Stadt Landau in der Pfalz / Städtische Galerie Villa Streccius
Sieglinde Enders und Mark Lorenz: "Anziehende Gegensätze"
Malerei, Grafik, Skulptur
27.10.06 bis 29.11.06
Sieglinde Enders
Sieglinde Enders

Worin besteht das Geheimnis einer harmonischen Partnerschaft? Sind es die angeblich so anziehenden Gegensätze, die eine Beziehung stabil halten, oder ist es nicht doch besser, ähnlich zu ticken? Was auch immer Lebensberater empfehlen: In der Kunst sind Kontraste befruchtend und bereichernd. Zuweilen führen verschiedene Ansätze auf einer anderen, geistigen Ebene wieder zusammen. So auch im Fall von Sieglinde Enders und Mark Lorenz. Beide gehören der Südpfälzischen Kunstgilde an. Sieglinde Enders wurde 1941 in Neu-Werbaß geboren und ist Malerin, Mark Lorenz, Jahrgang 1967, wurde in Sobernheim geboren und ist Bildhauer.

Mark Lorenz absolvierte ein Studium der Volkswirtschaftslehre, Islamwissenschaft und Geografie an der Universität Hamburg, ehe er von 1993 bis 1996 als Schüler bei den Bildhauern Anna Maria und Wolfgang Kubach-Wilmsen in Bad Münster am Stein begann und ein Bildhauerei-Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe, absolvierte. Danach gründete er während eines längeren Frankreichaufenthaltes sein erstes Atelier. 1998 kehrte er nach Deutschland zurück und ist seitdem als freischaffender Bildhauer tätig. Neben Ausstellungen im In- und Ausland beteiligte sich Mark Lorenz auch an verschiedenen Kunstprojekten in Deutschland, Norwegen, Russland, Polen und Litauen. Seine Arbeiten findet man im öffentlichen Besitz sowie in privaten Sammlungen.

Die Malerin Sieglinde Enders begann 1974 ihre Ausbildung. In Theorie und Praxis lernte sie bei dem Maler und Grafiker Heinz Brzoska und ergänzte Ihre Ausbildung bei bekannten Künstlern der Pfalz. Später belegte sie am Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst der Universität Landau die Fächer Porträt bei Prof. Werner Scheel sowie Radierung bei Günther Berlejung, ehe sie mehrmals, die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg besuchte und jeweils die Fächer Malerei und Zeichnung bei den chinesischen Professoren Shan Zuo Zhou und Da Huang Zhou, international bekannt unter dem Namen "Zhou Brothers", belegte.

Kraftvolle Pinselführung, reduzierte Formen, erdige Farben und vibrierende Bewegungen kennzeichnen die Malerei von Sieglinde Enders. Ihre Sprache, ist die Sprache der Körper. In sie legt Enders Kraft, Lebenslust, Anmut und Schönheit zugleich. Die Künstlerin leitet seit mehr als 15 Jahren die von ihr gegründete Aktmalgruppe der Südpfälzischen Kunstgilde, die von 1999 bis 2006 mit dem Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst der Universität Landau kooperierte. Sie ist Mitglied im BBK, dem Berufsverband Bildender Künstler.


Einführungsrede von Dr. Matthias Brück

Angeblich sollen Gegensätze sich ja anziehen, glaubt man dem Volksmund oder bekannten Klatschblättern, die allerdings eher berichten, wenn sich persönliche Gegensätze gerade einmal wieder abgestoßen haben. Nun, bei den Werken von Sieglinde Enders und Mark Lorenz wissen wir wenigstens ganz genau, wie lange sie zusammen bleiben werden: bis zum 29. November 2006.

Spaß beiseite: Stärkere Gegensätze, Widersprüche lassen sich wohl kaum in einer Ausstellung vorstellen - und wer nicht gerade einem unheilbaren Kunst-Dogmatismus verfallen ist, wird sich freuen und seine pluralistische Einstellung bestätigt finden.

Gewiß ist das Selbstportrait "Ich bin Ich" von Sieglinde Enders aufgefallen. Aus einer Staffelung von Gesichtern tritt die Physiognomie der Künstlerin hervor und es scheint, als habe sie sich von etwas befreit - befreit von den zahlreich drohenden falschen Identitäten in unserer Gesellschaft bzw. von den schicken Trends unseres Kunstbetriebes, von einer Kultur des Zeigens, des Vorzeigens und seiner produktiven Monstrosität.

Dem stellt Sieglinde Enders den schlichten Satz entgegen: "Ich bin ich", der Unabhängigkeit und Widerspruch signalisiert. Und gerade diese Haltung spiegelt sich in ihrer Aktmalerei wieder: Unabhängig von der jeweiligen Technik versteht sie es, den Menschen - selbst in seiner direkten Nacktkeit - nicht zu entblößen, ihn nicht als verfügbares Objekt vorzuführen, sondern ihn sogar häufig mit einem geheimnisvollen, heute fast immer missbrauchten Attribut auszuzeichnen, das man schlicht "Verführung" nennt.

