Zweite Natur. Heilige Haine in der Kunst
Ausstellungsprojekt im Kultursommer Rheinland-Pfalz 2011 "Natürlich Kultur"
27.08.11 bis 09.10.11
Vernissage am 26.08.11 um 20.00 Uhr
Einführung: Heinz Setzer und Dr. Barbara Clemens, Vorstandsmitglieder und Kuratoren
Grußwort: Hans-Dieter Schlimmer, Oberbürgermeister der Stadt Landau
Musikalische Umrahmung auf der Panflöte
Die "Zweite Natur" ist seit den Anfängen menschlicher Überlieferung ein kultureller Topos: Seien es die legendären "Hängenden Gärten" der Semiramis, der christliche Klosterkreuzgang als irdische Vorwegnahme des Paradieses, der französische Garten des Absolutismus als Symbol der gottgegebenen Allmacht des Monarchen, der englische Landschaftsgarten als Ort der Befreiung vom Ständestaat oder allgemein die "Stadt" als kultureller Heilsort der Zivilisation. Stets ging und geht es darum, das paradiesische Urbild, die Harmonie von Natur und Mensch, wieder zu erreichen, wozu allerdings die Unterwerfung der ersten Natur notwendig schien.
Die hieraus erwachsene "Zweite Natur", das verbesserte "Nachbild" der ersten Natur, wurde zum Sehnsuchtsmotiv menschlichen Schöpfertums, zur Steigerung des Naturschönen. Sie ist der geistgezeugte reale Raum, in dem sich Philosophie, Religion und die Künste Ausdruck verschaffen. Die "Zweite Natur" wurde damit vor allem Kulturleistung und Gegenpol zur ursprünglichen und "wilden" Natur. Die durch den Menschen geschaffenen Kulturräume Garten und Stadt, ebenso wie die Kunst, sind deren Folgen, aber nicht nur positive. "Arkadien riecht nach Kerosin" titelte das Feuilleton der FAZ (29.09.10) und machte deutlich, dass ästhetische Wunschbilder außerhalb globaler Industrialisierung und Mobilität nicht mehr denkbar sind.
Die heutige kritische Landschaftswahrnehmung, die Wiederentdeckung der romantischen Perspektive der Fensterbilder, Künstlerkommentare zu den Rückzugsgebieten der ersten Natur, ihre Reservate, das neue Interesse am Stillleben, die zum Heilsweg gewordene "Entschleunigung", die Naturformen der Kulturgeschichte im Landschaftsgarten, all dies und mehr ist im Themenkreis der Ausstellung möglich.
Eine metaphysisch-synthetische Metapher der Beziehung Natur-Kultur ist der "Heilige Hain", seit der Antike als Stätte der Begegnung von Mensch und "göttlicher" Natur, erfahrbar aber nur in visionärer Schau von Kunst und Dichtung. Die aktuelle Kunst reagiert auf die Differenz zwischen erster und zweiter Natur angesichts der technisch scheinbar beherrschten, aber gleichzeitig bedrohten Natur der "one world" mit großer Sensibilität.
Landau besitzt als frühere jahrhundertealte Festungsstadt und moderne Gartenstadt, die heutige die größte Weinbaugemeinde Deutschlands darstellt, eine besondere Affinität zum Thema. Sie war und ist durch ihre Geschichte seit Jahrhunderten dem Gegensatz von Kultur und Natur besonders ausgesetzt. Der Plan der Ausrichtung der rheinland-pfälzischen Landesgartenschau 2014 verleiht dem Projekt heute schon zusätzliche Aufmerksamkeit und Bedeutung.
Die Ausstellung des Kunstvereins soll aktuelle Möglichkeiten der künstlerischen Wahrnehmung, geistigen Bewältigung und Darstellung der Polaritäten von Kultur wie Natur verorten: Malerei Plastik, Installation, Fotografie und Performance von zwölf Künstlerinnen und Künstlern aus Rheinland-Pfalz, der ehemaligen Kurpfalz sowie angrenzenden Bundesländern sollen ein breites Spektrum unsere heutigen künstlerischen "Naturperspektive" bieten.
