Technische Universität Kaiserslautern / Array
Pan Stein
Malerei, Grafik
09.12.08 bis 20.01.09
Pan Stein
Pan Stein

Die Galerie in der TU Kaiserslautern, eine Kooperation des Studium Integrale Zentrums und der Universitätsbibliothek, präsentiert Leinwandbilder und Zeichnungen von Pan Stein. Der im Saarland geborene und nun im nahen Katzweiler lebende Künstler beschäftigt sich schon seit fast 25 Jahren mit der künstlerischen Gestaltung und hat sich durch zahlreiche Ausstellungen im weiteren regionalen Umfeld und durch Beteiligungen an verschiedenen Messen einen Namen in der Kunstszene gemacht. Viele seiner Arbeiten befinden in privaten und öffentlichem Besitz, so z. B. in der Pfalzgalerie oder im Ministerium für Kultur Rheinland-Pfalz.

Der überbordenden Informationsflut der heutigen Bilderwelten in unserer Medienlandschaft setzt Pan Stein mit seinem Werk einen wohltuenden Kontrapunkt. Er räumt seinen Leinwänden nahezu eine grenzenlose Freiheit ein, indem er auf sehr reduzierten Bildgründen markante und spontane Zeichnungen oder Malspuren anlegt. Der starke Kontrast zwischen grafischen und malerischen Elementen, wobei Farbe sparsam eingesetzt wird, erzeugt ein Spannungsfeld, aber auch mitunter etwas Stilles und Meditatives. Die Ausstellung erschließt sich nicht im Vorübergehen, sie fordert den Betrachter in vielen Belangen heraus. Bei der Vernissage am 09.12.08 wird die Kunsthistorikerin Stefanie Müller von der Kunsthalle Mannheim näher darauf eingehen.

Einführung von Stefanie Müller M.A.

Als Maler und Zeichner ist der 1960 im Saarland geborene Künstler Autodidakt, sagt er habe "Lunte gerochen und dann nicht mehr aufgehört" - und das seit Anfang der 1980er Jahre. Kontinuierlich entwickelte Pan Stein sein Farb- und Formenrepertoire seitdem weiter. Ca. 25 aktuelle Arbeiten von 2007/2008, überwiegend kleinformatige Zeichnungen und einige Acrylgemälde, werden nun in einer Einzelausstellung hier in der TU Kaiserslautern präsentiert. Und Pan Stein ist in Kaiserslautern kein Unbekannter, hatte er doch hier und auch in der Umgebung bereits Ausstellungsbeteiligungen im Rahmen des Pfalzpreises oder des BBK (Berufsverband Bildender Künstler Rheinland-Pfalz/apk), stellte in der Pfalzgalerie und im Justizzentrum aus.

Bezeichnend für seine Arbeiten ist die Verbindung von "Leerstellen", den bewusst frei belassenen oder monochromfarbigen Malgründen des Papiers oder der Leinwand, mit der lebhaften Materialität der sparsam eingesetzten Farbe und den aktiven grafischen Pinselzügen; eine Verknüpfung also des Strukturellen mit expressiver Gestik - den beiden Facetten der informellen Kunst. Augenscheinliches Thema seiner Zeichnungen und Gemälde sind die Eigenwertigkeit der Farbe und deren Wirkung auf den Betrachter, was die Werke in unmittelbare Nähe jener Künstler rückt, die sich nach dem 2. Weltkrieg dem "informellen" Formenverständnis zugewendet haben. Denn jede bewusste Formgestaltung und organisierte Struktur wird auch von Pan Stein verweigert, vielmehr die Spontaneität des Schaffensakts als Ausdruck von Bewegungsrhythmen und Handlungsimpulsen begriffen. Auch arbeitet er nicht mit festgelegten Kompositionsregeln, sondern lässt spontan gefundene Zeichen und unmittelbare Gesten zu, integriert die unvermittelte Bewegung von Linien, Flächen und Farbverläufen in den Arbeitsprozess. Resultat ist stets ein Bildgefüge, das die inneren Impulse beim Malen zum Ausdruck bringen will.

