Stadt Landau in der Pfalz / Stadtbibliothek Landau
Xaver Mayer: "Mensch Mayer!"
Malerei, Druckgrafik
25.11.05 bis 16.12.05
Xaver Mayer
Xaver Mayer: "Mensch Mayer!"

"Mensch Mayer" bietet ein ganzes Kompendium aus Druckgrafik, Malerei und Illustration, welches uns Xaver Mayer in einer Ausstellung zusammenträgt. Ein Spektrum aus seinem Schaffen der letzten Monate bietet er uns zum Betrachten an. Viele neue Arbeiten also, die Skurriles, Menschliches, Landschaftliches, Gezeichnetes, Gemaltes, Radiertes, Geklebtes, Stimmungsvolles, Absurdes, Melancholisches, Lustiges, Doppelbödiges, Nachdenkliches vorstellen. Grund für den Betrachter einmal zu sagen: "Mensch Mayer!" Aber glaubhaft ist die Schau allemal.

Der in Pirmasens geborene Künstler studierte in Marburg und Landau Kunsterziehung und Germanistik. Seit 1985 ist er als freischaffender Grafiker und Maler in Landau tätig. Oft konnte man seine Werke in Einzel- und Gruppenausstellungen sowie auf Kunstmessen betrachten, u.a. in München, Freiburg, Leer, Frankfurt, Mainz, Ludwigshafen, Saarbrücken, Landau und Pirmasens, Valencia und immer wieder auf dem Landauer Nikolausmarkt.


Einführung von Peter Welke

"Mensch Mayer!", kann der Xaver Mayer heute ausrufen, "Was hab ich nicht alles schon gezeichnet, gestichelt und graviert?" "Ja, nun erst mal langsam!", könnte der ansonsten stille Betrachter fordern. "Was machst Du eigentlich? Sind das Karikaturen oder sind das Cartoons?" "Nein!", lautet die etwas verstimmte Antwort, "eigentlich will ich mich gar nicht in irgendeine Schublade sperren lassen, aber wenn es schon eine sein muss, dann würde ich sagen, dass ich satirische Druckgrafiken fertige."

"Was darf die Satire?", fragt Kurt Tucholsky 1919 und antwortet kurz: "Alles!" Das Medium der Satire ist die Kunst. "Was darf die Kunst?", fragen wir heute. "Alles!", ist die Antwort, denn sie hat Narrenfreiheit. Nun wissen wir, was ein freier Künstler ist. Xaver Mayer betreibt diese Freiheit seit 1984. Vorher hat er das gelernt, was auf seinen Bildern zu sehen ist und davor, in der Schule, hat er alles gezeichnet, was er lernen sollte.

Er studierte in Marburg am "Grafischen Institut" die Kunst und später in Landau (an der EWH) auch Germanistik, während ihn sein kunstpädagogisches Studium begleitete. Doch das Studium erschien ihm öde und abwechslungsarm. Nun wissen wir, warum jemand zum freien Künstler wird.

Wer darf satirisch sein? Die Narrenfreiheit allein hilft dazu wenig. Will der Satiriker glaubhaft etwas sagen, so muss er selbst daran glauben, was er sagt, ja er muss es ein gutes Stück leben, sonst entsteht Langeweile für den Betrachter. Xaver Mayer verwandelt sich in seinen Grafiken und ist deshalb so glaubhaft, da er viele seiner skurrilen Wesen im Innersten gewesen ist, mit allen Ängsten, aller Einsamkeit, aller Freude und der unumstößlichen Liebe zum Menschen. Im Mittelpunkt steht immer die Anteilnahme des Ichs an der Zeit, deren Wandel in der Erscheinungsform und die Natur in ihrer Wahrnehmungsform. Seine Darstellung wird zur Paralyse.

"Nun wissen wir, dass Egozentriker, die sich der Zeit opfern, Satire hervorbringen, allerdings ist dieser Zustand lebenslänglich und rücksichtslos. Die Glaubwürdigkeit der Satire hängt auch von der Naturtreue ab, mit der der Künstler seine Erfahrungen und Gefühle umsetzt. Xaver Mayer schuf ein ganzes Figurenkabinett von Wesen, die liebenswert, mit sich selbst zwar kämpfend, doch - gleich in welcher Lage - mit sich zufrieden sind. Es gelingt ihm, uns Betrachtern Anteilnahme abzufordern." (Heiko Jörn)

Doch wie kommt einer dazu, uns satirische Druckgrafik zu präsentieren? Xaver Mayer bekam als kleiner Junge von seinem Vater, immer nach dem Frühstück und bevor der Vater zur Arbeit musste, ein "Bildchen für den Tag" in sein Büchlein gezeichnet. Ihn faszinierte, wie mit einigen wenigen Strichen ein Abbild der Realität entstand. Ein Zirkuszelt, ein Auto, viele Dinge, die man kennt, aber nicht in dieser Darstellungsweise. Ihm imponierte die Möglichkeit, mit der Realität spielerisch umgehen zu können. Diese Ausdrucksgebung wollte er letztlich auch beherrschen.

