Verein Feuerbachhaus Speyer / Museum Geburtshaus Anselm Feuerbach
Künstlergruppe "AKzenT"
Aktmalerei
19.06.08 bis 31.07.08
Angelika Stark
Angelika Stark: "Weiblicher Akt", Monotypie

Mit Irene Bug, Johannes Doerr, Martin Eckrich, Manfred Eickhoff, Uta Estner, Ulrike Hamm, Kathrin Kirsch, Irene Laborenz, Anne Ludwig, Gerhard Rausch, Gerd Roos, Hartmut Schädler, Manfred Schimpf, Ralph Schneider, Angelika Stark, Miriam Weis und Günter Wöller.

Die Gruppe AKzenT nähert sich dem menschlichen Körper auf künstlerischen Wegen. Die Gruppenausstellung zeigt neu entstandene Akte: gezeichnet und gemalt, modelliert und gestaltet, einzeln oder zusammen, zweidimensional und dreidimensional. Während der Sitzungen im Kunstverein Speyer erarbeiten die KünstlerInnen individuelle Ansichten von Körperformen und Bewegungen. Dabei beschreitet jeder seine eigene Richtung, verfolgt aber ein gemeinsames Ziel: die Aktmalerei.


Einführung von Mira Hofmann

Gleich 17 Künstler beehren uns hier im Feuerbachhaus. 17 Individualisten mit insgesamt über 100 Arbeiten, die so unterschiedlich wie ihre Schöpfer sind. Gemeinsam ist ihnen das Motiv ihrer Werke: Der Akt, also die künstlerische Darstellung des menschlichen unbekleideten Körpers.

Schon seit Jahrtausenden setzen sich Künstler mit diesem Thema auseinander. Die ersten Kunstwerke in der Geschichte der Menschheit überhaupt, etwa 30.000 Jahre alt, stellen neben Tieren auch menschliche unbekleidete Figuren dar, denken Sie an die Statuette der Venus von Willendorf, die etwa 25.000 Jahre alt ist. Auch in den frühen Hochkulturen wie Ägypten sind Menschendarstellungen das wichtigste Thema. Und besonders schön umgesetzt in der griechischen Kunst, in der vollkommene Kuroi/Jünglinge und Koren/Jungfrauen in Bronze und Marmor verewigt wurden. Im Mittelalter bedeckten Maler und Bildhauer die dargestellten Menschen züchtig mit Kleidung. Erst zu Beginn der italienischen Renaissance in Italien weckte die Nacktheit wieder erlaubtes wissenschaftliches Interesse. Das Studium der Anatomie wurde nun betrieben. Anatomie (griechisch: Zerschneiden) ist die Wissenschaft vom Bau der Lebewesen zur Erforschung des Körpers. Erste medizinische Anatomieversuche wurden in Italien zu Beginn des 14. Jhs. durchgeführt. Leonardo da Vinci untersuchte in seinen Anatomiestudien die Funktionen des menschlichen Körpers: Wie hängen Skelett, Sehnen, Muskeln, Haut zusammen? Von den Untersuchungsergebnissen ergab sich für die Malerei ein neues, naturgetreues Bild der Gestalt und vor allem der Bewegung des menschlichen Körpers. Denn der Begriff "Akt" kommt vom Lateinisch "actus"/Handlung und meinte eigentlich die Bewegung.

Doch immer noch war der Akt nur in religiösen, mythischen oder historischen Zusammenhängen erlaubt. Nur Adam und Eva oder römische Götter, vor allem Venus, durften sich nackt durchs Bild bewegen. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Nacktheit an sich zum Thema und musste sich nicht mehr hinter Götterfiguren verstecken. Es ging nun nicht mehr nur um Körperstellungen, sondern auch um eine natürlichere Körpersprache, ich denke da an die Olympia von Edouard Manet (1863).

Auch ein anderer, uns gut bekannter Künstler des 19. Jhs. setzt sich mit der Aktmalerei auseinander. Das erste Fach, das Anselm Feuerbach als Fünfzehnjähriger auf der Düsseldorfer Kunstakademie belegt, ist Anatomie. Er muss zuerst "kleine Gipse" zeichnen, Hände, Füße, Arme, Beine, Torsi und dann im Antikensaal ganze Figuren: den Laokoon, den Diskobol, den Borghesischen Fechter. Alles sehr bewegte Figuren mit viel Action und Emotionen. Auch nach Modell arbeitet er, wobei ich beim nochmaligen Lesen der Briefe von Anselm Feuerbach zuerst dachte, dass die Modelle doch sicher bekleidet sind, bei einer Malklasse voller Fünfzehnjähriger. Aber nein, denn es geht immer noch um Anatomie, vor allem um das Spiel der Muskeln. Anselm schreibt in einem seiner vielen Briefe an seine Stiefmutter Henriette:
"Mein letzter lebender Mensch ist jetzt bis zu den Konturen gediehen, und es ist, Gott Lob und Dank, kein Vergleich mit dem vorigen Akt. Ich habe die Muskeln besser verstanden und ihn überhaupt schwellender gezeichnet. Meine Anatomie in Freiburg kommt mir trefflich zu statten; ich habe beim Laokoon alle Muskeln noch so klein ausgezeichnet, wodurch das Gedrungene, ohne geschwollen zu sein, recht hervortritt."
Erst als er Anatomie beherrscht und die Figuren zeichnen kann, kommen Perspektive und das Malen hinzu. Soviel muss der junge Feuerbach das Zeichnen üben, dass er feststellt: "Malen lernen ist fast leichter als Zeichnen lernen." Wie wichtig in jener Zeit das Aktzeichnen ist, wurde mir in Leighton House in London klar. Frederic, Lord Leighton, ein Zeitgenosse Feuerbachs, zeichnet und malt alle seine Figuren erst einmal nackt ins Bild, bevor er sie bekleidet. Auch Partien, die später völlig vom Gewand verdeckt sind, werden erst einmal anatomisch korrekt vorgezeichnet und -gemalt. Feuerbach tut dies nicht, und manchmal denke ich, dass deswegen die Iphigenie im Körper ein bisschen plump wirkt.