Wenn in dieser Ausstellung auch nicht quantitativ bezeugt, stehen Malerei und Zeichnung, Papier- und Leinwandarbeiten gleichbedeutend nebeneinander, fungiert das Zeichnerische nicht als Vorstudie für ein Gemälde, sondern konstituiert sich innerhalb seines Schaffens als autonomes, eigenständiges Werk. Das Unterfangen Impulsivität, unreflektierte Eindrücke, Empfindungen als Spiel des Zufalls durch spontanes Auftragen von Farbklecksen,- flecken und -flächen - ohne all zu bewusst gesteuerte - Kompositionstrategien wiederzugeben, erlaubt gar die Zeichnung in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Beschäftigung zu rücken. Denn für einen derartigen "Schöpfungsakt des Unbewussten" erscheint das kleine Format sehr viel geeigneter, um schnell, intuitiv das übertragen zu können, was durch das ebenso direkte, doch überlegtere Arbeiten mit Acrylfarbe auf den großformatigen Gevierten der Leinwand stärker kanalisiert werden muss. Oft entstehen bei Pan Stein deshalb mehrere Zeichnungen gleichzeitig, wird auf dem Boden gearbeitet, so dass eine ganze Serie von Papierarbeiten resultiert, die sich zum Träger momentaner Empfindungen und subjektiver Stimmungen summieren.

Damit stellt sich Pan Stein bewusst in die bereits angedeutete Traditionslinie, greift auf die bedeutenden Errungenschaften der Kunst des Informel in den 1950er und 1960er Jahren zurück. In den Nachkriegsjahrzehnten hatte das "abstrakte Bild" international eine unverrückbare Stellung, Abstraktion und Ungegenständlichkeit belebten die Kunstszene in Deutschland und darüber hinaus in ganz Europa. Der Begriff Informel, also "formlos", fasst verschiedene abstrakte, gestisch orientierte Strömungen zusammen, die in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihre Blütezeit hatten. So ist der Tachismus als Kategorie und Entwicklung aus dem Informel abzuleiten und bildete sich in diesen Jahren im Kontext der École de Paris als Gegenpol zur geometrischen Abstraktion. Als bekannte Vertreter sind Antonio Tàpies, Wilhelm de Kooning, George Mathieu, in Deutschland Emil Schumacher, Hans Hartung, Karl Fred Dahmen, Karl Otto Götz oder Hann Trier zu nennen; zeitlich parallel entstand in den USA mit dem Action Painting eine eng verwandte Malmethode.

Ohne Frage wegbereitend für den gestisch abstrakten Expressionismus war der im Pariser Exil tätige deutsche Maler Wols (Wolfgang Schulze). Seine kriegsbedingte psychische Belastung äußerte sich in intuitiven, eruptiven Farbschlägen, die Gestaltung blieb fragmentarisch. Amorphe Flecken ("taches") lassen zwar oft ein Motiv erahnen, die Bilder selbst vermitteln aber den Eindruck, als wären sie "infiniti", nicht fertig ausgeformt, sondern noch im Entstehen begriffen, weshalb sie von einigen französischen Kunstkritikern (wie Pierre Guéguen, Michel Seuphor oder Charles Estienne) abwertend als "tachisme", übersetzt etwa "Fleckwerk", bezeichnet worden sind. Abstrakte Tendenzen, welche die Kunstwelt revolutionierten, erweiterten, die sich etablierten und bis heute in den neoexpressionistischen Gemälden von Cy Twombly und Julian Schnabel, Gerhard Richter und Uwe Kowski (um exemplarisch einige Namen zu nennen) unter individuellen künstlerischen Voraussetzungen fortexistieren. Allen Facetten der informellen Malerei gemeinsam ist, dass Emotion und Spontaneität höher gewertet werden als Perfektion, Vernunft und Reglementierung. Charakteristisch für die "Kunst der Nichtform", die sich in vielgestaltigen abstrakten Strömungen ausformuliert, ist die Bedeutsamkeit des Gestaltlosen, das jede objektive, auch abstrahierte Darstellung der realen Dingwelt ablehnt - also per se jede Art von konzipierter oder konzeptueller Herangehensweise. Diese auf unverfälschten Ausdruck beruhende, nicht figurative Gestaltungsweise gleicht demnach einer Art von unterbewusstem "Automatismus", ein Verfahren, das seinen Ausgangspunkt in den Gedankenkonzepten des Surrealismus á la Joan Miró, Paul Klee und Max Ernst hat.

