Rhein-Pfalz-Kreis / Schloss Kleinniedesheim
Jolanda Walther
Malerei
05.06.05 bis 03.07.05
Jolanda Walther
Jolanda Walther

Einführung von Paul Platz

Wassiliy Kandinsky schrieb über die Farbe Rot in seinem Werk "Über das Geistige in der Kunst", von 1911/12: "Sie ist eine Farbe, die trotz aller Energie und Intensität eine starke Note von beinahe zielbewußter immenser Kraft zeugt. Es ist in diesem Brausen und Glühen, hauptsächlich in sich und sehr wenig nach außen, eine sozusagen männliche Reife". Einem männlicher Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts sei es verziehen, die Frau in der Kunst zu vergessen, aber seine Worte passen exakt auf diese Ausstellung mit den Bildern von Jolanda Walther.

Sie hat sich in den letzen Monaten fast gänzlich der Farbe Rot gewidmet, sie als dominanten Ton in all ihren Arbeiten eingesetzt, sowohl in den Aquarellen hier oben als auch in den großformatigen Ölen im Foyer des Erdgeschosses. Das Rot wird in all seinen farblichen Facetten und Schattierung genutzt, das Spektrum reicht vom schon fast am Gelb angelangten Orange bis zum dunklen, schon fast braunen Ton. Die Konzentration auf diese reduzierte und gleichzeitig vielfältige Farbpalette hat ihre Ursache in der intensiven Beschäftigung mit der Malerei, in der leidenschaftlichen Experimentierfreude und in der Suche nach neuen Techniken und Erkenntnissen, neuen Wegen, ein Bild zu gestalten. Die Arbeiten hier spiegeln dies wieder: Motive und technische Umsetzung sind bereit variiert, die künstlerischen Mittel sind in einer enormen Weite eingesetzt.

Jolanda Walther zeigt sich von zwei Seiten: Es sind dabei weniger die zwei Gesichter wie die des altrömischen Gottes Janus, es sind vielmehr zwei Aspekte ihrer Malerei, die sie aber braucht und nutzt, um ihren Drang nach künstlerischer Umsetzung zu befriedigen und nach außen zu tragen. Auf der einen Seite ist sie eine sehr spontane Malerin, dies sieht man in ihren Aquarellen. Sie erzählen viel von ihren energiereichen Arbeitstagen, wenn sie schnell, und mit viel Geschick die dünnflüssige und schnell fließende Farbe auf das teilweise auch noch gewässerte Papier aufträgt. Denn die Schwierigkeit liegt hier in der Eigenwilligkeit des Wassers, dessen Fließkraft gebändigt werden muss, aber, ihrem Anspruch nach, so gestaltet sein muss, als würde das Motiv selbst über das Papier fließen, wie die Personen, die zwar stehen aber nicht statisch eingefroren sind. Sie hält spontane Gefühle und Empfindungen fest, sie produziert keine durchdachten und konstruierten Bilder.

Der Mensch steht vor allem im Mittelpunkt dieser Arbeiten. Ob als Einzelperson, in der Gruppe oder in der Menge, die Künstlerin drückt hier unterschiedlichste Wahrnehmungen und Empfindungen aus: in der Afrikaserie begeistert sie die Anmut der Frauen und der farbenfrohe Schmuck ihrer Kleidung, obwohl diese gleichzeitig eine Last, ihre Last, traditionell auf den Kopf, zu tragen haben. Doch Gesichter sind nirgends zu erkennen, zum einen verweisen sie auf die flüchtigen Begegnung mit den Menschen bzw. der Menschen untereinander, zum anderen ermöglicht diese Anonymisierung, dass jeder diese Person sein könnte. Ganz bewusst wird dieses Mittel eingesetzt, in dem Bild "Zwangsjacke" etwa, wo nur eine wässrige Schattierung dem Kopftuch einen Inhalt gibt; ein Motiv, das darauf verweist, dass jeder den Zwängen des Lebens unentrinnbar unterworfen ist.

