Landschaft in Nahsicht mit der Konzentration auf das Wesentliche stand 2006 in der Ausstellung lauterland im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern im Blickpunkt. Der Fokus lag auf der Abbildung von Strukturen, die von Mensch und Maschine geschaffen wurden. Der Mensch selbst blieb außen vor. Kultur, lat. cultura, Bearbeitung, Pflege, Ackerbau von Nutzflächen, kreiert, wie Jörg Heieck, der kunstschaffende Fotograf in seinen Arbeiten beweist, hinreißende ästhetische Gebilde. Lineare und serielle Texturen wie Saatreihen und Ackerfurchen regen zum Nachdenken über die Schnittstellen und die gegenseitige Abhängigkeit von Mensch und Natur an.

Hier und heute in 2019 setzt der Fotograf, Physiker und Mensch Jörg Heieck in CRUX, lat. Kreuz, ungebändigten urbanen Kulturlandschaften, das heißt von Menschenhand gestalteten Straßenkreuzungen, Wüsten entgegen. Das sind unberührte vegetations- und menschenlose Trocken- oder Eisöden. Prototypen des Urzustands, die Lebenspotentiale für Pflanzen, Tiere und Menschen in sich bergen.
Am Anfang war die Erde wüst und leer. Ihre Zukunft endet nach der creatio ex nihilo, wenn wir so weitermachen, für den Künstler Jörg Heieck nicht in blühenden oder gelobten Landschaften, sondern wieder in Ödnissen. Für Heieck ist die Wüste eine Metapher eines Raumes der Wachstumspotential für die Evolution birgt. Auf Grund des globalen ökologischen Raubbaus kann es nüchtern betrachtet mit der Bewahrung des Status quo oder einem Komme-was-wolle nicht weitergehen. Damit will er sich nicht zufriedengeben. Sein Anliegen ist, Augen zu öffnen und sichtbar zu machen: Was unsere Zukunft als auch die unseres Planeten angeht, stehen wir am Scheideweg.

Der vielreisende Fotograf durchstreift seit geraumer Zeit Großstädte der Welt. Unter- wegs mit der Panoramakamera zielt er darauf ab, Schlüsselstellen des Lebens ausfindig zu machen und einzufangen. Das ist Fotografie, die ohne Inszenierung auskommt. Von besonderem Reiz sind für ihn die aus den vielfältigen Stadtlandschaften erwachsenen Bauformen und Lebensstile, also die besonderen Charakteristiken und Ausprägungen an urbanen Straßenkreuzungen und nicht der generische Raum.
Heieck hat dabei immer sowohl den Menschen im Blick als auch den Kontext. Darunter fallen Dinge wie landestypische Schriftsysteme, Werbebanner, Plakate und Beschriftungen, alles, was ortsbedingte Besonderheiten und interessante Konfrontationen bietet. Jede Kultur hat ihr charakteristisches Abbildungssystem, ihre eigenen visuellen Merkmale und Codes. Die Schriften, Texte und Banner sind Begleiter, die in den urbanen Raum eingreifen und Aufschluss über kulturelle, soziale, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung geben. Sie sind Ausdruck eines Kultur-, Zeit- und Raumgeistes. Sie erzählen vom Leben, vom Konsum, dem Genuss und sonstigen materiellen Freuden des Daseins. Man kann die Spuren, die der Mensch hier hinterlässt, sehr unterschiedlich bewerten. Man kann sie als aufdringliche Zeichen lesen, die in die Ordnung städtischer Kulturlandschaften eingreifen und Architektur, Ästhetik und Gestaltung beschädigen. Man kann sie ebenso als kulturelle Wertobjekte betrachten und unter dem Begriff bereichernde stilistische Vielfalt subsumieren.