Also keine Degradierung des Körpers im Sinne eines Klonens stereotyper Jugendlichkeit, kein Präsentieren mit Voyeurismus-Garantie, vielmehr eine Darstellung in Form eines offenen, unverkrampften Dialoges, der Körperlichkeit eben nicht als das schlechthin Andere begreift!

Da scheint alles in Bewegung zu sein. Strichig, farbstrichig wird die Ekstase des "Samba brazil" suggeriert, wenn der Betrachter in die dichte und doch von allem losgelöst scheinende Atmosphäre tänzerischer Hingabe eintauchen darf. Da zeigt sich exemplarisch der kongeniale Umgang mit der Farbe, die nicht nur durch ihre eigene Qualität interpretatorisch wirksam wird, sondern ebenso im Auftragen, im Moderieren, eine beinahe haptische Strukturierung erfährt.

Das garantiert nun pulsierende Lebendigkeit, bei der eine bestimmte Farbe - wie beispielsweise das Blau - gewissermaßen die Regie übernimmt: vom zarten atmosphärischen Bleu bis zur Verwandlung in ein distanziertes Blau-Grau, je nach der angenommenen Grundbefindlichkeit menschlicher Existenz.

Nur selten tendiert der Mensch - abgesehen von den Portraits natürlich - hin zur Individualität und doch hat der Betrachter stets den Eindruck, in diesen Exponaten eben nicht auf eine Typisierung, auf ein ästhetisches Modell zu treffen. Das eben Skizzierte können Sie unschwer auf die Landschaften, auf die Impressionen aus Ägypten mit ihrem nie versiegenden Zauber übertragen. Auch hier malt Sieglinde Enders gewissermaßen "mit der Seele", vermeidet den typischen Touristen-Blick, das hemmungslose Eindringen und Missachten einer fremden Kultur.

Mit adäquater, warmtoniger Farbmächtigkeit und einem bisweilen sanften, tektonischen Bildaufbau gelingt es ihr, sich das Neue, Unbekannte anzueignen. Dabei transformiert sie Szenen im Bazar einmal zu einem teilexpressiven Segment das Ganzen, reflektiert fast andächtig einen Tempelbesuch, um sogleich wieder das Merkwürdig-Pittoreske einer einheimischen Metzgerei einzufangen. Vielleicht lassen Sie sich ja auch von der Schönheit des Nils begeistern oder erleben Kairo aus der Vogelperspektive. Ich kann es hier nur andeuten.

Wenn man die Skulpturen von Mark Lorenz den Spielarten Konkreter Kunst zurechnen möchte, so hat das zweifelsfrei seine Berechtigung. Ein sich stark am ursprünglichen Material orientiertes Vorgehen stellt Spannungen her, in denen das Material noch selbst über sich zu berichten mag, auch wenn ihm vom Künstler eine spezifisch eigene Form verliehen wurde: eine Form, die aus dem einstigen Zuhanden-Sein der Pflastersteine in ein inhaltsfreies Vorhanden-Sein transformiert wurde - und dennoch eine gewisse Rückbezüglichkeit garantiert. Auch wenn die geometrischen Grundformen Veränderung oder Deformation erfahren haben, verweisen sie in ihrer Materialität immer noch auf einen früheren, jetzt abwesenden Zusammenhang.

Doch allein schon ihre neue Positionierung in den verschiedenen Installationen scheint dieses mögliche Erinnern jetzt zu relativieren, ja vergessen zu lassen. Jeder einzelne Block ändert darüber hinaus durch seine rechteckigen Einschnitte, durch ausgefräßte Hohlräume und durch seine amorph lebendigen Oberflächen die einstige Erscheinungsweise, die einstige Bedeutung.

Nicht umsonst nennt Mark Lorenz diese Exponate durchweg "Weltstücke" - die wie gefundene, zufällig entdeckte Fragmente auf eine frühere Einheit schließen lassen können. Der Kunsthistoriker Bern Künzig hat diese Werkgruppe einmal fantasievoll als Teil eines kosmischen Ganzen interpretiert, in der die Erinnerung an einen "expandierenden Sternnebel" generiert würde, aus dem die Erde als Feuer- und Erdklumpen entstanden sei, dem wiederum das Kunstwerk entnommen und schließlich geformt worden wäre - eine schöne Deutung.

Ich könnte Ihnen auch eine etwas "irdischere Deutung" anbieten: Möglicherweise ähneln die "Weltstücke" dieses Künstlers ja unseren "Weltbildern", die zerstückelt durch ihre dogmatisch egoistische Vereinzelung jeglichen sinnvollen Zusammenhang verloren haben. Die Aushöhlungen bleiben leer und suggerieren höchstens noch vergangene, längst bedeutungslos gewordenen Inhalte. Oder positiv gewendet: Die jeweilige Anordnung dokumentiert die potentielle Vielfalt eines pluralen Denkens, das gerade heute so bitter notwendig wäre. Zu dieser Überlegung könnte dann auch der kantige Turm aus fünfstöckigen, feingerillten Marmorblöcken passen: "Blickwinkel" heißt er - und scheint die verschiedensten Denkrichtungen in sich als Ganzes zu vereinen.