Begleitprogramm
28.08.11 | 15.00 Uhr Führung durch die Ausstellung mit Dr. Barbara Clemens / Heinz Setzer
Termine weiterer Sonntagsführungen entnehmen Sie bitte der Tagespresse
10.09.11 | 15.00 Uhr
"Auf den Spuren der antiken Mythologie"
Exkursion zum Schlosspark Schwetzingen mit kulturhistorischer Führung mit Jessen Oestergaard, Fotokünstler und Schlossparkfotograf sowie mit einem Vertreter der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. 16.00 Uhr Beginn (pünktlich) im Schlosshof.
Kosten ca. 25 EUR mit Fahrt, Eintritt und Führungen.
Bis 01.09.11 Anmeldung bei Hanna Hauck
Tel: 0 63 43 / 93 18 78 (Anrufbeantworter)
Fax: 0 63 41 / 93 00 45
eMail: heinz.setzer@email-dienste.de
Fahrt nach Absprache, abhängig von Teilnehmerzahl.
25.09.11 | 11.00 Uhr Landauer Matinee: "Vom Paradiesgarten zum Garten der irdischen Freiheit"
Bildvortrag: Heinz Setzer, Kurator, Kulturwissenschaftler, Lesung: Dr. Sieglinde Eberhart. Sprecherzieherin an der Fachhochschule Freiburg i. Br.; ehemals Leiterin der VerssprecherInnen der Universität Koblenz-Landau
09.10.11 | ab 15.00 Uhr Finissage
Mit Führung durch die Ausstellung Dr. B. Clemens / H. Setzer und KünstlerInnen
Geboren 1957 in Landau. Ausbildung in einer Keramikwerkstatt, Arbeit als Plastikerin in eigenem Studio, Studienaufenthalt in Los Angeles, USA. Studium bei Prof. Wolfgang Peuker, Kunsthochschule Berlin-Weißensee, sowie bei Prof. Ulrich Hachulla, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig.
Werke: Bildkünstlerische Projekte u.a. Volksbühne Berlin zu "Frida Kahlo", Choreografie Hans Kresnik, Opernhaus Leipzig; zu "Pax Questuoso", Choreografie Professor Uwe Scholz, Stadttheater Heidelberg und am Nationaltheater Mannheim; Bilderzyklus für das Buchprojekt "Prometheus" zum Prometheus-Zyklus von Ted Hughes mit dem Suhrkamp-Insel-Verlag Frankfurt/Main und dem Goethe-Museum in Frankfurt.
Freie Malerin, Grafikerin, Autorin von theoretischen Texten zur Kunst sowie von Prosatexten.
Ausstellungen 2010: im Stadtmuseum Halle, bei der art-Schwetzingen, im Museum unterm Trifels, in Lunéville (Frankreich), bei der UND#5 Karlsruhe, und bei KIS Schwetzingen. Vertreten in der Sammlung Fournier (Paris), Sammlung Reinhold Würth (Künzelsau), etc.
Robert Dämmig
Fotografie
1966
- in Riesa geboren, lebt und arbeitet in Berlin
1988-1991
- Musikstudium Universität Dresden
1991-1993
- Arbeitsaufenthalt in Frankreich
1993-2002
- Hinwendung zur Kunst und Kunstfotografie
2004
- erste Ausstellungen in Berlin und Bordeaux, Arbeitsaufenthalte in vielen Ländern
Europas
2006
- Beginn der Fotoserie "Grids / Structures / Spaces"
2007
- Kunstmesse Köln
2008
- Beginn der Entwicklung fotografischer Diptychen, Ausstellungen in Berlin, Plauen
und Trier
- Einzelpräsentation auf dem 5. Berliner Kunstsalon
2009
- Arbeitsaufenthalte in Kanada und USA
- Ausstellungen Kunstverein Celle; Kunstverein Neckar-Odenwald in Buchen.
Seine scharf gezeichneten und schonungslosen Farbfotografien sind Dokumentationen des Zerfalls, der Rückholung von Architektur und zivilisatorischen Lebensraum in die Natur - eine Kulturgeschichte rückwärts. Die Blicke aus dem Fenster nehmen das traditionelle romantische Motiv wieder auf, doch erhält es den morbiden Geschmack einer verfallenden Kulturlandschaft.
