerhilfe - Atelierstipendium im Haus der Frankfurter Sparkasse - Hans Purrmann Preis
1997/1998 - Mackey Apartment Stipendium, Los Angeles
1998 - Weltrekord, längstes Gruppenfoto der Welt
1999 - 1. Kunstpreis der „Frankfurter Welle“ - Kunstpreis der Volksbank - Förderpreis für Fotografie Rheinland-Pfalz
Boris Mikhailov
- geb. 1938 in Kharkov, ehem. UdSS - lebt und arbeitet in Berlin und Kharkov
2000 - Gastprofessur Department of Visual and Enviromental Studies, Harvard University, Cambridge, MA, USA - The Hasselblad Foundation International Award in Photography, Göteborg, Sweden
2001 - Citybank Private Bank Photography Prize, London, England
2002 - Gastprofessur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, Germany
Holger Niehaus
- geb. 1975, lebt und arbeitet in Berlin,
1998-2002 - Studium an der Academie voor beeldende Kunst en Vormgeving Enschede/ Niederlande
2008 - one for the honey, two for the show, tinderbox, Hamburg (Solo); - MKGalerie, Berlin (Solo); - Centraal Museum, Utrecht (Group)
2009 - Luckytown, Palais für aktuelle Kunst, Glückstadt; - Birne Helene, Gemeentemuseum Den Haag, Niederlande (Solo); - Little History of Photography, GAC (Galician Center for Contemporary Art), Santiago de Compostela (Group);
Martin Rieger
- Menschwerdung 1962 - Fotografie ab 1976 (Mentor Peter Schöndorf) - Zivildienst - Studium der Pharmazie und Philosphie, Berlin - Lehrauftrag für Morphologie und Histologie der Pflanzen, Inst. Pharm. Biol. Berlin - Auftragsarbeiten im Bereich Inszenierungen für Objekt, Industriedesign und Literatur mit zahlreichen Veröffentlichungen und Titelseiten für Magazine und Bücher - Freie Arbeiten Städtedokumentationen, Portrait und Stillleben - Fotoatelier in Landau seit 1994
William Ropp
- geb.1960 in Versailles/Frankreich
Erwerbungen (Auswahl): - The Museum of Fine Art, Houston (USA) - Museo de Arte Moderno de Vitoria Artium (Spain) - Maison Européenne pour la Photographie, Paris (France) - Museet for Fotokunst, Odense (Denmark) - Musée de l'Elysée, Lausanne (Switzerland) - The New York Public Library, (the Spencer Collection), N.Y .(USA) - Musée Civico Farnese, Piacenza (Italy) - Musée Ken Damy, Brescia (Italy) - Galerie Robert Doisneau , Vandoeuvre (France) - Musée Vamn Reekum, Apildoorn (Holland) - The Polaroid Collection (USA) - Galerie du Château d'eau, Toulouse (France) - Fotomuseum in Mölkau, Leipzig (Germany)