Die Aquarelle sind rein aus ihrer Erinnerung, ohne Vorlage, entstanden. Das "irgendwann gesehene" ist so gemalt, als ob sie gerade nur im "Vorbeigehen, au passant" über das Blatt mit dem Pinsel und der Farbe flüchtige Spuren hinterlassen wollte, als habe sie keine Zeit gehabt, sich länger aufzuhalten. Diese Art der Malerei spiegelt für Jolanda Walther unser Zeitalter wieder, alles geht schnell vorbei, man hat keine Zeit Inne zu halten, stehen zu bleiben. Dazu passt die Reduzierung, die gespeicherte Erinnerung wird auf das Wesentliche komprimiert. Trotzdem gibt sie Gefühle und Impressionen wieder: In ihren Blumenstillleben, die keinerlei Vanitas- d.h. Vergänglichkeitsmotiv beinhalten, widmet sie sich vor allem der Rose, den Rosen, für sie das Symbol der Einzigartigkeit. Sie malt nur selten andere Blumen, wie z. B. das Mohnensemble, das aber mehr eine Studie über Bewegungen von Stäben zueinander geworden ist auf denen Bälle eines Jongleurs tanzen. Bewusst ignoriert setzt sie auch bei einigen Bildern die Perspektive, um "Bewegung in dem stillen Leben zu erzeugen".

Die Ölmalerei ist die zweite Seite von Jolanda Walther. Im Gegensatz zum schnellen Auftrag des Aquarells kann sie sich beim Öl Zeit nehmen. Die Farbe trägt sie Schicht für Schicht auf die Leinwand auf, kann verbessern, das Ganze auch wieder, sogar komplett, übermalen. Sie braucht hier keine Angst zu haben, etwas falsch zu machen, zu jedem Zeitpunkt kann sie das werdende Bild korrigieren. Sie entspannt dabei, denkt nach – sie meditiert.
Und sie findet Zeit zum Experimentieren: Mit dem Pinsel, mit der Spachtel werden Farbflächen aufgetragen, wieder weggenommen, weiße Felder strukturiert, als Gliederungs-
elemente eingesetzt. Die Kraft der Farbe ist bei diesen Bildern wichtig, die perfekte Form tritt in den Hintergrund. Sie schafft so Menschen, ikonenhaft und nur durch Umrisslinien definiert, Stadtpanoramen, die an den Orient erinnern, Stillleben, wie die Äpfel auf der Einladungskarte oder, gänzlich reduziert, nur noch reine Farbflächen, die durch ein gekonntes Verteilen auf verschiedenen Ebenen zu einem harmonischen Gleichgewicht finden. Und das langsame Trocknen der Ölfarbe ermöglicht ein ebenso bedächtiges paralleles Arbeiten an mehreren Leinwänden gleichzeitig.

Das "In sich Wirken" von dem Kandinsky schrieb, charakterisiert eigentlich zu wenig das Oeuvre von Jolanda Walther. Die Farbe Rot und die damit verbundenen Malergebnisse wirken gleichermaßen nach Innen und Außen. Denn Jolanda Walther schafft es mit ihrem Können, ihrem Fleiß und ihrer Neugier unterschiedlichste Kompositionen zu gestalten, die eine hohe Intensität beinhalten und trotzdem leicht, fast schwerelos wirken. Sie sagt, dass das tägliche Malen sie auch sehr viel Energie kostet, manchmal zermürbt es sie auch, weil sie ständig auf der Suche ist und oft auch von Zweifeln gequält wird. Hier steht sie in einer Reihe mit einem ihrer großen Vorbilder, Paul Cezanne, der über sich einmal sagte: "Ich könnte hundert Jahre malen, tausend Jahre, ohne einzuhalten, es würde mir vorkommen, als wüsste ich nichts." Wenn ich diese Bilder sehe, zweifle ich nicht, ich weiß.



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