Heieck geht es primär nicht um eine schnelle, dynamische Reaktion auf aktuelle Ereignisse, sondern um das Aufspüren von epischen Perspektiven und Atmosphären. Intuitiv, so sagt er, erspürt er den geeigneten Standort, die Konstellationen der Dinge und Geschehnisse und ordnet, was er sieht. Auch der Künstler ist nicht durch und durch rational. Sein Auge wird dabei immer auch von innen geführt, einem Rückgriff auf sein geistiges Bildarchiv und dem individuellen Wechselspiel von rationalen Abwägungen, irrationalen Gegebenheiten und Emotionen.
Heieck richtet in seinen Panoramen den Fokus weniger in die Tiefe, denn in die Breite, nämlich auf die Vielfalt der Kontinente und Kulturen. Seine Fotografien sind primär keine Abbilder von eindeutig wiedererkennbaren Orten. Lebhaftes Treiben, geschäftiges Gedränge stehen für ihn nicht obenan, gleichwohl der Mensch hier die Feder führt.
Der Künstler Jörg Heieck erhebt eher das Zufällige zum Exemplarischen und versucht dabei die jeweiligen kulturellen Eigenheiten einzufangen. Er kommt ohne jedwede Hinzufügung aus und zeigt in seinen ruhigen Bildern, dass in urbanen Räumen das Spezifische der Kulturen und die Bedingtheiten menschlichen Lebens sichtbar und manifest werden. Wir erfahren viel über ökonomische und interkulturelle Beeinflussungen und Überschneidungen als auch über das Ineinandergreifen von Fremdem und Eigenem.
Im Kontrast dazu stehen die faszinierenden anmutigen großformatigen Cyanotypien von öden Naturräumen. Das ist kreative Transformation von etwas, was für den Künstler Rohmaterial für die Evolution ist, aus anderer Perspektive wie Katastrophe aussieht. Sie macht uns bewusst, auf welch schmalen Grat wir wandeln. Von den überaus ästhetischen Trugbildern von mystischer Schönheit gehen Suggestivkräfte aus. Diese berühren die Frage: Welche menschlichen Lebensräume wollen wir. Daneben bieten sie Raum für Visionen und Dystopien.

Dass Bildende Kunst nicht nur mit den Augen und dem Verstand, sondern auch emotional wahrgenommen wird, das weiß der Physiker, gleichwohl er in seinem Fach wahrscheinlich der Ratio, will heißen Fakten, das letzte Wort zugestehen würde. Hier geht es ihm weder um das letzte Wort noch um die Machtfrage Verstand oder Gefühl, sondern darum, uns, den Betrachter, zum Innehalten, zur Achtsamkeit und zum Nachdenken zu bewegen.
In CRUX konfrontiert er uns mit seinem Entwurf von Zukunft aus der Vergangenheit, der auf der Idee beruht, dass der unheilvolle Kreis sich schließt. Wüste wird wieder zu Wüste. Welt hat einen Anfang und ein ebensolches Ende. Das lässt an Nietzsches ewige Wiederkehr der Dinge denken.
In seinen Cyanotypien transformiert Heieck präzise Schwarz-Weiß-Aufnahmen von verödeten, vegetationslosen Gebieten. Mittels der Cyanotypie, einem alten fotografischen Druckverfahren, transportiert er Farbe und Unschärfe ins Papier und schafft so irritierend poetische Bilder.
Was sich hier im Bild als ästhetische, kosmogenische Schöpfung darstellt, kann man als ein raffiniertes Spiel sehen, das uns zum Innehalten anhält und den Blick hinter die Kulissen fordert und uns die Möglichkeit bietet, sie für die Gegenwart zu befragen.   
Wüsten werden hier nicht mehr nur dokumentiert, sondern inszeniert und neu geschaffen. Wüsten erscheinen vor unseren Augen als stille Oasen in Eisenblau. Räume der Imagination, die eisklare Botschaften von Schönheit und Erschrecken zugleich aussenden.
Kultivierte Ästhetik holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück und verweist auf die nüchtern und rational betrachtet existierende Bedrohung.
Ins Blaue hinein weitermachen, das hieße unser aller Zukunft aufs Spiel zu setzen, das weiß er, das wissen wir.