Stadt Landau in der Pfalz / Städtische Galerie Villa Streccius
Natascha Brändli und Sven Ochsenreither: "leichtigkeiten"
Plastik, Zeichnung und Malerei
13.10.07 bis 25.11.07
Natascha Brändli
Natascha Brändli: "schaf" (2005), Alpaccadraht, Seidenpapier, Latex, 110 x 40 x 90 cm

Unter dem Titel "leichtigkeiten" stellen die beiden jungen Künstler Natascha Brändli (Plastik/Zeichnung) und Sven Ochsenreither (Malerei) erstmals gemeinsam in der Städtischen Galerie Villa Streccius in Landau aus. In Form von plastischen Arbeiten, Zeichnungen und Malereien setzen sich beide auf unterschiedliche Art und Weise mit Fragen menschlichen Alltags, mit Fragen menschlicher Existenz auseinander. Auch wenn sie dabei oft von ganz einfachen Dingen ausgehen - zum Beispiel von blökenden Schafen oder dem lebendigen Treiben auf Kinderspielplätzen - ist es bei aller Heiterkeit doch nicht immer nur "leichte Kost", die den Betrachtern begegnet.

Natascha Brändli, 1970 in Kandel geboren, lebt und arbeitet in Landau. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt im plastischen und zeichnerischen Bereich. Knochenleim, Draht, Seidenpapier und Stoffe gehören dabei zu ihren bevorzugten Materialien. Der Mensch ist das zentrale Thema ihrer Arbeiten, wenn er auch nur selten konkret dargestellt ist. Ob die zauberhaft unschuldigen Lämmchen aus Draht und Papier, ebensolche körperhaften Versatzstücke oder ungelenk heitere Paare seltsamer Wesen, es geht Natascha Brändli immer um die Frage des eigenen Seins - um das Leben im einzelnen und im gemeinschaftlichen.

Sven Ochsenreither, 1973 in Landau geboren, lebt und arbeitet im mecklenburgischen Zölkow, östlich von Schwerin. Es sind vor allem die wie auch immer spielenden Kinder - allein oder in kleinen Gruppen - die im Zentrum seiner Malerei stehen. Sie agieren in Bildräumen aus farbigen Flächen. Obwohl die Kindermotive eher anderes nahe legen, sind die Bilder in sich meist still, konstruiert und unbewegt und hinterfragen dabei Räume menschlicher Existenz.


Einführungsrede von Markus Clauer

Ironie ist Glücksfall. Aber wer seine Ausstellung "leichtigkeiten" nennt, macht es sich eben so schwer wie nötig. Vor allem, wenn mit Bildern von Kindern und Plastiken, die sich auf "Barbapapas", also knubbelige Zeichentrickfiguren, beziehen, Flughöhe über dem Kitsch und der Idylle angestrebt wird.

Für die Landauerin Natascha Brändli ist es die erste große eigene Ausstellung. Abgeklärtheit ist nicht so ihr Ding. Und die handwerkliche Könnerschaft ist ihr fast ein bisschen peinlich. Dabei kann es nicht schaden, dass eine Plastikerin modellieren, schnitzen, schneidern, schweißen and an Dingen herumfriemeln kann, bis alles stimmt. Das Bastel-Gen, erzählt sie, ist von der Oma geerbt. Dazu kam, dass Natascha Brändli Bühnenbildnerei am Theater gelernt and Modedesign studiert hat, bevor sie zur Kunst kam. Das heißt, wenn man die zwei anderen Berufungen von der Kunst überhaupt so einfach auseinander dividieren kann.

Bei allen hilft ein ins Fanatische driftender Perfektionismus, was das jeweils richtige Material anbetrifft. Der Blick. Zum Beispiel dafür, dass die Halskrause einer Bierflasche der Marke "Tannenzäpfle" glattgestrichen ein wunderbar feinadriges Profil besitzt. Natascha Brändli hat es für eine Serie mit Objekten in Latex nachgeformt und auf die daraus entstehenden Inseln lange Clownswimpern drapiert. Als nur schön empfindet sich das nicht leicht. Oder, dass das spitze Ende der Baguettes eines ganz bestimmten Bäckers für die Zitze eines Gymnastikballs taugt. Sieht der nicht aus, wie der pralle Euter einer Kuh?

