Martine Laforce und Rolf Barth: "Wege im Realismus"
Malerei
05.09.04 bis 30.09.04
Martine Laforce
Martine Laforce könnte eine Porträtmalerin sein. Sie dringt mit ihren Pinseln ins Einzelne und malt den Verfall des elsässischen Hauses wie andere das menschliche Antlitz darstellen. Sie meidet das Malerische der restaurierten Stadtviertel. Martine Laforce verkehrt in den wenig besuchten Gassen und den Hinterhöfen der "Outre-Forêt". Sie weicht den Banalitäten aus und entdeckt bescheidene Bleiben, einen nicht zu großartigen Bauernhof, eine alte Scheune, eine Gasse, die niemand bemerkt hat. Sie interessiert sich für die Zeit, die ihre Spuren hinterlässt, und die Schlichtheit einiger Häuser, die wir oft übersehen. So wie eine sorgfältige Archäologin durchsucht sie die Vergangenheit unserer Gegend.
Rolf Barth
"Barths Sequenzbilder unter der Prämisse "Vielfalt in der Einheit" sind sozusagen musikalisch gedacht, denn so wie in einem Musikstück die Erscheinungsform eines Themas, wird hier die Sichtweise auf einen Gegenstand immer wieder variiert. Derlei Analogien zwischen Malerei und Musik werden zumeist im Blick auf die Blüte der abstrakten Kunst zu Beginn des Jahrhunderts vorgenommen. Dass es sich im Fall Rolf Barths auch bei den gegenständlichen Bildern aufdrängt, zeigt im Grunde nur, wie zeitgemäß diese Kunst ist." (Karl-Georg Berg, Die Rheinpfalz)
Einführung von Dr. Matthias Brück
"ich bin Realist" - das würden die Meisten von uns auf Anfrage mit Stolz behaupten. Nur das besagt eigentlich gar nichts. Denn jeder sieht seine Umgebung, die Welt bekanntlich anders, deutet sie anders - und je nach dem Grad seiner Borniertheit erklärt er seine Sicht als die allein seligmachende. Das allerdings brauchen Sie in dieser Ausstellung von Martine Laforce und Rolf Barth nicht zu befürchten. Denn beide Kunstschaffende haben in der Weite realistischer Deutungen in der Tat je eigene Wege gefunden, Aspekte, der Wirklichkeit zu begegnen ohne die je eigene Deutung zu verabsolutieren. Dabei könnten die Ansätze grundverschiedener nicht sein!
Mit Martine Laforce treten Sie eine beinahe archäologische Reise ins Vergängliche, ins Vergangene an. Sensibel, detailorientiert löst sie ihre Sujets aus dem sonstigen Kontext, aus der sie umgebenden Wirklichkeit heraus, verleiht ihnen bereits formal ein Eigenleben. Verfallene Bauernhöfe, zerbröckelnde Fassaden, Altes, Vergessenes wird zum Portrait wie es der Künstlerkollege aus Weißenburg, Francis Matthes, trefflich formuliert hat. Anders gewendet: dieser Künstlerin gelingt es, Scheunen, Tore oder Fensterpartien regelrecht zum sprechen zu bringen. Ja, sie könnten dem Betrachter in der Tat Geschichten erzählen - wenn er es nur will.
Martine Laforce hat ihre Bildgegenstände gewissermaßen reanimiert. Und - obwohl man nie einen Menschen in ihren Exponaten entdecken wird, höchstens einmal eine unbeschwerte Entenschar - versinken diese Bilder nicht in einsamer Nostalgie. Sie spiegeln ein idyllisches, gelassenes In-sich-ruhen, solange man diesen Charakter echter Idylle nicht mit falscher Sentimentalität verwechselt. Die warme, pulsierende Farblichkeit - ob Acryl oder Aquarell - stets zurückgenommen und nie aufdringlich illustrierend, scheint die Relikte einstiger Lebensfülle neu atmen zu lassen. Mit einer faszinierend ausgeklügelten Technik versteht es diese Künstlerin, wie eine "architektonisch-archäologische Ahnenforscherin", vergessene Spuren zu sichern, sie zu bewahren und zu einem neuen Dasein zu erwecken.
Was bedeutet Ihnen eine Kanne, ein Topf, eine Schale? Versehen mit mehr oder weniger deutlichen Gebrauchsspuren? Vermutlich nichts oder nicht viel, wenn man von der praktischen Verwendung einmal absieht oder alte Emaille-Gefäße sammelt. Bei Rolf Barth ist das ganz anders. Frei von nostalgischen Erinnerungen und mit fast altmeisterlicher Technik (Acryl, Kreide, Pastell) geht er mit einem plastisch wirkenden Erfassen des Gegenstandes weit über das reine Abbilden der Gegenstände hinaus. Denn es gelingt ihm, in überraschender Weise einen Kontext-Wechsel vorzunehmen, der die genannten Objekte völlig aus dem Umfeld ihrer gewohnten Funktionalität befreit. Da scheint es, als hätte dieser Künstler die heideggersche Dialektik von "Zuhandensein" und "Vorhandensein" ins Bildnerische übersetzt.
Nicht der Gebrauch der Kanne, der Flasche oder der Schale bestimmt die künstlerische Wahrnehmung, nicht das "Um zu" deren Existenz, vielmehr das aller Interpretation und Vor-Urteilen entkleidete Sehen und Erkennen des einzelnen Gegenstandes. Um dieses Loslösen zu steigern, findet Rolf Barth ein anderes Ordnungsgefüge für seine Objekte. Er stellt sie in eine neue Ordnung, wechselt die Blickperspektive, lässt ein anders Licht auf sie fallen, dreht sie oder verfügt einen wechselnden Schatten… Die Hintergründe seiner Sequenzen bleiben zumeist konsequent monochrom. Und in den neuesten Arbeiten aus der Werkgruppe "Transformation" scheint sich ein Wechsel des realen Objektes zu einer Stilisierung, als ein Spiel von Farbe und Form zu vollziehen. Doch so ganz ausschließlich verweilt Rolf Barth nicht in der Sphäre des "reinen Gegenstandes", wie es seine zarten Landschaftssequenzen im ersten Stock dokumentieren…
Zwei "Wege im Realismus", die quer zum Zeitgeist andere, trendfreie Erfahrungen ermöglichen. Seien Sie also realistisch: die Exponate sind käuflich zu erwerben!