Stadt Landau in der Pfalz / Stadtbibliothek Landau
Wolfgang Blanke und Udo Pfeiffer: "Magische Orte"
Malerei
16.11.07 bis 18.12.07

"Magische Orte" so der Titel. Für Udo Pfeiffer ist ganz offensichtlich, dass er damit die Magie des Archetypischen meint, die man besonders an Orten findet, an denen die Spuren unserer Vorfahren sichtbar werden. Diese Orte werden aus dem ursprünglichen‚ 'in situ Zusammenhang' herausgelöst und in das Tafelbild, sozusagen hinübergerettet. Was Wolfgang Blanke betrifft ist der Ort der Magie das Bild selbst: die sinnliche Erfahrung des Materials Farbe, die er selbst herstellt. Der Bildinhalt ist immer nur Vorwand für eine optimale Darstellung dieser Sinnlichkeit. Malerei pur. Veranstalter: "Freunde der Stadtbibliothek Landau".


Einführung von Peter Welke

Heute stelle ich Ihnen die beiden Maler Wolfgang Blanke und Udo Pfeiffer vor, deren Werke nicht unterschiedlicher sein könnten. Sie präsentieren uns allerdings durch ihre unterschiedlichen Stile und Sehweisen, eine Ausstellung von seltener Spannkraft und Intensität.
Wolfgang Blanke, ein intellektueller und sensibler Maler, der mehrere Bücher - wie Sie in der Auslage sehen können - verfasste, hat seine Malerei zum Lehrfach gemacht. Seit 2002 kann er sich der 1948 in Münster/Westfalen geborene Künstler völlig seinen bevorzugten Leidenschaften hingeben: der Malerei und dem Segeln. Seine Malerei begann er recht früh und präsentierte sie mit einer ersten Ausstellung 1970 in Paderborn. Seine erste Karriere, die er der Schifffahrt bei Hapag-Lloyd widmete, tauschte er gegen seine zweite ein - dem Studium der Kunst, der Kunstgeschichte und der Archäologie, an den Universitäten Karlsruhe und Mainz ab 1971.
Seine gelassene Haltung gegenüber Trends und zeitgeistigen Auffassungen kommentiert er prägnant: (Zitat) "Mit den Jahren wird man bescheidener. In den "Sturm und Drang Zeiten" waren meine Bilder überfrachtet von Inhalten. Ideologien, Philosophien, Träume sollten anschaulich und erfahrbar werden - welch eine Illusion! Ich hätte besser schreiben sollen, aber das haben andere schon besser gemacht. Informel, lyrische Abstraktion, die neuen Wilden fand ich langweilig, was hatten die schon zu sagen, eine elende Schmiererei und Gefühlsduselei. An der Akademie in Karlsruhe lachte man über meine weltfremden und anachronistischen Surrealismen. Mit den Jahren wurde für mich aber auch die fotografisch akribische Perfektion langweilig. Ich erkannte endlich gute Malerei. Was ist gute Malerei? Eine Malerei die sich selbst genügt, die Selbstzweck ist, die dem Betrachter beinahe sinnlich die Einheit von Material, Werkzeug und Verfahren offenbart. An der Pinselführung, der "Handschrift", zeigt sich der schöpferische Dialog in einer Leichtigkeit und Frische, die man auch als Virtuosität bezeichnen kann.

Es muss nicht immer der Pinsel sein. In den Sgrafitti wird aus weichen Farbschichten Figürliches herausgekratzt. Auch hier entsteht ein Dialog getragen von der Interdependenz Material, Werkzeug und Verfahren. Die Farbschichten bestehen aus Emulsionen von Zelluloseleim, Bienenwachs und Leinöl. Wenn man in dieser Weise arbeitet ist es selbstverständlich, dass man sein Material selbst fertigt. Mein Atelier gleicht einem alchemistischen Labor, hier wird gemischt, gerührt, gemixt, gerieben, getestet." (Zitat Ende)

