Kunstverein Neustadt an der Weinstraße / Villa Böhm
Aktueller Vorstand

Vorsitzender: Wolfgang Glass
Stellvertreterin: Katharina Dück
Schatzmeister: Wolfgang Dohlich
Schriftführer: Manfred Plathe
Vorstandsmitglieder: Thomas Cohnen, Bernd Barde, Marc Weigel
Text-/Presseverantwortliche: Usch Kiausch


Rede von Wolfgang Glass zum 50-jährigen Bestehen des Vereins

Die Gründung des Kunstvereins Neustadt im Jahr 1955 war ein gewaltiger Bruch mit Bisherigem: eine Absage an das ideologische Kunstverständnis des Nationalsozialismus, eine Öffnung für die internationale Kunstszene der Zeit. Schließlich war ein Vorläufer des neuen Kunstvereins Neustadt die 1933 gleichgeschaltete "Notgemeinschaft Pfälzer Kunst", eine Fachgruppe des "Kampfbundes für deutsche Kultur in der Westmark", eine Propagandaorganisation für - Zitat - "völkische Werte" und "nationalsozialistisches Gedankengut".

Dem ersten Vorstand des neuen Kunstvereins gehörten 1955 der damalige Neustadter Oberbürgermeister Edwin Hartmann als 1. Vorsitzender und der pfälzische Schriftsteller Heinz Lorenz als sein Stellvertreter an. Ab 1967 war Bürgermeister Paul Wolf Vorsitzender und Heinz Feuchtinger sein Stellvertreter. Museumsfahrten, Ausstellungen in der Brunnenhalle Bad Dürkheim und in der Stadthalle Deidesheim, 1971 und 1973 auch auf dem Hambacher Schloss, prägten die ersten Dekaden ohne festes Domizil. 1974 stellte die Stadt dem Verein das Anwesen am Marktplatz 11 zur Verfügung. 1976 haben hier u.a. Christiane Maether, Gernot Rumpf und Hans Rolf Peter ihre Arbeiten gezeigt.

Große Veränderungen folgten ab 1977: Hansjörg Böhm übernahm den 1. Vorsitz, Dr. Berthold Hackelsberger wurde 2. Vorsitzender. In der Satzung wurde die Vorstandszugehörigkeit des jeweils amtierenden Kulturdezernenten festgeschrieben, eine Regelung, die bis heute gilt. 1978 erhielt der Kunstverein sein neues Domizil in der Villa Böhm. Hochkarätige Ausstellungen folgten Schlag auf Schlag: eine Ausstellung zeitgenössischer indischer Malerei; "Kunst und Wein" unter Beteiligung von Maether, Hilsing, Morell, Richter und Baselitz; eine Max Ernst-Präsentation mit Originalen und Grafiken aus der Sammlung des Filmregisseurs Peter Schamoni - um nur einige Höhepunkte zu nennen.

Eine neue kreative Phase des Kunstvereins ist heute allgemein als die "Ära Wolfgang Bachtler/Gerhard Hofmann" bekannt. Sie begann 1981/1982, als Wolfgang Bachtler für die folgenden 18 Jahre den Vorsitz des Neustadter Kunstvereins übernahm. Bachtler und Hofmann, überaus aktive künstlerische Persönlichkeiten, brachten ihre eigenen Erfahrungen und vielfältigen nationalen und internationalen Kontakte in die Arbeit des Kunstvereins ein.

Die Villa Böhm wurde zum überregional bedeutenden Ausstellungsort, an dem z.B. Johannes Grützke, Maximilian Hutlett, Volker Krebs, Yoshi Takahashi, Günther Berlejung zu sehen waren. Themenbezogene Ausstellungen befassten sich etwa mit satirischer Grafik, Lithografie oder Terrakotta. Darüber hinaus gab es Ausstellungen junger Künstler, Schülerausstellungen, Mitgliederausstellungen. Fast 100 Ausstellungen wurden in diesen zwei Dekaden in der "Villa" durchgeführt. Vertreten waren dabei Künstler aus der Region, ebenso wie solche aus dem In- und Ausland.

