Rhein-Pfalz-Kreis / Bürgerhaus Dudenhofen
Lucile Thoma
Lucile Thoma: "Inseln"
Radierungen
08.04.05 bis 24.04.05

Einführung von Meinolf Schmid

Sie wohnt in einem der am schönsten gelegenen Orte der Pfalz, in Battenberg bei Grünstadt....Von dem geschichtsträchtigen und gleichsam auf einer Vorkuppe der Haardtberge sich etablierenden Dörfchen hat man einen einzigartigen Blick über Haardt, Vorderpfalz, ja die gesamte Rheinebene. Sie, das ist Lucile Thoma, die Malerin, die uns heute in ihren hier ausgestellten Arbeiten Einblick gewährt in ihr Inneres, was sie übrigens ebenso als Autorin dieses kleinen Büchleins tut, das ich Ihnen neben den Bildern vorstellen darf. "Des choses et des gens" ist der Titel des Büchleins. Zu deutsch: "Von Dingen und Menschen".

Geboren als Tochter eines Bretonen, eines Offiziers der französischen Armee, studiert sie nach dem Abitur zunächst Sprachen in Rennes, und zwar Deutsch, Italienisch und Englisch. Als ihre Großtante, eine Baronesse, sie zu sich nach Genf einlädt, siedelt sie für drei Jahre in die Schweiz über, wo sie ihr Studium als Diplomübersetzerin abschließt. Bei einem halbjährigen Studienaufenthalt in Heidelberg lernt sie ihren späteren Mann kennen, mit dem sie heute zwei Töchter und fünf Enkelkinder hat. Ganz am Anfang ihrer musisch-kreativen Entwicklung, zu der sicher der Aufenthalt im Haushalt der Großtante die entscheidenden Impulse und Ermunterungen gegeben haben mag, am Anfang stand das Literarische: Lucile schrieb Gedichte. Viele Jahre später fallen ihr diese Lyriken beim Aufräumen in die Hände. Sie veröffentlicht sie im ersten ihrer Bücher, "Landschaften des Innern" ist der Titel. Die Gedichte beinhalten vorwiegend Biographisches, Autobiographisches, so wie die kleinen Geschichten im neuen Bändchen ausschließlich ihr eigenes Leben, ihre Vergangenheit, das Leben ihrer Ahnen reflektieren. Bezeichnend der Titel: "Des choses et des gens", nicht "Des gens et des choses".
Über Gegenstände, die ihr lieb geworden sind, zum Teil von der Großtante ererbt oder aber selbst auf Trödel- und Antiquitätenmärkten erstanden, stellt sie eine lebendige Beziehung zu Personen, Reminiszenzen an ihre Vorfahren her. Gegenstände und Personen werden kurz und prägnant skizziert. Was besonders beeindruckt, ist die Fachkenntnis, mit der wertvolle Möbel beurteilt, kostbare Porzellane beschrieben werden. Von Ding und Mensch entsteht vor dem geistigen Augen des Lesers ein klares und verständliches Bild. Wie schreibt die Autorin im 15. Kapitel, "Scherben in meinem Garten…" überschrieben: "Mich interessieren vor allem die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Darum habe ich in diesem Buch versucht, jenen Ahnen wieder Leben einzuhauchen, von denen ich ein konkretes Andenken besitze. Dabei hoffe ich, dass die nächste Generation auch in dieser Hinsicht die Linie nicht abreißen lässt."


Seit über dreizig Jahren wohnt Lucile Thoma nun in der Pfalz, und seit nunmehr über dreißig Jahren widmet sie sich auch der Malerei. Bei Karl Hufnagel, dem Speyerer Kunsterzieher und wohl auch einem der fertigsten Aquarellisten, die wir in der Pfalz hatten, lässt sie sich in die Geheimnisse des Malens mit Wasserfarben einführen. Unterricht bei Glenn Forster, vor allem aber bei Karl Unverzagt dem Allrounder, mit dem sie heute freundschaftlich verbunden ist, bringen sie zu einem Punkt der Ausbildung, wo sie feststellt: Jetzt muss ich eigenständig zu einem eigenen Stil finden, nachdem ich mir das handwerkliche Können angeeignet habe.
Diesen eigenen Stil hat sie im Grunde nicht gefunden, "Gott sei Dank", möchte man sagen, wenn man beim Studium ihrer Arbeiten, die eine tiefe Wahrnehmungsfähigkeit und starke Ausdrucksfähigkeit prägen, konstatieren muss, dass die Künstlerin partout nicht einer bestimmten Stilrichtung zuzuordnen ist. Einmal wählt sie kubistische Formen, in einem anderen Bild lassen beispielsweise unzählige Blautöne impressionistische Ahnungen aufkommen. Dann setzt sie, oft völlig unvermutet und scheinbar auch unmotiviert, gegensätzliche Farben hart gegeneinander, dabei abstrahiert sie die Bildgegenstände, ohne deren Wesen so zu verändern, als dass man sie nicht mehr erkennen könnte. Sie verfremdet, sie betont. Kurz: Sie nimmt mit dem Gefühl wahr und gibt mit ihrem Herzen wieder.

Im wesentlichen sind es zwei Elemente, die sich in allen ihren Arbeiten wiederfinden. Ganz gleich, ob es sich um eine Gouache, ein Ölbild oder auch einen Holzschnitt handelt. Das Primäre ist - und das ist kein Widerspruch zu dem gerade Gesagten - das Primäre ist der Bildgegenstand, an dem unverbrüchlich festgehalten wird. Die Landschaft bleibt auch nach Abstrahierung oder Verfremdung auf der Leinwand eine Landschaft, das Stadtbild eine Architektur. Und ein Zweites bestimmt Lucile Thomas Malerei: Die Farbe ist, mehr noch als die Form, die prägende und gewichtige Komponente. Ein wenig erinnern die Bilder in ihrer Farbigkeit an die französischen Expressionisten, bei denen die Farbe zum bestimmenden Träger des Bildausbaus wurde.
Ich nehme einmal an, dass Lucile Thomas Freundschaft mit dem Grünstadter Künstler Unverzagt sie immer wieder zu neuen Versuchen animiert hat.
Neben dem Arbeiten mit der Ölfarbe liebt Lucile Thoma insbesondere die Gouache. Aber auch das Aquarellieren versteht sie vortrefflich. Ihre Holzschnitte erinnern in ihrer Expressivität an die großen "Brücke-Künstler". Und selbst an die technisch nicht einfache Aquatinta wagt sich die Künstlerin heran.

Es ist die Vielfalt, die in ihrem Werk überrascht. Eine Vielfalt, die sich nicht nur innerhalb ihres bildnerischen Tuns zeigt, sondern auch im Nebeneinander von Schreiben und Malen. Die Ausstellung hat einen Titel. "Inseln" nennt Lucile Thoma ihre Bilder. Inseln, die sie seit Jahren mit Vorliebe bereist. Inseln, wo sie vor Ort Skizzen und Zeichnungen fertigt, Vorlagen für Ölbilder, die im heimatlichen Atelier dann fertiggestellt werden.
Ein Bild, es stellt zwei fliegende Möven dar, am Boden eine Kamerunmaske, hat den Titel "Insel der Glückseligkeit". Es scheint ein Stück Vision, ein angestrebtes Ziel zu sein: Lucile Thoma auf der Suche nach der Insel der Glückseligen. Machen Sie sich mit auf die Suche. Oft ist der Weg das Ziel. Wenn es hier tatsächlich so wäre, hätte Lucile Thoma bereits ihre Insel gefunden.



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