Später, als Xaver Mayer schon ein großer Junge war, teilte er die kostbaren freien Nachmittagsstunden sorgfältig ein und gesellte sich, erst nach den selbstauferlegten Zeichenstunden, zu seinen Freunden und zum Fußballspiel. Es war ihm eine Lust, die Realität - nach seiner Phantasie - auf den Kopf zu stellen oder zu verändern. Später war es ihm eine große Lust, die eigene Realität zu erzeichnen und es ergriff ihn, damals wie heute, ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit, wenn er eine Darstellung als gelungen betrachten konnte.

Er lieh sich Bücher mit Illustrationen aus und staunte immer wieder, wie es möglich sein mochte, Figuren zu zeichnen, wie es ein Wilhelm Busch getan hatte. Als Student, in einem kleinen Zimmer in der WG, kaufte er schließlich eine kleine gebrauchte Druckpresse und begann zu radieren. Frei nach dem Motto: "Mol gugge was do erauskummt!" Für seinen vorgegebenen Lebensweg hatte er einige Techniken kennen gelernt und verfeinerte diese im Eigenstudium.

Für die Druckgrafik benötigt man recht wenig Material. Man braucht ein Stück Kupferblech, Asphaltlack oder Asphaltstaub, einen spitzen Nagel, den man in einen Holzgriff einschlägt, natürlich eine Druckpresse und Aquatintafarben. Aber das Wichtigste sind die Ideen, die "aus dem Kopf in die Hand fließen" und das Bild zu einer Darstellung werden lassen. Die Muse ist dabei eine unzuverlässige Schwester, die einen Ungeduldigen gerne warten läßt. Da setzt der Künstler eher auf die eigene Intuition und auf sein handwerkliches Geschick, als die Zeit ungenutzt mit Warten zu verbringen. Er schöpft die Intuitionen auf seinen Spaziergängen und Wanderungen mit seinem Hund, aus der Vielfalt der Natur mit ihren Erscheinungsformen und oft setzt er den Menschen, mit seiner Fähigkeit, Staunen zu können, in eine Szenerie aus Landschaft.

Manchmal setzt er die Menschen aus seiner Phantasie in einen Guckkasten, den er von oben herab betrachtet. Da sind die weißen, die gelben und die roten Figuren, die er in seinem Kasten herumschieben kann. Natürlich betrachtet er "seine Menschen" mit einer großen Portion Mitgefühl und der Liebe an der Menschheit. Es sind keine bestimmten Menschen, keine Prominenten, sondern eher Figuren ohne konkrete Gesichtszüge, ohne direkten Bezug zum richtigen Leben. Oft tragen sie nachdenkliche und auch melancholische Gesichter. Die Liebe zum Menschen zeigt sich in seinen Arbeiten nicht in der erotischen Darstellung oder dem Akt, sondern eher durch seine unaufdringliche Art ihrer Betrachtung, durch den Ausdruck ihrer Gefühlsstimmungen.

Wenn ein Stadtmensch, der es gewohnt ist, sich ein Stück Himmel durchs Fenster oder eine Häuserschlucht zu ergattern, plötzlich unter dem freien Firmament steht, dann gerät er doch erst einmal ins Staunen über die Allmacht der Weite dieser ungewohnten Ansicht. Es zählen im sog. "normalen Leben" nur die Superlative. Es zählen die Schönsten und die Schnellsten und die Weltmeister. Aber die wenigsten von uns sind es, die zur Weltelite gehören und die Superlative lassen sich ganz schnell relativieren - indem man die Menschen in seinen Guckkasten setzt und sie als Figuren hin und her schiebt. So betrachtet, kann man die Arbeiten von Xaver Mayer als Aufruf an die Normalität im menschlichen Leben interpretieren. Zudem spielt er gerne mit den Situationen, verrätselt sie, so dass der Inhalt der Aussage erst auf den 2. Blick erkennbar wird.

Xaver Mayer ist ein großer Verehrer des Grafikers und Künstlers Horst Janssen, den er wegen seiner Darstellungsart bewundert, dem Menschen sein eigenes Antlitz als Mensch zu belassen, und wegen seiner u.a. fotorealistischen Darstellungskunst. Desweiteren bewundert er die Ausdruckskraft der Arbeiten von Tomi Ungerer und F.K. Waechter, ohne sie interpretieren zu wollen oder gar als Epigone zu wirken. Nein, Xaver Mayer hat seinen eigenen Stil geschaffen, der ihn unverwechselbar macht.