Besser kann ein Interpret die Arbeitsweise und -einstellung von Wolfgang Blanke nicht formulieren, als der Künstler selbst. Aber was meint er denn spezifisch? Als er in Karlsruhe studierte, malte er einen Stil der Phantastischen, der Surrealen Strömung. Er arbeitete mit den Mitteln des Fotorealismus, kein Pinselstrich sollte sichtbar werden - die Airbrush war ein höchst willkommenes Werkzeug. Seine Kommilitonen dachten sich bereits zwei Schritte voraus, indem sie sich der 'gestischen Malerei' in groben Großformaten hingaben. Blanke lehnte diese Äußerungsform ab, orientierte sich an dem Maler Richard Oelze, der in Paris mit André Breton, Salvatore Dali, Paul Eluard und Max Ernst in freundschaftlicher Verbindung stand, um seinen eigenen Weg zu gehen, sich in der Künstlergemeinde von Worpswede anzusiedeln.

An Oelze studierte er den grafischen Strich in der Malerei und dessen Weltsicht auf dem Weg zur Fantastischen Malerei. Davon hat sich Blanke längst gelöst und arbeitet wesentlich subtiler mit selbst zusammen gerührten Emulsionen und Farben die bisweilen so transparent erscheinen, dass man meinen könnte Bildhintergrund und figürlicher Bildvordergrund verschmelzen und ergeben die Gesamtkomposition. Die Sanftheit des Farbauftrages geschieht lediglich mit dem Pinsel den er in verschiedenen Breiten und Stärken benutzt. Bei genauer Betrachtung lässt sich die Gestik des Striches nachvollziehen. Die Farben nehmen Konturen an, setzen Kontraste, lassen die Bildtiefe entstehen. Das Spiel mit Licht und Schatten wird eher zufällig gesetzt, nie aber unbewusst. Ein treffendes Schlagwort für seine Auseinandersetzung mit Leinwand und Farbe ist "der Dialog mit dem Zufall". Das Bildmotiv ist vorbestimmt, liegt abrufbereit im Kopf. Die Umsetzung jedoch ist es, was die stille Arbeit spannend macht. Der besondere Farbauftrag ist es, in dem die Farben ineinander fließen, die das Bild, von entfernter Betrachtung gesehen, nahezu Zweidimensional erscheinen lassen. Der Pinselstrich kommt locker flockig aus dem Bauch heraus, scheint schnell gesetzt und gestattet dem Betrachter letztlich seine eigenen Erfahrungen in das Bild zu projezieren. Dabei geschieht manchmal das Phänomen, dass ein Bild einfach nicht werden will, wie es der Künstler haben möchte. Dann ist der Tag für ihn gelaufen und das begonnene Werk wird zerstört.

Sein "Magischer Ort" ist das Atelier, geprägt von der Geruchsatmosphäre, dem vertrauten Raum und der stetigen Herausforderung an der neuen Arbeit. Blanke arbeitet simultan an mehreren Bildern, denn die verschiedenen Farbaufträge brauchen Zeit zum Trocknen. Die Umsetzung der Idee in ein Bild geschieht im direkten Malvorgang. Blanke überzieht die Realität, indem er manche Gliedmaßen von dargestellten Menschen länger erscheinen lässt, als sie es tatsächlich sind. Selten benötigt er Skizzen oder Vorstudien, obwohl er ständig irgendwelche Skizzen fertigt. Sie sind Daumengroß und es bekommt sie nie jemand zu sehen außer dem Künstler selbst. Irgendwann bedient er sich aus dem Fundus und gestaltet neue Illusionen und Darstellungen, indem er sich von seinen Skizzen immer neu inspirieren lässt.

Udo Pfeiffer ist als Maler und Mensch ein anderer Typus, ein anderer Charakter. Sein "Magischer Ort" ist das eigene Unterbewusstsein, wobei er sehr bewusst arbeitet. Eine handwerkliche Geschicklichkeit dominiert seine Arbeiten. Ihre archaisch wirkende Kraft zieht das Auge des Betrachters in ihren Bann. Kraftvoll und mythisch zugleich treffen seine symbolischen Zeichen unser Bewusstsein. Gerade die Darstellung von Tiersymbolen, vermischt mit mathematischen und fremd anmutenden Schriftzeichen aus einer anderen Zeit, möglicherweise sogar aus einer anderen Welt, befremden uns und lassen sie gleichzeitig aber sehr vertraut erscheinen.