Besprechung von Eva Maria Weilemann, Die Rheinpfalz (Pfälzer Tageblatt) vom 30.10.06

"Leidenschaftliche Bewegung"

Sie hat keinen expliziten Titel, die am Feitag eröffnete Ausstellung mit über 100 Exponaten von Sieglinde Enders und Mark Lorenz. Den braucht sie auch nicht, denn die Schau in der Landauer Galerie Villa Streccius ist so voller ungeschriebener Titel und Subtitel, dass die beiden Künstlernamen vollkommen ausreichen. Die Ausstellung ist ein ungezwungener Streifzug durch das Schaffen zweier unterschiedlicher Künstler, die jedoch zumindest eines gemeinsam haben: ihre Zugehörigkeit zur Südpfälzischen Kunstgilde.

Mit 17 Skulpturen nimmt der in Sobernheim geborene Bildhauer vergleichsweise wenig Raum ein, den meisten beanspruchen die fast 90 Arbeiten von Sieglinde Enders. Im Erdgeschoss sind das zunächst Frauenporträts. Nicht zuletzt auf Grund ihres großen Formats und der offensichtlichen Freude an der Farbe wirken sie fast wie Seelenporträts. Auch mit ihren Aquarellen fängt Enders in erster Linie Stimmung ein. Sowohl bei den Aquarellen als auch bei den Acryl- und Ölarbeiten stehen immer die Gesichtszüge im Vordergrund, seien sie angedeutet oder präzise in Linien gefasst. Enders spielt mit dem Kontrast aus Abstraktion und Gegenständlichem.

Die 1941 in Neu Werbaß geborene Malerin versteht das Spiel mit Emotionen und Exotik. Sehenswert ist in diesem Zusammenhang auch "La Geria", eine in verschiedensten Grüntönen sehr schön auf der Leinwand festgehaltene Landschaft. Ein weiteres zentrales Thema für die Künstlerin ist die Aktmalerei: Mondän und verführerisch sind ihre mit viel Dynamik realisierten Momentaufnahmen, die Nacktheit und auch menschliche Verlorenheit dokumentieren.

Die beiden Bilder "Jenseits vom Paradies" sind eine Hommage an leidenschaftliche Bewegung und Verschmelzung, sie sind aber auch Symbol für den ständigen Kampf zwischen den Geschlechtern: Man kann unendlich viele Personen und deren möglichen Aktionen hineinprojizieren in die ausdrucksstarke Serie.

"Ich bin ich" heißt das Selbstporträt. Und es scheint fast, als blickte Sieglinde Enders über Eck auf den Jazzmusiker Egon Denu, der gerade ganz in sein Spielen vertieft scheint. Entlang des Treppenaufgangs begleiten Akte den Betrachter nach oben zu dem Teil der Villa, der ganz der Aktmalerei gewidmet zu sein scheint. Kniende nackte Männer, breitbeinig auf dem Stuhl sitzende Frauen, sich räkelnde, aber auch kauernde Modelle. Fast mit einem Schmunzeln betrachtet man vor diesem Hintergrund die farblich sehr schönen Spanien-Szenarien.

Passend dazu stehen zwei wie Hörner anmutende Skulpturen von Mark Lorenz, die den Eindruck in einer Arena fast plastisch erlebbar machen. Im Raum nebenan erschafft der 39-jährige Bildhauer mit "Weltstücke" ein kleines Universum aus Basalt.

In vielen verschiedenen Bahnen kreisen die nahezu quadratischen Stein-Stücke, die Mark Lorenz mit gleichsam mathematischer Genauigkeit parallel zu den Außenlinien ausgehöhlt zu haben scheint, um ein unsichtbares Zentrum auf dem glänzenden Dielenboden. Wie auch die restlichen Skulpturen der Ausstellung, zeichnet sich auch "Weltstücke" aus durch Klarheit und Reduktion, den zum Teil stumpfen Glanz des Materials.

Glänzend dagegen sind die weiß-grauen "Steine aus dem Meer", bei ihnen lösen sich die in Granit gebohrten, elipsenförmigen Linien auf in ein Muster, das wie eine natürliche Melierung erscheint. Durch das eingearbeitete Muster bleiben auch hohe Turmsäulen trotz ihrer Monumentalität fragil. Lorenz experimentiert mit unterschiedlichsten, selbst erschaffenen Mustern im Stein, die er mit fast geometrischen Öffnungen durchbricht. Die ausgeschnittenen Stücke wirken wie die Fenster zu seinen Skulpturen in Marmor, Kalksandstein, Granit und Basalt.




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