Astrid Diehl
Fotografie
1940 geboren in Frankfurt, lebt und arbeitet in Ilbesheim bei Landau. Mathematikstudium. Vielfältige Projektarbeiten im Umweltschutz, besonders bei regenerativen Energien; Entwicklung wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Senegal. Intensive Beschäftigung mit Fotografie, vor allem Landschafts- und Naturfotografie in s/w-Großformattechnik seit 1996; Unterricht bei Martin Blume, Edesheim; Workshops bei Al Weber, Carmel, California; David Vestal, Bethlehem, Connecticut.
Gruppenausstellungen:
2002
- Visionen Atelier "Neue Flügel für Ikarus", Neuenheerse
2005
- Kunstverein Landau, "Flora und Fauna"
- Fotobuch Kambodscha, Phnom Penh
- Beteiligung Modern Architecture in Cambodia
2010
- Dörenhagener Kunstausstellung
- Museum Beverungen-Dahlhausen
Katja Fischer
Malerei
1970
- in München geboren, Psychologiestudium mit Diplom
1995-1999
- Studium Malerei bei Prof. Horst Sauerbruch, Akademie der Künste, München.
1998
- Studium an der Hochschule für Kunst und Design, Helsinki
2004/05
- Studium der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Anke Doberauer
- lebt als freie Malerin und Bildhauerin in München
Katja Fischer malt kleinformatige Öl-Leinwandtableaus, welche eine verblüffende und irritierende Perspektive und Verzerrungen auf die kleine naturgegebene Verhältnisse freigeben, etwa auf die Laufstraßen von Ameisen, die Mimikry von Eidechsen oder den Hummelflug. Ein Blick der zweiten Natur, welcher sich als Kunstwahrnehmung offen präsentiert.
Renate M. F. Günter
Malerei
1949
- geboren in Mannheim
1964-1966
- Studium an der Rödel Kunstschule, Mannheim
1966-1967
- Freie Akademie Werkkunstschule, Mannheim
- Mitglied des BBK Mannheim und der Gedok Mannheim-Ludwigshafen
- lebt und arbeitet in Mannheim
Renate Günter pflegt einen gesellschaftskritisch-satirischen Malstil, indem sie die Konflikte und Verletzungen zwischen Natur und Zivilisation sowie die Sehnsucht des modernen Menschen nach unberührter Natur, die doch nicht wirklich gewollt wird, mit Öl auf die Leinwand bringt.
Thorsen Hallscheidt
Medienkunst, Installation
1964 in Karlsruhe geboren. Studium der Philosophie und der Literaturwissenschaften in Düsseldorf Studium an der staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Meisterschüler bei Prof. Ernst Caramelle, postgradualer Studiengang im Fachbereich Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien Köln, Diplom im Fachbereich Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien Köln.
Preise: u.a. Max Ernst Stipendium Brühl, Nam June Paik Award Kunststiftung NRW zahlr. Ausstellungen, u.a mit Videoinstallationen zum Thema Heimat, Natur und synästhetische Wahrnehmung von Kultur (elektronische Musik) und Natur (Vegetationsperioden von Bäumen). Der Heilige Hain des griechischen Arkadien wie der germanischen Mythologie scheint dabei in den Blick zu geraten.
Lebt und arbeitet in Karlsruhe.
Michael Lauterjung
Malerei, Fotografie
1959
- geboren in Stuttgart
1980/81
- Studium Freie Kunstschule, Stuttgart
1981-1985
- Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart
1985/86
- Hochschule für angewandte Kunst, Wien
1987
- Atelier in Köln
seit 2000
- Atelier in Cammin
Lauterjungs großformatige Stillleben als reine Naturobjekte scheinen auf den ersten Blick zum Schönen zu verführen und doch zeigen sie die Diskrepanz zwischen wohlgefälliger Eingängigkeit und dem subversivem Bruch eines tradierten Bildkanons. Semantische und visuelle Mehrdeutigkeiten sind Grundmuster seines Schaffens.