Am Liebsten arbeitet Natascha Brändli mit Papier und dem Bauchgefühl. Bäuche sind ohnehin ihr liebstes Motiv, neben Schafen. Bei den Zeichnungen lässt sie bewusst die falschen Striche stehen, so wie in hinduistischen Tempeln kleine Fehler eingebaut sind, um die Götter nicht zu verärgern. Sie schraffiert auch nicht. Natascha Brändli zieht Linien, die als Draht-Skelett ihrer, weil sie sie mit einer morbiden Schrägheit oder einem verstörenden Detail bricht, nur beinahe poetisch-schönen Papierobjekte wieder auftauchen, als eine Art Vorgabe.

Draht, bis zu zwölf Schichten Papier und Knochenleim, der nur bei 70 Grad hält und normalerweise vor allem in den Ausstattungswerkstätten der Theater verwendet wird. Der Rest ergibt sich, denn der Leim arbeitet weiter. Der Draht verzieht sich noch ein wenig. Das Objekt, belebt. Selbst das jeweilige Raumklima bildet sich in den Werken von Natascha Brändli ab. Papier ist ja gemacht für Einschreibungen. Denen des Zufalls etwa oder denen der eigenen Biografie. Ein Werk wie "fünf", bei dem vier hintereinander liegende, rechteckige Papierlaken mit Drahtadern, im Flattern erstarrt, bei einiger Anstrengung den Blick freigeben auf eine kleine Plastikfigur, es erzählt von den Schichten, die es freizulegen gilt, bis der Mensch dahinter auftaucht. Es ist wie mit den Kleidern, die Natascha Brändli noch als Modedesignerin entwarf, Verschleierungen, mit denen man sich gegen Wahrnehmungen abdichtet. Und damals war es wie heute mit der Kunst. Sie war mehr am Skulpturalen als am Tragbaren interessiert.

Und dann die Sache mit den Schafen, eine motivische Vorliebe, die beim Leben entstanden ist, in zwei Jahren in einem einsamen Ort im Elsass mit 300 Einwohnern and dreimal so vielen Schafen eben. Eine Schule der Einsamkeit. Gedankenverloren hat Natascha Brändli die Tiere gezeichnet. Nicht unbedingt ein gängiges Sujet der zeitgenössischen Kunst. Herdentiere, doofe. Ihre Schafe sind einzig and allein.

Können Tiere einsam sein? Menschen können das. Die Kinder auf den Gemälden von Sven Ochsenreither, der 1973 in Landau geboren ist, aber seit 1994 in Mecklenburg-Vorpommern lebt, sind es anscheinend. Einsam. Versunken. In ihrer Welt, keinem Paradies. Vor einigen Tagen ging das Bild eines Pädophilen durch die Medien, der sich beim Kindesmissbrauch gefilmt und nur sein Gesicht dann mit Unschärfen unkenntlich gemacht hat. Die Polizei hat die Retuschen retuschiert and das Porträt des Verbrechers zu Fahndungszwecken veröffentlicht.

Auf Sven Ochsenreithers Gemälden sind die Kinder meistens allein, seltsam teilnahmslos oder vielleicht auch voller Emphase, statuarisch wirken sie beim Sitzen auf Wippen und auf Rutschbahnen, beim Klettern, hinter dem Gitter einer Leiter, oder beim Hantieren mit Requisiten: Kisten oder einem Besen. Ihre Gesichter haben keine Pausbacken. Sie verschwimmen, sind unscharf, undurchsichtig und maskenhaft. Manchmal sind die Gesichter mit Farbflecken getilgt, eine Auslöschung vielleicht auch: ein Abbild der vorherrschenden Konturlosigkeit, die Kinder, ja, auszeichnet. Und vermutlich ist auch mit diesen, in nie leuchtender, eher in ostig angegrauter Farbigkeit gemalten Darstellungen etwas zur Fahndung ausgeschrieben. Sven Ochsenreither ist nicht der Typ Künstler der etwas einfach so macht.