Sendungsbewusstsein? Nein, ein Sendungsbewusstsein denkt er in keine seiner Arbeiten hinein. Die Absicht ist ihm fremd, denn zur Sendungsbewusstheit gehört eine strikte Linie, die er verfolgen müsste. Sei es eine religiöse, eine sektiererische, eine politische oder wissenschaftliche Linie. Nichts dergleichen vertritt er jedoch, da er hierzu eine viel zu freiheitsliebende Auffassung des Lebens hat.

Gesellschaftskritisch sind seine Bildaussagen bisweilen schon, er vertritt jedoch nicht die Böswilligkeit, die viele Karikaturisten in den Vordergrund ihrer Aussagen stellen. Er vertritt nicht die Art des "den Finger in die Wunde legen" und auch nicht die Tagesaktualität. Dies unterscheidet seine Arbeiten denn auch gravierend von denen der Karikaturisten und vieler Cartoonzeichner.

Zudem weiß er genau, dass die Kunst des Radierens, die Kunst der Druckgrafik von vielen Menschen nicht besonders geschätzt wird. Sie ist nicht spektakulär und sie glänzt nicht durch Größe. Schließlich stellt er keine Unikate her, aber er limitiert seine Auflagen streng und druckt ausschließlich in kleinen Serien. Dagegen werden die Preise seiner Druckgrafiken geschätzt, denn sie sind für jeden Geldbeutel erschwinglich. Aber dies ruft die damit einhergehenden Probleme mit sich, denn der freischaffende Künstler ist auch den ökonomischen Zwängen unterworfen. Gerade durch die kleinen Preise braucht er viel mehr Ausstellungen, braucht viel mehr Ideen und viel mehr Material, um sein Leben finanzieren zu können, als die meisten seiner Künstlerkollegen.

Seine Arbeitsweise unterscheidet sich weitläufig nicht von der anderer Druckgrafiker. Er bereitet die Druckplatte mit schwarzem Lack vor, dann beginnt er, die Linien einzugravieren. Dabei muss er stets im Negativ denken - Negativ heißt in seinem Falle jedoch spiegelverkehrt. Heißt in seiner Arbeitsweise negativ wie in der Fotografie. Wenn ein Strich oder eine Fläche weggraviert ist, dann erscheint dieser Strich, diese Fläche weiß auf dem Abzug, den er später auf das Papier druckt. Korrekturen sind nur in Ausnahmefällen möglich. Meist ist die Platte ruiniert, wenn etwas zu viel oder falsch graviert wurde. Manchmal fertigt er eine Skizze in Positiv, wenn er eine Studie anlegt, die er später vielleicht nochmals für eine seiner Malarbeiten nutzen will.

In der Malerei kann er viel freier arbeiten. Korrekturen sind jederzeit möglich, der gestische Malduktus begeistert ihn. Aber spannender ist die Druckgrafik. Hier kann er mit dem großen Kollegen Zufall zusammenwirken, denn die Farben kommen nicht so hundertprozentig wie bei der Malerei zum Vorschein, das "Negativ-Denken" in der Farbgebung ist eine ständige Herausforderung. An dieser Stelle kann ich das Zitat von Heiko Jörn einfügen, der die Ausstellung von Xaver Mayer in Leer mit seiner Festrede eröffnete:

"Jeder richtig freie Künstler muss sein Handwerk verstehen, wenn er auf Dauer Ergebnisse hervorbringen will, die man Kunst nennt. Der Satiriker ist unter den Künstlern der Akrobat. Seine ganze Kunst muss so erstaunlich und sensationell sein wie eine Varieténummer. Ob Mayers Farbradierungen aus einer, zwei oder drei Platten gedruckt sind, ist schwer auszumachen. Wie ein Zauberer geht er mit den Farbtönen Blau und Orange um. Die Aquatintaflächen mischen die Farben, die Zeichnung spielt darüber und sogar Kratzer auf der Platte werden eingebunden, als gehörten sie dazu.
Als Grafiker jongliert Xaver Mayer mit mehreren Bällen, ohne dass man genau weiß wie. Bei der Satire lauert die Kunst im Hinterhalt, sie gaukelt uns Unglaubliches vor, um den Nervenkitzel zu erhöhen. Nun wissen wir, dass Xaver Mayer ein Gaukler ist, dem wir gerne zusehen, weil auch wir kitzelig sind."

Besser kann man die freudvolle Kunst in ihrer Entstehungs- und Wirkungsweise kaum zusammenfassen.


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