Preisverleihung am 14.09.06 um 19.00 Uhr
Einführung: Jan Wagner
Erstmals wird der mit 5.000 EUR dotierte Arno-Reinfrank-Literaturpreis vergeben. Den von der Witwe des Schriftstellers Jeanette Koch gestifteten und zusammen mit der Stadt Speyer zu vergebenden Preis erhält der 34-jährige Lyriker Jan Wagner aus Berlin. Dies teilte Kulturbürgermeister Hanspeter Brohm als Mitglied der Jury, die in Speyer tagte, jetzt mit.
Mit dem in Erinnerung an den 2001 in London verstorbenen Schriftsteller Arno Reinfrank gestifteten Preis soll, so Jeanette Koch, ein deutschsprachiger Schriftsteller für herausragende literarische Leistungen in Lyrik oder Prosa ausgezeichnet werden, die im Sinne des Werkes von Arno Reinfrank den Idealen des Humanismus und der Aufklärung verpflichtet sind bzw. sich literarisch mit den Prozessen und Phänomenen von Wissenschaft und Technik auseinandersetzen.
Oberbürgermeister Werner Schineller zeigte sich erfreut darüber, dass der Preis in Speyer vergeben wird. Die Bezüge des Dichters zur Stadt, so der Oberbürgermeister, seien vielfältig. So seien im Marsilius-Verlag Speyer nicht nur das 1000-seitige Millenniumsprojekt "Fin de Siècle - Die letzten tausend Tage" erschienen, ein Tagebuchprojekt, in dem er zusammen mit dem Künstler Klaus Fresenius den Ausgang des vergangenen Jahrtausends reflektierte, die Landesbibliothek Speyer beherberge auch den schriftstellerischen Nachlass Reinfranks, den sie zu Jahresbeginn in einer umfangreichen Ausstellung gewürdigt habe.
Für die Jury, so Bürgermeister Brohm, zeige die Lyrik des ersten Preisträgers Jan Wagner eine deutliche Affinität zu Reinfranks "Poesie der Fakten". Mythologische Symbolstätten werden wie triviale Gegenstände der Alltagswelt ausschnitthaft, aber mikroskopisch genau in Augenschein genommen und dabei suggestiv in einen sinnhaften Zusammenhang einbezogen. Jan Wagner entwickele dabei eine unprätentiöse Artistik der Sprache, die noch mit den inhaltlichen Motiven wie den sprachlichen Formen zugleich virtuos und spielerisch umgehe. Was Jan Wagner schließlich mit Arno Reinfrank verbinde, sei die enge Beziehung zur angelsächsischen Kultur und auch hier wieder vor allem zur Lyrik.
Jan Wagner wurde 1971 in Hamburg geboren. Er hielt sich längere Zeit in Dublin auf und lebt seit 1995 als Schriftsteller, Herausgeber und freier Literaturkritiker in Berlin. Als Übersetzer englischsprachiger Lyrik erhielt er den Übersetzerpreis der Stadt Hamburg. 2001 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband "Probebohrungen im Himmel", 2004 folgte der Lyrikband "Guerickes Sperling".
Arno Reinfrank (1934-2001), in Mannheim geboren und in Ludwigshafen aufgewachsen, ging nach diversen Studienaufenthalten in Paris und Berlin 1955 aus Protest gegen die restaurative Politik der Bundesrepublik nach England und lebte bis zu seinem Tode am 26.06.01 in London. Reinfrank war Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland und ist Träger zahlreicher Ehrungen und Literaturpreise. Sein vielgestaltiges und umfangreiches Werk umfasst publizistische Arbeiten, Prosa, Theaterstücke, Mundartgeschichten und Lyrik. Im Zentrum seines lyrischen Schaffens steht sein dichterisches Hauptprogramm, die zehnbändige Poesie der Fakten, in der er sich zu den Fragen einer industrialisierten Welt äußert und auf symbolische Weise wissenschaftliche Fakten der modernen Welt auf den schriftstellerisch-ästhetischen Bereich überträgt.
Der Jury gehören neben Jeanette Koch als Stifterin und dem Kulturbürgermeister der Stadt Speyer, Hanspeter Brohm, der Lyriker Hans Thill als Vertreter des P.E.N.-Zentrums Deutschland an sowie der an der Wayne University in Detroit in den USA lehrende Literaturwissenschaftler und Reinfrank-Kenner Prof. Dr. Guy Stern, zudem der Reinfrank-Verleger Dr. Volkhard Brandes, der Vertreter des rheinland-pfälzischen Kulturministeriums Dr. Sigfrid Gauch und Dr. Eckhart Pilick als Mitglied der Freireligiösen Gemeinden.