Seine Gemälde sind Bilder über Bilder, die zirkulieren und Stereotypen formieren. Kunst über Kunst. Malerische Reflektionen über Sehgewohnheiten und das Idyll, über Abstraktion und Realismus. Seelengemälde. Frida Kahlo, die sich das Herz aus dem Leib malte, ist als vielsagende Referenz angegeben. "frida (rotes zimmer)", heißt zum Beispiel ein Werk von Sven Ochsenreither. Auf dem Bild "Laternenzug mit Trommler" aus dem Jahr 2006 paust sich links eine Figur aus dem fleckigen Hintergrund, die, so wie sie dasteht, aus der Renaissance zum Vorschein gekommen sein könnte. Oder aus einem auf die russische Volkskunst abhebenden Werk des späten Malewitsch. Ochsenreither treibt sein Spiel mit Ambivalenzen. Auf dem Bild "möwen über schönwalde" sieht man Vögel über nicht detaillierte Farbblöcke kreisen, die für wuchtige Hochhäuser stehen. Doch nicht sie wirken auf dem Bild bedrohlich. "städter 1" heißt ein anderes Werk, bei dem sich jemand mit einer Geste wie auf Edvard Munchs "Schrei" von einem grauen Etwas abwendet. In anderen Zusammenhängen hätte es als nichts sonst, als ein rechteckiger Kubus zu gelten.

Franz Marc, dem Künstler der blauen Reiter, wurde einmal vorgeworfen, ein Pferd sei doch nicht blau, and er antwortete: "Welches Pferd?". Das sei ein Gemälde. Solche Geschichten muss man mitdenken, wenn man die Malerei der Andeutungen von Sven Ochsenreither anschaut. Sie steht immer auf einer Kippe. "... auf der Kante" nannte Ochsenreither seine Ausstellung in Cottbus. Deren Zentrum waren die Bilder von Kindern auf Bühnen aus Farbflächen, eigentlich sind es Bilder über das Kindsein, wie es sich im Untergrund der herkömmlichen Darstellungen abspielt.

In den Medien kommen Kinder in der Hauptsache entweder als Opfer oder in gefühlsduseligen Zusammenhängen vor. Bei Sven Ochsenreither behauptet sich das Prekäre des Aufwachsens, das Geheimnis, das einem in jüngsten Jahren umgibt, das Bedrohliche des Hilflosen, das Unentschlüsselbare der ersten Jahre. "leichtigkeiten", natürlich nicht.


Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 17.10.07

"Da darf die Assoziationsmaschine rattern"

Das Leben ist kein Kinderspiel, so suggeriert die Ausstellung mit Arbeiten von Natascha Brändli und Sven Ochsenreither in der Landauer Villa Streccius, wenngleich es dort ausschließlich spielerisch zuzugehen scheint. Ochsenreither jedenfalls malt hauptsächlich Kinder beim Spiel. Und Brändli mit ihren hübschen Schafen und Lämmern aus Papier und Holz setzt scheinbar gleichfalls auf naive Sichtweisen. In Wirklichkeit aber ist dies jeweils nur eine Seite der Medaille im Werk der beiden Künstler.

Denn in der Realität ist das Spiel, das der 1973 in Landau geborene und jetzt nahe bei Schwerin lebende Maler auf seinen Bildern inszeniert, kein Spiel, sondern nur die Vorbereitung auf das Leben. Und auch die lichtdurchlässigen, mitnichten wolligen Schafe der Künstlerin stehen nicht für sich selbst, sondern sind fragile Wesen aus Knochenleim, Draht, Stoff und Seidenpapier, die womöglich lieber ihrem Herdentrieb entkommen würden. Der Schau den Titel "leichtigkeiten" zu geben, war insofern nicht falsch. Aber vielleicht auch absichtlich ein bisschen irreführend.

Es sind an die 80 zumeist kleinerformatige Acryl-Bilder, auf denen Ochsenreither Kinder spielen und dabei auf staunenswerte Weise ihr Spielzeug wechseln lässt. Wobei dieses immer wunderbar altmodisch bleibt: die kleinen Jungen und Mädchen fahren Traktoren und Tretroller aus Holz, sie ziehen Boller-Wägelchen hinter sich her, springen Seil, balancieren auf der Stange, wippen zu zweit oder alleine. Und befinden sich zumeist in rechtwinklig zugerichteten, farblich akkurat abgeteilten Räumen. Oft auch exakt zwischen zwei Räumen, unter der Tür, darüber sinnend, in welche Richtung es nun gehen soll. Individuelle Merkmale besitzen ihre Gesichter nicht, oft ist ihre kleine Physiognomie nur angedeutet. Und auch ihre Kleidung scheint unspektakulär, keine lustigen modischen Streifen blitzen auf, dafür gedeckte, praktische Hosen und Röcke in dezentem Uni. Anrührend wirkt die Selbstvergessenheit, der die Kleinen verfallen sind: auf sich selbst konzentriert, wollen sie auch mit dem Betrachter keine Kommunikation. Und Erwachsene, die sich in die Spiele drängen könnten, bleiben gleichfalls abwesend.

