Stadt Ludwigshafen / Wilhelm-Hack-Museum
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Ricarda Roggan: "Echo"
Fotografie
07.02.15 bis 19.04.15
WHM
Ricarda Roggan: "Garage 9", 2008, C-Print, 150 × 184 cm, Privatsammlung. Courtesy: Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin

Vernissage am 06.02.15 um 19.00 Uhr

Ricarda Roggan (geboren 1972) zählt zu den wichtigsten deutschen Fotografen ihrer Generation. Die fotografischen Serien der in Leipzig lebenden Künstlerin rücken jene Dinge in den Mittelpunkt der Betrachtung, die oftmals ein Schattendasein führen: ausgedientes Mobiliar, demolierte Autos oder archivierte Hinterlassenschaften von Philosophen, Literaten und Komponisten. Die Motive ihrer sorgsam inszenierten Bildwelten entfalten im fotografischen Raum eine stille Magie, die den Blick auf die Eigenheit der Dinge lenkt. Roggan erzeugt Bildräume, die unsere individuellen Erinnerungen und Assoziationen stimulieren und andeuten, dass alle Dinge ihre Geschichte haben, ohne sie preiszugeben. Das Wilhelm-Hack-Museum präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Hannover die bislang umfassendste Überblicksschau von Ricarda Roggan mit fotografischen Arbeiten von 2001 bis heute.

Zu sehen sind unter anderem Fotografien aus der frühen Serie "Tisch, Stuhl, Bett" (2001/02), die Mobiliar aus dem vergangenen, sozialistischen Lebensalltag in kargen, zellenartigen Räumen präsentieren. Was zunächst wie eine nüchterne Momentaufnahmen erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Ergebnis eines sorgfältigen Arrangements. So wurde das Mobiliar aus dem originären Kontext in eine gebaute Raumkulisse überführt und gerät im fotografischen Bild zur Metapher von Zeit und Geschichte.

Ricarda Roggan reduziert erzählerische Elemente auf ein Minimum und schafft in ihren Fotografien Raum für Assoziationen, die sich gleichwohl nicht verifizieren lassen. Für die Serie "Garage" (2008) hat sie Autowracks vor tiefschwarzem Hintergrund in Szene gesetzt. Sanftes Licht zeichnet weiche Schatten, so dass eine eigentümliche Ruhe von den Bildern ausgeht, ohne dass diese Anhaltspunkte auf die jeweilige Vorgeschichte oder den Unfallhergang liefern. Die Serie "RESET" (2011) zeigt eine Reihe ausgedienter Spielkonsolen. Im Gegensatz zu der bühnenhaften Inszenierung der Autos sind diese in extremer Nahansicht fotografiert, so dass sie einen fast abstrakten Charakter erhalten.

Für ihre Ausstellung in Ludwigshafen hat Ricarda Roggan neue Arbeiten im Dialog mit dem Ausstellungsort produziert. Eine Serie, "Bänke" (2014), inszeniert die Museumsbänke des Wilhelm-Hack-Museums und knüpft damit an jene Arbeiten an, die das Übersehene, im Hintergrund Stehende in den Vordergrund rücken.

Ihre jüngste Serie der "Apokryphen" (2014) hat Ricarda Roggan um Fotografien von Objekten aus dem Nachlass von Ernst Bloch ergänzt. Bei dieser Serie handelt es sich um kleinformatige Schwarz-Weiß-Fotografien die jene Dinge zeigen, die unverhofft, auf Grund ihrer Provenienz

zu musealen Objekten geworden sind, beispielsweise eine Taschenuhr Heideggers oder eben die Brille von Ernst Bloch. Roggan überführt diese Objekte aus den Archiven der Personenmuseen in einen für ihre Arbeiten typischen, nahezu dimensionslosen fotografischen Raum, der abseits der Titel keine Zuschreibung ermöglicht und in dem die stumme Gegenwart der Dinge eine eindrückliche Präsenz entfaltet.

Die Serie "Baumstücke" (2007) thematisiert Natur in Form überbordender Verwachsungen, die die gesamte Fläche der Bilder einnehmen. Blattwerk und Geäst wurden zuvor von der Künstlerin mit der Baumschere in Form gebracht. Die Naturstudie wird auf diese Weise auch zu einer Oberflächenstudie, die Strukturen verdichtet und abstrahiert.
Die Serie "Attika" (2005) zeigt eine Reihe von Dachböden. Gründlich gesäuberte, entleerte Räume - nichts steht herum, das an alte Geschichten erinnert, keine Kisten sind eingelagert, fast sakral wirkt das Hell-Dunkel der Fotografien. Ricarda Roggan, die ausschließlich analog arbeitet, bereitet ihre Motive akribisch vor. Sie fügt hinzu und trägt ab, bis sie das gesamte Potential ihrer Objekte und Räume freigelegt hat. Diese Arbeitsweise hat skulpturale Anklänge: Die Künstlerin formt den Realraum, bevor sie ihn ablichtet. Es ist ein Prozess der Gestaltung und Aneignung, der dem Akt des Ablichtens mit der Großbildkamera vorangeht.

In der Ausstellung "Echo" wird Ricarda Roggans künstlerisches Schaffen der letzten15 Jahre nachvollziehbar. Die Fotografin macht sich "den Raum zu eigen", bevor sie ihn sich fotografisch aneignet, und erzeugt Bildwelten zwischen Wirklichkeit und Künstlichkeit. Die Dinge und Räume gewinnen in ihren Fotografien eine autarke Präsenz. Eine andauernde Spannung zwischen Finden und Suchen, zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, zwischen Erinnerung und Assoziation erlebt im Werk von Ricarda Roggan ihren Widerhall.

Kuratoren: Astrid Ihle, René Zechlin.




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Ricarda Roggan: "Garage 9", 2008, C-Print, 150 × 184 cm, Privatsammlung. Courtesy: Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin