Kunstverein Villa Streccius Landau / Villa Streccius Landau
"Surfen. Naturprozess, Informationsfluss und Jugendkultur"
Die Ausstellung ist Teil des "Kultursommers des Landes Rheinland-Pfalz 2003"
10.05.03 bis 22.06.03
Aquaricon
Die virtuelle Welt "Aquaricon" - Sven Forstmann, Malte Paetsch, Andreas Schuster, Dominik Rinnhofer (Karlsruhe)

Surfen wurde zu einem zentralen polykulturellen Mode- und Schlüsselwort der letzten drei Jahrzehnte. Auch wenn die große Freiheit des artistisch-eleganten Gleitens auf kalifornischen Wellenkämmen nur wenigen gelingt, so bieten doch Snowboarding oder Scating ähnliche Entgrenzungserfahrungen im Surrogatformat. Und dann ist da noch der globale Metaphernsprung des Surfens im World Wide Web, das unsere Welt jeden Tag weiter schrumpfen läßt und seine eigenen Mythen schafft. Wenn sogar schon "Sarg-surfen" als Internet-Werbung für Designstudien der Sargindustrie möglich ist, zeigt dies, dass der Begriff bis in die Niederungen und Tabubereiche unserer Gesellschaft vorgestoßen ist.
Antikultur gegen das amerikanische Establishment, das seine Werte mit Bombenteppichen in Vietnam verteidigte, war das Grundmuster des "Surfin´USA" im gleichnamigen Song der "Beach Boys" in den 70-er Jahren. Snowboarding wurde die spielerische Gegenkultur zum Skifahren, als dies bürgerliche Massenveranstaltung und Konsumartikel wurde.
Es ist vor allem die mythenhafte Unbestimmtheit des Begriffs, die seinen Erfolg ermöglicht hat: Surfen steht für das Verlassen vorgespurter (Lebens)pisten, für den Rausch der Geschwindigkeit, den Sieg über Natur und Schwerkraft und die individuelle Lusterfahrung in Überwindung von Zeit und Raum. Es erlaubt den Rückfall in ein heroisches Zeitalter, wo das Ich obsiegt. Und erfolgreiches Surfen im Netzwerk der Kommunikationssysteme sichert heute nicht nur konkret wirtschaftliches Überleben, die anarchische Grundstruktur des Internets geriet auch zur Analogie subversiver künstlerischer Strategien.
Ganz gleich, ob man im Surfen dynamische Entgrenzungsprozesse, den Mythos einer neuen Kommunikationskultur oder das "Universum der irrelevanten Geschwätzigkeit" (U. Wirth) erkennen will, es setzt ein neues Potential künstlerischer Produktivität frei.

Die Ausstellung thematisiert ausgehend vom Phänomen des Sportsurfens dessen konkrete und metaphorische Übertragung auf Kontexte der heutigen Freizeit-, Informations- und Jugendkultur als Identifikationsmuster einer neuen Kulturbewegung.
Durch den "Erlebniskick" einer ungehemmten Gleit- und Fließbewegung des Surfens verbindet sich diese neue Kulturform mit aktuellen Schaffensformen der Bildenden Kunst. Diese werden zum bild- bzw. gestalthaften Ausdruck für existentielle und technisch-kommunikative Dynamik, Grenzenlosigkeit medialer Kommunikationsstrategien sowie für Synthetisierungstendenzen der kulturellen Vielfalt unserer Zeit.
Sowohl als reale Lebensäußerung, wie als sekundäres Modell der Kunst, steht "Surfen" damit für das spielerische Hinwegsetzen über die Widerständigkeit der Materie wie für eine neue Naturnähe als Analogon zu der Bewegung von Flüssigkeiten oder dem Energiestrom in Halbleitern. Die Kunst reflektiert dabei auch immer das Risiko des Untergangs oder der medialen Überflutung .
Unterschiedliche künstlerische Medien: Malerei, Fotografie, Video, Computersimulation, Raum- und Soundinstallationen sollen dabei zum Zuge kommen.