Sven Ochsenreiter setzt seine gemalten Kinder aber dennoch keinen Gefährdungen aus. Im Gegenteil: Seine Darstellungen von Spiel und niemals wirklich ausbrechendem Spaß sind ungewöhnlich leidenschaftslos, kein Vergleich mit den Kindern eines Balthus, dessen kindliche Wesen fast alle erotisch aufgeladen waren. In den zurückhaltenden, niemals Signale aussendenden Farben dieses Malers regt sich dagegen nichts, was aufregen soll. Dafür herrscht eine stille Zärtlichkeit, die einen fast widerstandslos von Bild zu Bild treibt. Keines ähnelt dem anderen in der Komposition, es ist eine unübersehbare Anzahl von Geschwistern, die sich in der Villa Streccius versammelt haben.

Natascha Brändlis Arbeiten sind nicht so gleichmütig und sanft. Überhaupt scheint die Künstlerin bewusst auf der Suche zu sein, nicht nur nach dem Sinn des Lebens und der Kunst, wie sie im Gespräch äußert, sondern auch nach Ausdrucksformen, die diese Suche verdeutlichen könnten. Sympathisch wirkt dabei die Vielfalt, in der die 1970 in Kandel geborene und jetzt in Landau lebende Künstlerin sich ausdrückt: dieses sich nicht Festlegenlassenwollen, die Offenheit. Und entsprechend vieldeutig lassen sich denn auch ihre Arbeiten interpretieren.

Einmal ihre mit dem Kunstwort "Smueks" betitelten Wesen: Objekte, Erscheinungen, man weiß es nicht so recht. Ihnen bleibt Brändli sowohl zeichnerisch auf der Spur als auch dreidimensional. Verharren sie auf dem Papier jedoch als gleichzeitig vollzogene Reverenz an Dada, Art Brut und klassische Moderne, diese Kringel, Ketten und Steine - wobei hier Ironie nicht wahrzunehmen ist - so befreien sie sich doch als Skulpturen mit schön gestalteter Außenhaut aus dem engen Korsett der Ernsthaftigkeit.

Ganz nah bei ihnen siedelt denn auch die "Froschkönigkuhgel", ein krudes, aus einem Gymnastikball hergestelltes Objekt, dem an einer Stelle Zitzen wuchern, die zwar trächtig und geil aussehen, deren Funktion aber doch wohl eher nebensächlich erscheint. Ein Prinz kurz vor der Verwandlung, eine Kuh, die zum Frosch degeneriert? Regelrecht hermetisch sind dann Brändlis fragile, mehrteilige "Sona" und "Persona"-Gebilde aus Alpaccadraht, Seidenpaier und Leim. Die Assoziationsmaschine fängt an zu rattern, wenn man sie erblickt: durchscheinend sind sie, bisweilen wie mehrteilige, jeweils unterschiedlich eingestellte Kamera-Linsen wirkend, in deren Fokus ein Gummipüppchen zappelt.


Links:
Brändli Natascha (Rubrik KÜNSTLER)
Natascha Brändli
Natascha Brändli: "freches lamm" (2006), Alpaccadraht, Seidenpapier, Latex, 35 x 40 x 15 cm
Sven Ochsenreither
Sven Ochsenreither: "grünes zimmer" (2007), Acryl auf Leinwand, 61 x 54 cm
Sven Ochsenreither
Sven Ochsenreither: "zwei wippen" (2006), Acryl auf Leinwand, 60 x 90 cm



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Natascha Brändli
Natascha Brändli: "schaf" (2005), Alpaccadraht, Seidenpapier, Latex, 110 x 40 x 90 cm
Natascha Brändli
Natascha Brändli: "freches lamm" (2006), Alpaccadraht, Seidenpapier, Latex, 35 x 40 x 15 cm
Sven Ochsenreither
Sven Ochsenreither: "grünes zimmer" (2007), Acryl auf Leinwand, 61 x 54 cm
Sven Ochsenreither
Sven Ochsenreither: "zwei wippen" (2006), Acryl auf Leinwand, 60 x 90 cm