Um die Beteiligung des Kunstvereins an städtischen Entscheidungen ging es in den Auseinandersetzungen von 1999/2000. Konkreter gesagt: um künftige Nutzungskonzepte für die Villa Böhm nach den Renovierungsarbeiten, die von 1998 bis 2003 dauern sollten. Eine heftige Zäsur in der Arbeit des Kunstvereins gab es im Dezember 1999: Der gesamte Vorstand des Kunstvereins - bis auf den Kulturdezernenten, der ihm qua Amt angehörte - trat zurück, denn er sah die Ausstellungsmöglichkeiten nicht mehr gewährleistet, sollte der Kunstverein die Räume im Obergeschoss der Villa nicht mehr nutzen können. Im März 2000 wählte die Mitgliederversammlung einen neuen Vorstand auf zwei Jahre, dem ich selbst, Alexandra Koch, Petra Loer, Tine Duffing, Reneé Spitzner, André Bayer und Lutz Frisch angehörten.

Vom Museum auf die Straße: Wegen Renovierung der Villa Böhm konnten dort ab April 1998 keine Ausstellungen mehr stattfinden. Stattdessen förderte der Kunstverein Neustadt mit einer großzügigen Geldspende die sommerliche "Hofkultur" - ein eintägiges, interdisziplinäres Kunst- und Kulturfestival in den Innenhöfen der Hintergasse, Mittelgasse und Zwerchgasse, das Tausende von Besuchern anzog und 2000, 2002 und 2006 erfolgreich weitergeführt wurde.

Unter dem neuen Motto "Lust auf Kunst" setzte der Kunstverein neue Schwerpunkte der Vernetzung und Zusammenarbeit: So veranstaltete er mit dem Frauenhaus Neustadt eine Ausstellung zum Thema "Häusliche Gewalt", beteiligte sich mit einer Mitgliederausstellung 2002 am Symposium "Visionen - Science meets Fiction" im Saalbau, begann unter dem Leitmotiv "KunstWechsel" den künstlerischen Austausch mit dem Art Forum Graz, dem Wollmagazin Kaiserslautern, der Kunstgilde Bad Bergzabern, beteiligte sich an den "Kultursommern Rheinland-Pfalz" und am "Erlebnistag Deutsche Weinstraße".

Ein Künstlerstammtisch, der einmal im Monat tagt, sorgt für schnelle Kommunikation und die Diskussion neuer Projekte. Gleichzeitig wurde die virtuelle Präsentation im Internet vorangetrieben, die "Saalbaugalerie" eingerichtet, das lange leer stehende Kaufhaus Schneider in der Innenstadt für Kunstaktionen genutzt.

Während der Renovierung der Villa Böhm fanden 2000/2001 sechs Ausstellungen in den Räumen der Sparkasse Rhein Haardt im Ägyptenpfad statt, bis der Kunstverein 2003 in die Villa Böhm zurückkehren konnte, und zwar, wie gewünscht, ins Obergeschoss, wo Hängemöglichkeiten und Lichtverhältnisse für die Ausstellungen bestens geeignet sind. Insgesamt haben wir seitdem 15 Ausstellungen hier durchgeführt, die von insgesamt mehr als 5.000 Gästen besucht wurden. Zu den Höhepunkten zählte die Ausstellung der "Bilder vom Menschen" im Jahre 2004 - die großformatigen Skulpturen Prof. Gunther Stillings, deren Transport und Aufstellung Einiges an Logistik, Zeit und Kosten abverlangte.

Vier große Ausstellungen pro Jahr werden in der Villa Böhm veranstaltet, nach wie vor liegt ein Schwerpunkt dabei auf der Förderung junger Künstler. Präsentiert werden sowohl in der Region ansässige Künstler als auch Kollegen aus dem In- und Ausland.

Offenheit nach außen, Neugier auf Neues, Nutzung verschiedenster Möglichkeiten der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Villa Böhm bestimmen heute die Arbeit des Kunstvereins. Frei nach dem aristotelischen Motto: "Kunst liebt den Zufall, und der Zufall liebt die Kunst".


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