Gertrud Schrenk und Mark Hofstetter: "Paradís undir Jökli"
Fotografie
27.04.03 bis 23.05.03
Einführung von Dr. Matthias Brück
< D_K_M_N_M_M > - Paradís undir Jökli
Alles hätte so prächtig weitergehen können - damals im Paradies. Wäre da nicht eine neugierige Eva und ein Pantoffelheld namens Adam gewesen, denen wir unser Elend bis zum heutigen Tag zu verdanken haben. Seitdem versuchen wir uns zu erinnern, wie es damals wohl gewesen ist - und dabei kam es zu den wunderlichsten, ja phantastischsten Vorstellungen. Doch mittlerweile hat man das Paradies - vergleichbar mit der Utopie - längst aus dem politischen wie philosophischen Denken suspendiert. Bisweilen begegnet einem der Begriff noch als leckere Eis-Creme-Kreation oder bezeichnet traditionell eine Ferienanlage à la "Club méditerranée" - ein Indiz unserer fortschreitenden Bescheidenheit! Trotz dieses unbezweifelbaren Aufklärungsfortschrittes wagen es Gertrud Schrenk und Mark Hofstetter, Ihnen ein "Paradís undir jökli" anzubieten, ein "Paradies unter Gletschern".
Doch klugerweise haben sie sich mit der Klausel < D_K_M_N_M_M > (das kann man nicht mehr machen) abgesichert. Möglicher Kritik ist damit von Vornherein der Boden entzogen und zeitgeistig-mainstreamerprobte Betrachterinnen und Betrachter dürfen sich unbeschwert ihrer ästhetischen Sensoren bedienen ... Und in der Tat offenbart sich jetzt eine großartige isländische Landschaft, der Kant und Lyotard ohne zu zögern das Prädikat "erhaben" zugestanden hätten. Ehrfurchtseinflößende Felsformationen, eine ergreifende Reinheit und Unberührbarkeit charakterisieren diese einsam-glückliche Monumentalität.
"Zurück zur Natur" hätte Jean Jacques Rousseau zu Recht beim Anblick dieser Exponate gejubelt - und es schmerzt, feststellen zu müssen, daß selbst diese grandiose Umwelt - im Widerspruch zu manchem soziologischen Dogma - nicht nur Gutmenschen hervorgebracht hat. Es ist diese faszinierende Doppelbödigkeit, dieses Changieren zwischen seriösem Erleben und ironischer Subversion, zwischen Wunsch und Inszenierung, das diese Ausstellung durchgehend auszeichnet. Und sicherlich ist Ihr Interesse - rein ästhetisch und ohne voyeuristische Begehrlichkeit - immer wieder von den nackten Paaren gefesselt worden ... Wieso auch nicht? Reiner, ursprünglicher, ja unschuldiger - im Sinne von paradiesischer Natürlichkeit - können Mensch und Landschaft kaum miteinander verschmelzen.
Gewiß, in einer sich überlagernden Invasion von Bildern mag mancher diese Szenen zuerst mit jener Werbung für fettarme Margarine assoziiert haben, deren Genuß längst "die Zigarette danach" ersetzt haben soll. Aber ich darf versichern, auch hinter dem nächsten Felsvorsprung suchen Sie vergebens nach einem Kühlschrank!
Wiederum so eine künstlerische List, deren sich Gertrud Schrenk und Mark Hofstetter bedienen, vor allem dann, wenn selbst der geschulte Betrachter eine Weile benötigt, um die nackten Püppchen von dem Original zu unterscheiden. Und all das schöpft seinen vielschichtigen Reiz aus der wohl einzigartigen Kombination antiquierter und modernster Bildtechniken. Da finden sich Video-Projektionen, digitaler Kunstdruck von Photos auf Leinwand, Kleinbild-Kamera, Öllasur-Malerei und jene legendäre "Camera Obscura" zu selten-originalen Kompositionen zusammen
Und gerade diese Camera Obscura - der stets nur ein Loch im Gegensatz zu heutiger "Linsen-Akrobatik" genügte - schafft mit ihren verschwommenen Rändern und ihrer erholsamen nicht-analytischen Unschärfe einen Freiraum für Spekulation, ja sogar meditativer Verführung ... Mögliche Botschaft: Nur ein verschwommenes Paradies ist ein gutes Paradies. Dabei handelt es sich nicht um das letzte Wagnis, das dieses Künstlerpaar einzugehen bereit ist. Gemäß eines früheren Credos von Gertrud Schrenk - "Die Welt wird immerdar von Zier berückt" - begegnen Ihnen öfters unerwartet "ornamentale Bildpartien".
Noch vor etwa einem Jahrhundert - so um 1908, wenn ich nicht irre - verfaßte Adolf Loos seinen radikal-fundamentalistischen Aufsatz "Ornament ist Verbrechen". Vermutlich hätten Sie damals Gertrud Schrenk und Mark Hofstetter höchstens im Gefängnis antreffen können. Ein schlagendes wichtiges Argument unter anderem für Aufklärungs-Erfolge in kürzester Zeit ...
Kleine Fußnote: Meines Erachtens sollte man nach dieser Präsentation ihr Credo < D_K_M_N_M_M > (das kann man nicht mehr machen) durch ein neues ersetzen: < U_O_M_D_M_K > (und ob man das machen kann)!