Ausstellende KünstlerInnen und deren Projekte:

1) AQUARICON:
Sven Forstmann, Malte Paetsch, Andreas Schuster, Dominik Rinnhofer (Karlsruhe)

Die virtuelle Welt "Aquaricon" von vier Studierenden der Hochschule für Gestaltung und Medientechnologie Karlsruhe ist ein interaktives 3D-Environment mit einer computergenerierten Landschaft und dazugehörigen Lebewesen. Die verschiedenen Lebensformen sind teilweise realen Tieren (Fischen) nachempfunden. Aber auch völlig neuartige Formen sind entstanden. Das Projekt wird stetig weiterentwickelt.




2) Mo Becha, David Neirings (Gent, Belgien)

Mo Becha (geb. 1970) und David Neirings (geb. 1972) haben beide an der Kunstakademie Gent, Fachbereich 3D-Multimedia, studiert. Zahlreiche Ausstellungen vor allem in Belgien und Holland. Mehrere Arbeiten 2001 und 2002 auf der Kunstmesse in Frankfurt/Main.
Gezeigt wird die Sound-Installation "Skate-Yard". David Neirings wird zusätzlich "Cards" und Objekte ausstellen, die aus der Formenwelt von Mikrochipstrukturen, Spielfeldmarkierungen, Warenzeichen und "Barcodes" abgeleitet sind.




3) Betty Beier (Edesheim/Pfalz)

geb. 1965 in Kenzingen/Baden, zeigt durch ein spezielles Abgussverfahren hergestellte Bildtafeln aus ihrem Projekt "Die konservierte Landschaft", die in der Ausstellung allgemein auf Fliess- und Naturprozesse verweisen und durch menschliches Einwirken hervorgerufene Naturveränderungen langfristig dokumentieren sollen.

4) Christian Ertel (Karlsruhe)

geb. 1976 in Karlsruhe, Studium an der Akademie der bildenden Künste Karlsruhe. Seit Juli 2002 Meisterschüler, Okt. 2002 bis März 2003 Auslandsstipendium des Landes Baden-Württemberg in Mexiko-City. Er wird die 2001 mit dem Preis der Karlsruher Kunstakademie ausgezeichnete Lichtwellen-Installation "surf o­n me!" zeigen, siebenundvierzig parallel im Raum aufgehängte Leuchtstoffröhren, die zusammen eine Wellenform bilden.





5) Thorsten Indra (Gießen)

geb. 1965, arbeitet als freier Bildjournalist und Fotodesigner. 1988 begann er in den Wellen von Maui zu fotografieren. Er zeigt Fotografien von Wellenreitern, Windsurfern und Snowboardern.





6) Klaus Lomnitzer (Mainz)

geb. 1970 in Marburg, Studium der bildenden Kunst und der Philosophie in Mainz, 2001/02 Asterstein-Stipendium Koblenz. Gezeigt werden Gemälde auf PVC-Folie, die Wasserflächen und Unterwasserlandschaften als Analogie zum Fluß von Gedanken oder Bildeindrücken der Erinnerung transportieren.

7) Susanne Wadle (Mainz, Landau/Pfalz)

geb. 1966, Studium der bildenden Kunst und Geographie in Mainz, dann Dijon. Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Karlsruhe, Meisterschülerin. 1998/99 Asterstein-Stipendium Koblenz. Begehbares Installationsobjekt im Hof der Villa Streccius, weitere Arbeiten im Gebäude zu: "Jugendkultur - Natur und Alltag".


Finissage:

Sonntag, 22. Juni, ab 15.00 Uhr
Führung mit Jörg Katerndahl, Kurator der Ausstellung




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Aquaricon
Die virtuelle Welt "Aquaricon" - Sven Forstmann, Malte Paetsch, Andreas Schuster, Dominik Rinnhofer (Karlsruhe)
Mo Becha und David Neirings
Installation von Mo Becha und David Neirings
Christian Ertel
Christian Ertel: "surf o­n me!"
Thorsten Indra
Thorsten Indra