Pan Steins Zeichnungen und Gemälde stehen den aufgezeigten Einflüssen insofern nahe, als dass auch er auf jede konkret fassbare Formulierung verzichtet, primär spontane Eindrücke, das Ungewollte durch den Farbauftrag in die Malfläche bannt. Bedeutsam ist dabei der experimentelle Umgang mit Farbe, Textur, Materie: neben dickeren Farbpasten und dünnflüssigen Leinöllasuren, dem Abkratzen und Collagieren von Materialfragmenten, beziehen seine Arbeiten in spielerischem Wechsel immer wieder auch graphische Strukturen ein. Zudem verwendet er meist weiße oder ungrundierte Leinwände oder Papiere, Zeltleinen und Bildrückseiten, auf die er mit Mischtechniken in koloristischer und graphischer Gestik malt: Acrylmalerei, Bleistiftzeichnung und Tuschlavierungen im Wechsel mit Collagetechnik - ein scheinbar unvorhersehbares Zusammenspiel, das den differenten Charakter, die verschiedenen Materialeigenschaften hervorkehrt.
So hat er für die Farbe eine Eigenaussage entwickelt, die einer "Ästhetik der Nichtform" folgt, künstlerische Mittel auf eine Art und Weise einsetzt, dass der Reiz des Dekorativen und Minimalistischen an die Oberfläche tritt. Mit großem Spaß und Experimentierfreude verteidigt er deshalb mit seiner teilweise bis auf Äußerste reduzierten Formsprache eine schöpferische Freiheit, die jenseits konzeptuell überfrachteter Neigungen angesiedelt ist. Doch untersagt er eine formale Analyse der ästhetischen Möglichkeiten. Er konzentriert sich vielmehr auf die Suche nach den genuinen Eigenschaften von Farbe und ihrem vielfältigen Erscheinungspotential. Hierzu gehört auch sein Prinzip der Wiederholung. Die Absenz von Primärfarben, die Bevorzugung weniger, überwiegend dunkel getrübter Farbtöne ist ein zusätzliches Charakteristikum und mit einer von ihm empfundenen "Übersättigung" zu begründen. Die Reduzierung der Farbigkeit "liege ihm", alles andere würde zudem von der Eigendynamik des Duktus' ablenken. Die Kunst und ihr Entstehungsprozess haben für Stein somit fast rituellen Charakter, sind eine Art Spiel mit den malerischen Möglichkeiten. Der Malvorgang dauert auch nicht lange, oft nur wenige Sekunden, wird impulsiv vollzogen. Dabei hört er auf, "wenn das Bild stimmt".

Traditionelle Bildprinzipien wahrt er insofern, als dass er seine Arbeiten durchaus als geschlossene, bildhafte Einheiten versteht, die als etwas statisch in sich Ruhendes erscheinen, so schnell sie auch "hingemalt" sind. Das Prozessuale der grafischen Aktion hebt die Bildhaftigkeit nicht auf, weisen seine Werke doch einen hohen Grad malerischer Differenziertheit auf. Sie besitzen einen spezifisch ästhetischen Charakter, der archaische und geologische Bezüge herstellt, organische und naturhafte Elemente impliziert, gar Objekte und Landschaft assoziieren lässt, jedoch ohne benennbar zu sein, stattdessen der Suggestionskraft des Betrachters ausgesetzt ist. Letztlich ist es Malerei, die als Malerei zu verstehen ist. In ihrer seriellen Akkumulation verdichten sich Pan Steins Arbeiten zu einer Art "Tagebuch", in dem die persönliche Ausdrucksweise der reinen, kontemplativen Kraft der Farbe, Strukturen und Substanzen untergeordnet wird.



[zurück]
Pan Stein
Pan Stein