Das Aktzeichnen ist also die Grundlage jeder Malerei. Das gilt für alle Zeiten und, etwas eingeschränkt, auch heute noch, denn es war doch immer die menschliche Figur, die im Mittelpunkt der Kunst stand. Mal mehr oder weniger verklärt, ob als ägyptischer Totengott Osiris oder als römische Göttin Venus. Erst in der abstrakten Kunst des 20. Jhs. tritt die menschliche Figur eine Zeitlang in den Hintergrund, seit einigen Jahrzehnten ist der Mensch aber wieder modern, sowohl in der Malerei als auch in der Fotografie.

Mit diesen Grundlagen der Malerei beschäftigt sich die Künstlergruppe AKzenT. Seit fast 20 Jahren trifft sie sich einmal in der Woche, um sich auf ganz unterschiedliche Art im Sehen und Zeichnen zu schulen, "zum Training des Figürlichen", wie ein Teilnehmer sagt. Angefangen hat alles 1990 im Blauen Haus, doch trafen sich auch vorher schon Künstler in Speyer, um gemeinsam zu arbeiten. So fand sich eine freie Gruppe von Künstlern zusammen, die Interesse am Aktzeichnen hat. Am längsten dabei sind Anne Ludwig, Johannes Doerr, Kathrin Kirsch. Der lockere Kreis setzt sich aus Profis und Amateur-Malern zusammen, zum großen Teil aus Kunsterziehern, aber auch aus Autodidakten aus anderen Berufsfeldern. Die meisten Teilnehmer bringen bereits mehrjährige Ausstellungserfahrungen mit: 1999 fand im Blauen Haus die erste Gruppenausstellung statt, 2001 folgte eine Präsentation in der Altstadtgalerie. Seit 2004 tritt die Gruppe unter dem Namen AKzenT auf. Das Modell und die Ausgangssituation ist für alle gleich, doch geht jeder Künstler anders an die Aufgabe heran. Neulinge versuchen sich in klassischer Aktmalerei, Profis finden einen neuen, innovativen Ansatz. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht. Jeder findet seinen eigenen Weg, der kein konkretes Ziel hat, sondern vielmehr ein Prozess ist, der niemals abgeschlossen ist.

Auch die Arbeitsweise und die Mittel sind sehr individuell: Bei den Treffen werden spontane Eindrücke zu Papier gebracht, die manchmal skizzenhaft bleiben, manchmal später ausgearbeitet werden. Für die Ausstellung im Feuerbachhaus hat jeder Teilnehmer zwei bis drei Bilder mitgebracht, mehr Akt gibt es in dem Ständer zu sehen. Bei einigen Arbeiten steht mehr die Form des menschlichen Körpers im Vordergrund, bei anderen die Farbgestaltung. Meistens liegt der Schwerpunkt auf der Figur, weniger das Gesicht des Modells. Aber Sie werden auch individuelle Gesichtszüge finden, ebenso wie Zeichnungen, gemalte Bilder, Skulpturen und andere, ungewöhnliche Malgründe. So unterschiedlich die Arbeiten sind, so unterschiedlich sind auch die 17 künstlerischen Individuen. Und trotzdem herrscht in der Gruppe eine sehr angenehme Harmonie, die mir spätestens beim Hängen bewusst wurde. 17 Künstler mit 100 Arbeiten, davon rund 40 zum Aufhängen. Ich hatte mich auf Diskussionen und einen langen Arbeitstag eingestellt. Und erlebte eine Überraschung: innerhalb von zwei Stunden waren alle Werke verteilt und hingen alle Bilder gerade an der Wand, es gab keinen Streit und ich finde, das Ergebnis ist sehr gelungen.

Ich hoffe, Sie finden das auch und wünsche Ihnen einen angenehmen Abend mit den Arbeiten der Künstlergruppe AKzenT hier im Feuerbachhaus.




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Angelika Stark
Angelika Stark: "Weiblicher Akt", Monotypie