Udo Pfeiffer ist 1957 in Germersheim geboren, er studierte die Bildende Kunst an der Uni Mainz. Er lebt und arbeitet in Bellheim, wo er ein Atelier unterhält und einen geräumigen Präsentationsraum. Die besondere Intensität seiner Bilder schafft er durch eine gleich bleibende Prozedur an dem jeweiligen Malgrund.

Zunächst wird die Leinwand, das Holz, oder der Stein schwarz eingefärbt. Dann kommt eine Schicht Weiß darüber. Die Farben selbst sind Mischtechniken, die auf Acrylfarben basieren. Dem Acryl mischt er bisweilen feinenkörnigen Sand hinzu. Dadurch gestaltet er die Oberfläche volumiger, ja reliefartig. Auch wird die Farboberfläche nicht mit Pinsel oder Spachtel aufgetragen, sondern er nimmt beispielsweise ein großes Blatt, oder ein Stück Stoff, auf welches er eine ordentliche Farbmenge aufträgt und schlägt sie auf den Malgrund. Diese Vorgehensweise ermöglicht in mehreren weiterführenden Arbeitsgängen ein Herauskratzen - ein Penetrieren der Farboberflächen, bis auf die erste, die schwarze Farbschicht. Mit ihr geht er dann gestalterisch um, erzielt deren archaische Tiefenwirkung. Er ritzt, bohrt und gräbt sich in die Farbmasse hinein, gestaltet sie, ähnlich wie ein Bildhauer. Das Ergebnis dieses aggressiven Vorgangs erinnert manchmal an aufgerissene Erde, dann wieder an Baumrinde oder an Steinwände, auf denen seine Aussagen zu lesen - zu erfahren sind.

Udo Pfeiffer gestaltet die Erscheinungsform von Natur neu. Über seine Arbeitsweise sagt er: "Ich male keine Bilder - ich mache sie." Um die Bildaussage nicht alleine sprechen zu lassen, bedient er sich noch der ornamentalen Ausschmückung. Florale, oder geometrische Bänder grenzen die Darstellungen von Menschen, Tieren und Zeichen ein, weisen ihnen ihren Aktionsraum zu. Er greift geometrische Formen auf, denn sie zeugen von der Entwicklung menschlicher Zivilisation. Bei näherer Betrachtung wird das Dreieck zu einem Helm, das auf der Spitze stehende Blatt zum Schild, der Kreis kann zu einer Kugel werden, die unser Bewusstsein ernüchternd trifft. Oftmals sind es männliche Symboliken, die in ihrer Wehrhaftigkeit geäußert sind. Sie bieten Schutz und geben Kraft, der Außenwelt gegenüber zu treten. Anders betrachtet sind es Zeichen, die von Kommunikation - im Sinne von Auseinandersetzung, Gesprächsstoff und Verständigung - berichten.
Seine Bilder kann man lesen, sie erzählen jedoch keine fortlaufende Geschichte. Seine Symbole stehen stellvertretend für Gattungen oder Abschnitten der ethnischen Entwicklungshistorie. Tiere erscheinen als Prototypen. Der Fisch stellt das Leben im Wasser dar, der Hirsch steht für die Gattung Säugetiere, der Vogel symbolisiert das Leben in den Lüften. Selten kommen bei Pfeiffer der Mensch und das Tier gemeinsam auf einem Bild vor. Dies ist jedoch eine Trennung, die nicht absichtlich vorgenommen wurde. Tier und Mensch werden nicht mimetisch, sondern reduziert auf die wesentlichen Umrisslinie dargestellt.

Bei den Stelen geht der Künstler in Farbauftrag und Bildsprache ähnlich vor. Die Stehlen oder Steine sind eher eine Spielform im Umgang mit der Malerei. Man könnte sich auch vorstellen, die einzelnen Flächen aufzurollen und als Bild gelten zu lassen. Jedoch verstärken auch sie die urzeitliche Kommunikationsform des Menschen, der in unterschiedlichsten Äußerungsformen Zeichen und Male in die Natur setzte, auch in der Höhlenmalerei.

Damit bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit, bitte nutzen Sie die anschließende Zeit für das Gespräch mit den Künstlern Udo Pfeiffer und Wolfgang Blanke, aber natürlich auch für den Dialog mit deren Arbeiten und vielleicht für einen Ankauf.


Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 20.11.07

Magische Orte

"Magische Orte" nennt sich die derzeitige Ausstellung in der Landauer Stadtbibliothek, die Arbeiten von Udo Pfeiffer und Wolfgang Blanke zeigt. Die Magie freilich, die beide Künstler zu Recht für sich reklamieren können, drückt sich sehr unterschiedlich aus.

Für Udo Pfeiffer besteht sie fast nur aus Zeichen, somit fast aus einer doppelten Chiffrierung. Seine Landschaften und Wegbeschreibungen jedenfalls scheinen sich fast immer in Symbolen auszudrücken, die von antiken oder auch neuzeitlichen Wissenschaftlern zur Orientierung für Wegsuchende oder Wanderer gedacht waren. So hat der Künstler teilweise Codes aus der Kartografie übernommen, etwa das Zeichen für Gewässer, Nadel- oder Laubwald. Mindestens ebenso sehr aber faszinieren ihn mythologische Zusammenhänge. Und so geht alles Zeichenhafte - gewiss auch all die Symbole, die einzig und allein dem Künstler-Kopf entsprungen sind - in jene Symbiose ein, die Udo Pfeiffer sich auf seinen vielgestaltigen Bildern dynamisch entwickeln lässt. Dynamik allerdings heißt nicht Gewalt. Mit sanften Farben in wirkungsvollen Kontrasten, mit pastos wirkenden Materialien sowie bandförmig sich hinziehenden "Symbol"-Geschichten, die man wie Comics "lesen" kann oder auch nicht, schildert" Pfeiffer Bäume, Tiere und Menschen gleichsam als die Umrisse oder Abdrücke ihrer selbst, sie sind stilisiert, schattenhaft und scheinen aus archaischen Vorzeiten zu stammen. In ihrem ausgeprägten Reliefcharakter muten die Arbeiten sogar nicht selten ägyptisch an. Festlegen aber lässt sich dieser Künstler nie. Auch griechisch mäandert es bei ihm auf etlichen Bildern und an indianischen Totemkult lassen seine bemalten hölzernen Stelen gleichfalls denken.

Es sind Ansichten aus einer chiffrierten Vergangenheit, in der die Gegenwart nur schwer zu finden ist. Aber auch bei Wolfgang Blanke, der seine magischen Orte mehr bei den Menschen sucht und auch findet, lässt sich das Präsens nur indirekt erkennen.

Selten hat man es jedoch weniger vermisst. Denn immer wieder kann der Betrachter auf seinen Großformaten in eine Art Überzeitlichkeit eintauchen, die die Menschen - gestalterisch auf hohem Niveau - bei einer ganz besonderen Lockerheit, ja, einer lustvoll praktizierten Freiheit vorführt oder ertappt. Beim Tanzen, beim Essen, bei Feiern, beim Baden, selbst beim Reden und Auf-dem-Sofa-Sitzen. Immer scheinen die Gestalten - beim Nähertreten - aus geheimnisvollen malerischen "Wolken" zu bestehen, die sich aufzulösen drohen, wenn man den Blick direkt auf sie richtet. Geht man aber zwei oder drei Schritte zurück, erschließt sich ein vielfältiges Panorama aus differenziertesten Farben und Details sowie ein feinsinniges Arrangement delikatester Schattierungen, die sich zu einem großen und überzeugenden Ganzen runden. Es ist jedes Mal ein Wunder, das Blanke den Betrachter seiner Bilder erleben lässt, und nur teilweise lässt es sich mit deren ausgefuchster Produktionsmethode - den Pigmenten, den Bindemitteln wie Kasein, Leimen, Harzen oder Ölen - erklären. Es sind eher die zu Ewigkeit gewordenen, oftmals erkennbar glückseligen Zustände, die Blanke einem so anrührend offeriert, schon weil man weiß, dass sie ja garantiert nicht dauern. Der Künstler hat sie als jenes geheimnisvolle Zwischenstadium inszeniert, dessen diffuse, manchmal leuchtende, manchmal radikal abgedunkelte Stofflichkeit direkt aus dem Reich der Erinnerung kommt. Mit "déjà vu" wäre dies allerdings nur unzureichend beschrieben.





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