Ilaria Locati
Installationen, Objekt- und Konzeptkunst
1974
- in Mailand geboren
1993-1994
- Studium im Studio Artistico bei Prof. Bali, Mailand
1994-1999
- Studium Kunstakademie Mailand mit Diplom Bildhauerei
1999-2000
- Studium Naturwissenschaft Universität Mailand
- lebt und arbeitet in Vernasca, Nähe Piacenza in Norditalien
Die Arbeiten Locatis bestehen zumeist aus Naturmaterialien der Arte povera, Holz, Erde, Wachs, Blei, Eisen, Steine, sowie Gegenstände der Tier- und Pflanzenwelt, womit poetische und symbolisch-assoziative Installationen bis zu monumentalen Größenverhältnissen entstehen können. Wichtigstes Element und Mittelpunkt ihres Schaffens ist die Natur selbst, die die durch ihre künstlerische Arbeit in ihrer Bedürftigkeit nach Schutz und Verteidigung wahrgenommen werden kann. Einzel- und Gruppenausstellungen: Librera Bocca, Mailand, Internationale d'Arte Animalista, Artisti in Fieri, Mailand, Parma; Forme e Colori Galleria, Spazio Arte & Castell'Arquato Piacenza; Galerie Goethestraße München; Kunstverein Heidenheim; Italienisches Kulturinstitut Berlin, Kunstmessen in Parma; im EU-Kongresspalast Rom, In der Internationalen Messe der Moderne in Bozen.
Jessen Oestergaard
Fotografie
1962 geboren in Berlin. Seit der Kindheit wohnhaft im Raum Schwetzingen; Magisterstudium der Anglistik und Romanistik in Heidelberg; Stipendium an der San Diego State University, U.S.A. Fotografiekurse am dortigen Industrial Arts Department. Parallel zum Studium intensive Beschäftigung mit gestalterischer Fotografie. 1993 Hasselblad Fine Art Preisträger, ausgewählter Künstler der 17. Kreiskulturwoche des Rhein-Neckar-Kreises; Katalog und Wanderausstellung "Atelier & Künstler". 2006 Freier Künstlerischer Fotograf, Mitglied des VBKW e.V., BBK, vertreten durch die Galerie Keller, Mannheim. Jessen Oestergaard ist Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender des Künstlervereins KIS KünstlerInitiative Schwetzingen e.V.
Oestergaard ist der bedeutendste heutige Fotograf des Schwetzinger Schlossparks. Dieser Park erscheint als die Inkarnation der Konzeption einer zweiten Natur, da er als französischer Barockgarten eine künstlich vervollkommnete Natur darstellt, welche die eigentliche Natur der Vision einer absolutistischen Staatssymbolik und rationalistischen Ästhetik unterwarf.
Sebastian Walter-Lilienfein
Malerei
Sebastian Walter-Lilienfein wurde 1959 in Düsseldorf geboren, studierte ab 1980 Freie Malerei an der HBK Kassel bei Prof. Kurt Haug und Prof. Manfred Bluth, Diplom 1986. 1991 wurde er Mitglied im Künstlersonderbund in Deutschland.
Seit 1986 Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in Berlin (z.B. Realismus-Triennalen 1993 und 1996 im Gropiusbau), Düsseldorf, Essen (z.B. Reise in entlegene Räume 2005 in der Zeche Zollverein), Fulda, Kassel, Köln, Mainz (z.B. Positionen des Realismus 2005 im Kunstverein Eisenturm), München, Paris (z.B. FIAC 1993 im Grand Palais, Salon d'Automne 2000), Ratingen. Er lebt und arbeitet in Essen.
Heide Weidele
Objektkunst, Installation
1944
- geb. in Frankfurt/M.
- Hochschule für Gestaltung Offenurg,
1972-1982
- Staatliche Hochschule für Bildende Künste-Städelschule Frankfurt
1995/96
- Gastprofessur an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
1996
- Gastprofessur Universität Weimar
1997-1998
- Lehraufträge Universität Weimar
Heide Weidele verwandelt alltägliche Plastikteile fast alchimistisch in Naturobjekte, Pflanzen, Blumen, die allerdings ihre zweite Natur als Plastik bewahren. Weidele simuliert Natur durch die Betonung unserer künstlichen, naturfernen Lebenswelt, Entfremdung wird zum Wesen ihrer Kunstdinge.